kjest 26
Vas Luch fül- Mle 7 "Tu--581
sm vämmerrustande.
5ki^e von 6öhme.
(Nachdruck urrboteng
W^Aor dem Bäckerladen in einer ziemlich großen
Ms /R Stadt stand ein Mann, der mit gierigen
«Wll klugen die Auslagen im Schaufenster be-
lAskli traihtete. Man sah es ihm an, daß der
Hunger ihn quälte. Sein beschmutzter Anzug, ob-
wohl von besserem Stoff, zeigte an verschiedenen
Stellen Löcher. Es war nicht schwer zu erraten,
daß der Mann Tage, vielleicht Wochen nicht aus
den Kleidern gekommen war und in keinem Bette
geschlafen hatte. Die Schuhe waren voll Schmutz
und Staub, die Absätze schief gelaufen.
Der Mann sah sich nach allen Seiten lauernd
nur. Es gingen zwar viele
Leute vorbei, aber sie achteten
nicht- auf ihn. In großen
Städten kümmert sich keiner
um den anderen. Die Tür
zum Bäckerladen war nur an-
gelehnt. Wahrscheinlich hatte
ein Kunde sie nicht fest hinter
sich zugedrückt. Im Laden
selbst war niemand zn sehen.
Der Mann hatte das alles
beobachtet. Er kämpfte mit
einem Entschluß. Noch schien
er zu zögern. Plötzlich aber,
wie von einer fremden Macht
getrieben, schob er behutsam
die Tür etwas zurück und trat
leise einige Schritte in den
Laden hinein. Ein halbange-
schnittenes Brot lag vorn auf
dem Tische. Er streckte seine
Hand aus, ergriff das Brot
und verbarg es schnell unter
seinem Rock. Eilig verließ er
den Laden wieder. Aber kaum
hatte er zwei oder drei Schritte
auf der Straße zurückgelegt,
als eine Hand ihn fest am Rock-
kragen faßte und ihn zwang
stehen zu bleiben. „Da haben
wir den Dieb!" rief eine barsche
Stimme. Ein Schutzmann
hatte ihn schon länger beob-
achtet.
„Geben Sie das Brot
heraus!"
Der Mann gehorchte ohne
Widerrede und zog das Brot
unter dem Rocke hervor. Der
Schutzmann nahm es und
ging in den Laden, den Dieb
mit sich ziehend. Nun erschien
eine Frau im Laden. Der
Polizist gab das Brot zurück
und trug den Sachverhalt um-
ständlich vor. Er hoffte auf
Dank; doch da hatte er sich
geirrt. Mitleidig sah die Frau
auf die bleichen Züge des
Mannes und sagte: „Sie hat-
ten wohl großen Hunger?"
Der Mann nickte. Er
schämte sich und konnte kein
Wort hervorbringen.
„Da haben Sie etwas."
„Warum haben Sie nicht
um eine kleine Gabe gebeten?"
fuhr der Schutzmann barsch
den Fremden an.
„Ich wollte nicht betteln,"
entgegnete dieser leise.
„Und deshalb haben Sie gestohlen. Das paßte
Ihnen besser. Jetzt vorwärts zur Polizei! Das
weitere wird sich finden."
Folgsam ließ sich der Mann absühren. Er ver-
schlang unterwegs die geschenkten Brötchen und
achtete nicht aus das, was um ihn her vorging. Aus
der Wache wurde er zunächst in einen großen, öden
Raum geführt, in dem sich noch mehrere Personen
zweifelhaften Charakters befanden. Sie wurden
einzeln vorgeführt. Der Mann, der das Brot ge-
stohlen, war der letzte. Mühsam erhob er sich von
seinem Sitze und schwankte in das Verhörzimmer.
Er konnte vor Ermattung kaum mehr gehen.
„Wie heißen Sie?" war die erste Frage des
Polizeibeamten.
Der Mann zuckte zusammen, gab aber keine
Antwort.
„Haben Sie nicht verstanden, Mann! Ich will
wissen, wie Sie heißen?"
Der Mann faßte sich verzweifelt an den Kopf,
als ob ihn dieser heftig schmerzte. Dann sagte er:
„Ich weiß es nicht."
„Mann, sind Sie verrückt?"
„Ich glanbe, ich bin es."
Der Beamte fuhr auf. „Mann, machen Sie
keine Flausen. Wir sind hier nicht da zum Spaßen.
Ich frage Sie nochmals: Wie heißen Sie?"
Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht."
„Sie wollen nicht wissen, wie Sie heißen?"
„Nein, ich weiß es nicht."
Der Beamte lachte höhnisch auf. „Danu wissen
Sie Wohl auch nicht, wann und wo Sie geboren
sind, und wo Sie wohnen?"
Wieder schüttelte der Mann den Kopf. „Nein,
ich weiß das alles nicht. Ich habe es vergessen."
„Sie haben vergessen, wie Sie heißen," spottete
der Gestrenge. „Na, so etwas ist mir in meiner
langen Tätigkeit noch nicht begegnet. Aber wir
wollen schon noch dahinterkommen, wer Sie sind.
Vorläufig bleiben Sie hier in Haft. Morgen lasse
ich Sie wieder vorführen. Vielleicht, besinnen Sie
sich bis dahin, wie Sie heißen. Hahaha! den Fall
muß ich dem Herrn Polizeirat erzählen. Der liebt
solche Späße."
Auf einen Wink seines Vorgesetzten wollte der
Schutzmann den Verhafteten abführen, aber dieser
brach ohnmächtig zusammen.
Der Beamte besann sich nicht lange. „Der Mann
scheint erschöpft zu sein," sagte er zu dem Schutz-
mann. „Telephonieren Sie sogleich nach dem
Krankenhause. Mair soll ihn sofort abholen. Wahr-
scheinlich ist das ein ausgefeimter Halunke. Wer
weiß, was der alles auf dem Kerbholze hat." —
Als der Unbekannte am anderen Morgen er-
wachte und etwas zur Besinnung kam, fand er, daß
er in einem Bette lag. Eine Diakonissin saß davor.
Er staunte sie an.
„Wo bin ich?" stammelte er.
„Im Krankenhause," erwiderte freundlich Schwe-
ster Martha.
Der Mann sann eine Weile nach. „Bin ich denn
krank?" fragte er.
„Das muß schon sein, denn sonst wären Sie nicht
hier," lächelte Schwester Martha.
„Mein Gott, wie bin ich denn hierhergekommen?"
Ängstlich blickte der Kranke die Wärterin an.
„Das sollen Sie alles noch erfahren. Jetzt dürfen
Sie nicht sprechen und müssen sich ganz ruhig ver-
halten. Regen Sie sich nur uicht auf. Zunächst
trinken Sie diese Fleischbrühe hier, und dann schlafen
Sie weiter."
Mit durstigen Zügen trank der Mann und sank
dann wieder auf das Kisseu zurück. Er fühlte sich
besser, aber er fand keinen Schlaf. Er faßte sich
an den Kopf, der ihn immer
noch schmerzte, obwohl nicht
mehr so sehr wie gestern. Er
grübelte und versuchte sich
Klarheit über seinen Zustand
zu verschaffen. Doch es ge-
lang ihm nicht.
So fand ihn der Arzt, ein
noch junger Mann nut klugen
und zugleich wohlwollenden
Zügen. „Nun, lieber Freund,
wie geht es heute? Besser,
nicht wahr?" Er griff nach dem
Puls. „Sehen Sie, das Fieber
ist in: Abnehmen. Ich denke,
morgen oder übermorgen sind
Sie wieder ganz hergestellt.
NurRuhe. Vollständige Ruhe."
Mit diesen Worten wollte er
den Kranken verlassen.
Der Mann stöhnte. „Herr
Doktor, bleiben Sie noch hier.
Ich muß Ihnen etwas sagen."
Nur mühsam kamen die Worte
aus dem Munde des Mannes.
„Ich muß Ihnen ein Ge-
ständnis machen."
„Nun, so sprechen Sie,"
entgegnete freundlich der Arzt.
„Ich weiß nicht, wie ich
heiße."
Jetzt entsann sich der Arzt
auch der Bemerkung des Schutz-
manns, der die Überführung
des Kranken geleitet hatte.
Prüfend blickte er in das bart-
lose und scharfgeschnittene Ge-
sicht des Unbekannten.
„Sie werden mich wohl
auch für verrückt halten wie
auf der Polizei," fuhr dieser
fort. „Aber es ist so: ich habe
meinen Namen vergessen. Ich
weiß nicht, wer ich bin. Es ist
furchtbar! Ich kann mich nicht
entsinnen, wie ich hierher in
diese Stadt gekommen bin,
deren Namen ich nicht kenne.
Alles ist mir fremd. Die
Straßen, die Gebäude. Ich
muß zum ersten Male hier
sein. Auch wo ich bis jetzt ge-
wohnt habe, weiß ich nicht, und
wie lange ich von meinem
eigentlichen Wohnorte fort bin.
Helfen Sie mir, Herr Doktor."
Der Mann schluchzte wie ein
kleines Kind.
Der junge Arzt dachte eine
Weile nach. Er wußte, daßsolche
Fälle starker, aber häufig rasch
vorübergehender Schwäche des Gedächtnisses nicht
vereinzelt sind. Es ist eine Krankheit wie jede andere,
unter dem Namen Amnesie den Ärzten wohlbekannt.
„Beruhigen Sie sich, lieber Freund. Die Sache
ist nicht so schlimm, wie sie auf den ersten Blick viel-
leicht aussieht."
„Sie könuen mir mein Gedächtnis wiedergeben?
Sagen Sie mir die Wahrheit." Ängstlich waren die
Blicke des Unglücklichen auf den Arzt gerichtet.
„Ich hoffe es. Ja, ich glaube bestimmt, daß Sie
geheilt werden. Ich werde Sie am Nachmittag
wieder besuchen. Da habe ich mehr Zeit und kann
mich nut Ihnen eingehend beschäftigen. Versuchen
Sie zu schlafen und essen Sie mittags tüchtig, damit
Sie zunächst wieder zu Kräften kommen. Also auf
Wiedersehen, lieber Freund, und machen Sie sich
weiter keine Sorge! Ihr Zustand wird vorübergehen."
Tröstend reichte der junge Arzt dem Manne die
Hand und entfernte sich. Für ihn war dies ein sehr
anregender Fall. —
Phot. Do. Senger, Kosen.
Vas Selsendorf.
Vas Luch fül- Mle 7 "Tu--581
sm vämmerrustande.
5ki^e von 6öhme.
(Nachdruck urrboteng
W^Aor dem Bäckerladen in einer ziemlich großen
Ms /R Stadt stand ein Mann, der mit gierigen
«Wll klugen die Auslagen im Schaufenster be-
lAskli traihtete. Man sah es ihm an, daß der
Hunger ihn quälte. Sein beschmutzter Anzug, ob-
wohl von besserem Stoff, zeigte an verschiedenen
Stellen Löcher. Es war nicht schwer zu erraten,
daß der Mann Tage, vielleicht Wochen nicht aus
den Kleidern gekommen war und in keinem Bette
geschlafen hatte. Die Schuhe waren voll Schmutz
und Staub, die Absätze schief gelaufen.
Der Mann sah sich nach allen Seiten lauernd
nur. Es gingen zwar viele
Leute vorbei, aber sie achteten
nicht- auf ihn. In großen
Städten kümmert sich keiner
um den anderen. Die Tür
zum Bäckerladen war nur an-
gelehnt. Wahrscheinlich hatte
ein Kunde sie nicht fest hinter
sich zugedrückt. Im Laden
selbst war niemand zn sehen.
Der Mann hatte das alles
beobachtet. Er kämpfte mit
einem Entschluß. Noch schien
er zu zögern. Plötzlich aber,
wie von einer fremden Macht
getrieben, schob er behutsam
die Tür etwas zurück und trat
leise einige Schritte in den
Laden hinein. Ein halbange-
schnittenes Brot lag vorn auf
dem Tische. Er streckte seine
Hand aus, ergriff das Brot
und verbarg es schnell unter
seinem Rock. Eilig verließ er
den Laden wieder. Aber kaum
hatte er zwei oder drei Schritte
auf der Straße zurückgelegt,
als eine Hand ihn fest am Rock-
kragen faßte und ihn zwang
stehen zu bleiben. „Da haben
wir den Dieb!" rief eine barsche
Stimme. Ein Schutzmann
hatte ihn schon länger beob-
achtet.
„Geben Sie das Brot
heraus!"
Der Mann gehorchte ohne
Widerrede und zog das Brot
unter dem Rocke hervor. Der
Schutzmann nahm es und
ging in den Laden, den Dieb
mit sich ziehend. Nun erschien
eine Frau im Laden. Der
Polizist gab das Brot zurück
und trug den Sachverhalt um-
ständlich vor. Er hoffte auf
Dank; doch da hatte er sich
geirrt. Mitleidig sah die Frau
auf die bleichen Züge des
Mannes und sagte: „Sie hat-
ten wohl großen Hunger?"
Der Mann nickte. Er
schämte sich und konnte kein
Wort hervorbringen.
„Da haben Sie etwas."
„Warum haben Sie nicht
um eine kleine Gabe gebeten?"
fuhr der Schutzmann barsch
den Fremden an.
„Ich wollte nicht betteln,"
entgegnete dieser leise.
„Und deshalb haben Sie gestohlen. Das paßte
Ihnen besser. Jetzt vorwärts zur Polizei! Das
weitere wird sich finden."
Folgsam ließ sich der Mann absühren. Er ver-
schlang unterwegs die geschenkten Brötchen und
achtete nicht aus das, was um ihn her vorging. Aus
der Wache wurde er zunächst in einen großen, öden
Raum geführt, in dem sich noch mehrere Personen
zweifelhaften Charakters befanden. Sie wurden
einzeln vorgeführt. Der Mann, der das Brot ge-
stohlen, war der letzte. Mühsam erhob er sich von
seinem Sitze und schwankte in das Verhörzimmer.
Er konnte vor Ermattung kaum mehr gehen.
„Wie heißen Sie?" war die erste Frage des
Polizeibeamten.
Der Mann zuckte zusammen, gab aber keine
Antwort.
„Haben Sie nicht verstanden, Mann! Ich will
wissen, wie Sie heißen?"
Der Mann faßte sich verzweifelt an den Kopf,
als ob ihn dieser heftig schmerzte. Dann sagte er:
„Ich weiß es nicht."
„Mann, sind Sie verrückt?"
„Ich glanbe, ich bin es."
Der Beamte fuhr auf. „Mann, machen Sie
keine Flausen. Wir sind hier nicht da zum Spaßen.
Ich frage Sie nochmals: Wie heißen Sie?"
Der Mann schüttelte den Kopf. „Ich weiß es nicht."
„Sie wollen nicht wissen, wie Sie heißen?"
„Nein, ich weiß es nicht."
Der Beamte lachte höhnisch auf. „Danu wissen
Sie Wohl auch nicht, wann und wo Sie geboren
sind, und wo Sie wohnen?"
Wieder schüttelte der Mann den Kopf. „Nein,
ich weiß das alles nicht. Ich habe es vergessen."
„Sie haben vergessen, wie Sie heißen," spottete
der Gestrenge. „Na, so etwas ist mir in meiner
langen Tätigkeit noch nicht begegnet. Aber wir
wollen schon noch dahinterkommen, wer Sie sind.
Vorläufig bleiben Sie hier in Haft. Morgen lasse
ich Sie wieder vorführen. Vielleicht, besinnen Sie
sich bis dahin, wie Sie heißen. Hahaha! den Fall
muß ich dem Herrn Polizeirat erzählen. Der liebt
solche Späße."
Auf einen Wink seines Vorgesetzten wollte der
Schutzmann den Verhafteten abführen, aber dieser
brach ohnmächtig zusammen.
Der Beamte besann sich nicht lange. „Der Mann
scheint erschöpft zu sein," sagte er zu dem Schutz-
mann. „Telephonieren Sie sogleich nach dem
Krankenhause. Mair soll ihn sofort abholen. Wahr-
scheinlich ist das ein ausgefeimter Halunke. Wer
weiß, was der alles auf dem Kerbholze hat." —
Als der Unbekannte am anderen Morgen er-
wachte und etwas zur Besinnung kam, fand er, daß
er in einem Bette lag. Eine Diakonissin saß davor.
Er staunte sie an.
„Wo bin ich?" stammelte er.
„Im Krankenhause," erwiderte freundlich Schwe-
ster Martha.
Der Mann sann eine Weile nach. „Bin ich denn
krank?" fragte er.
„Das muß schon sein, denn sonst wären Sie nicht
hier," lächelte Schwester Martha.
„Mein Gott, wie bin ich denn hierhergekommen?"
Ängstlich blickte der Kranke die Wärterin an.
„Das sollen Sie alles noch erfahren. Jetzt dürfen
Sie nicht sprechen und müssen sich ganz ruhig ver-
halten. Regen Sie sich nur uicht auf. Zunächst
trinken Sie diese Fleischbrühe hier, und dann schlafen
Sie weiter."
Mit durstigen Zügen trank der Mann und sank
dann wieder auf das Kisseu zurück. Er fühlte sich
besser, aber er fand keinen Schlaf. Er faßte sich
an den Kopf, der ihn immer
noch schmerzte, obwohl nicht
mehr so sehr wie gestern. Er
grübelte und versuchte sich
Klarheit über seinen Zustand
zu verschaffen. Doch es ge-
lang ihm nicht.
So fand ihn der Arzt, ein
noch junger Mann nut klugen
und zugleich wohlwollenden
Zügen. „Nun, lieber Freund,
wie geht es heute? Besser,
nicht wahr?" Er griff nach dem
Puls. „Sehen Sie, das Fieber
ist in: Abnehmen. Ich denke,
morgen oder übermorgen sind
Sie wieder ganz hergestellt.
NurRuhe. Vollständige Ruhe."
Mit diesen Worten wollte er
den Kranken verlassen.
Der Mann stöhnte. „Herr
Doktor, bleiben Sie noch hier.
Ich muß Ihnen etwas sagen."
Nur mühsam kamen die Worte
aus dem Munde des Mannes.
„Ich muß Ihnen ein Ge-
ständnis machen."
„Nun, so sprechen Sie,"
entgegnete freundlich der Arzt.
„Ich weiß nicht, wie ich
heiße."
Jetzt entsann sich der Arzt
auch der Bemerkung des Schutz-
manns, der die Überführung
des Kranken geleitet hatte.
Prüfend blickte er in das bart-
lose und scharfgeschnittene Ge-
sicht des Unbekannten.
„Sie werden mich wohl
auch für verrückt halten wie
auf der Polizei," fuhr dieser
fort. „Aber es ist so: ich habe
meinen Namen vergessen. Ich
weiß nicht, wer ich bin. Es ist
furchtbar! Ich kann mich nicht
entsinnen, wie ich hierher in
diese Stadt gekommen bin,
deren Namen ich nicht kenne.
Alles ist mir fremd. Die
Straßen, die Gebäude. Ich
muß zum ersten Male hier
sein. Auch wo ich bis jetzt ge-
wohnt habe, weiß ich nicht, und
wie lange ich von meinem
eigentlichen Wohnorte fort bin.
Helfen Sie mir, Herr Doktor."
Der Mann schluchzte wie ein
kleines Kind.
Der junge Arzt dachte eine
Weile nach. Er wußte, daßsolche
Fälle starker, aber häufig rasch
vorübergehender Schwäche des Gedächtnisses nicht
vereinzelt sind. Es ist eine Krankheit wie jede andere,
unter dem Namen Amnesie den Ärzten wohlbekannt.
„Beruhigen Sie sich, lieber Freund. Die Sache
ist nicht so schlimm, wie sie auf den ersten Blick viel-
leicht aussieht."
„Sie könuen mir mein Gedächtnis wiedergeben?
Sagen Sie mir die Wahrheit." Ängstlich waren die
Blicke des Unglücklichen auf den Arzt gerichtet.
„Ich hoffe es. Ja, ich glaube bestimmt, daß Sie
geheilt werden. Ich werde Sie am Nachmittag
wieder besuchen. Da habe ich mehr Zeit und kann
mich nut Ihnen eingehend beschäftigen. Versuchen
Sie zu schlafen und essen Sie mittags tüchtig, damit
Sie zunächst wieder zu Kräften kommen. Also auf
Wiedersehen, lieber Freund, und machen Sie sich
weiter keine Sorge! Ihr Zustand wird vorübergehen."
Tröstend reichte der junge Arzt dem Manne die
Hand und entfernte sich. Für ihn war dies ein sehr
anregender Fall. —
Phot. Do. Senger, Kosen.
Vas Selsendorf.