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Das Buch für alle: illustrierte Blätter zur Unterhaltung und Belehrung für die Familie und Jedermann — 50.1915

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Heft 28
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https://doi.org/10.11588/diglit.47351#0606
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va5LuchfürNIle
I»ust nette fsmilienreltung
28. Heft. 1Y15.
Amerikan. Copyright ISIS by Union Deutsche Verlagsgesellschaft, Stuttgart.


Phot. R. Sennecke, Berlin.

llbfühiuag gesangeiwr küssen mit ihren Maschinengewehren. (5. 612)

Onkel Michael veranstaltete, war dieser so gut, so
sanft, so nachgiebig gewesen, wie ihn Klementine ihr
Leben lang nicht gekannt hatte.
Den Staatsanwalt wollte er aus dem Spiele
lassen, da es nun einmal Tinchens Todesangst war,
vor ihm Zeugnis ablegen zu müssen, und gütlich
würde er die Scheidung betreiben, bei der es natür-
lich bleiben müsse.
Dafür erhielt er einen kräftigen Kuß, der ihm
gar nicht schmeckte, denn er kam sich wie ein Judas
vor. Zur Gewissensbetäubung stieg er mächtig in
den roten Sekt und regte den Neffen in ganz un-
gewohnter Weise an, ihn: Bescheid zu tun.
Arnulf hatte für diesen Tag seiner Volljührig-
keitserklärung Urlaub erhalten und schwamm in
rosiger Laune mit. Die Freude am Beruf packte
ihn, der Überschuß des Jugendmutes schäumte in
ihm auf.
Dem Oukel hielt er das Glas hin. „Onkel Mi-
chael, weißt du, was mir nun noch fehlt, um was ich
die Leute da unten beneide?"
„Da unten?"
„Die Balkangesellschaft!"
„Du bist meschugge, Junge — da, wo sich Serben,
Griechen und Bulgaren die Schädel einschlagen, da
möchtest du dabei sein?"
„Da nicht, aber für uns selbst!"
Klementine faltete erschrocken die Hände. „Lä-
stere nicht, Arnulf! Im bloßen Gedanken bebe ich!"
Onkel Mi-
chael trank ge-
mächlich. „Tin-
chen," sagte er
dann, „wenn du
gegen den Krieg
bist, hättet ihr
ihn zuallerletzt
sollen Offizier
werden lassen!"
„Es war Har-
rys und Arnulfs
mgner Wunsch!
Mich hat inan
kaum gefragt,
auch war ein
Menschenalter
Friede gewesen,
als er ins Ka-
dettenhauskam."
„Ist aber sein
Handwerk nun,
nnd sein Hand-
werk soll man
liebhaben!" —
Am späten
Nachmittag, in
bester Stimmung
noch, traf Mi-
chael Theiner bei
W.N. Stuhr ein.
„Nun?" frag-
ie er beinahe
fidel.
„Die erste

„Spielen Sie sich bloß nicht auf den Empfind-
lichen heraus, Sie hartgesottener Sünder!"
„Ich werde Sie belangen. Es gibt Richter in
Verlust"
„Was Ihnen nur unangenehm sein kann. — Sie
kommen in Sachen Leske? Wurden von Frau Leske
an mich verwiesen?"
„Endlich das erste vernünftige Wort, was ich
höre! Ja, Herr Leske wollte gestern bei mir sein,
spätestens heute früh, und nun ist er nicht dagewesen.
Aber daß Sie auch bei der Vormundschaft sind, um
die sich's handelt, weiß ich und —"

Nachricht ist da. Herr Assessor a. D. Armand Leske
ist nur etwa acht Tage in seinem Heimatorte ge-
wesen. Ein Brief aus Berlin hat ihn veranlaßt,
abzureisen."
„Wohin?"
„Nach dem Balkan, zunächst nach Belgrad."
Michael stutzte. „Nach dem Balkan, wo's jetzt
drunter und drüber geht?"
„Ja. Haben Sie Sorge um den Herrn, soll ich
dort weitersuchen?"
„Den Teufel sollen Sie!"
* -r-
-r-
Am nächsten Morgen ließ sich der Bankier Grätzer
bei Michael Theiner in dessen Hotel melden.
Er war sehr erfreut, als ihm Theiner mit den
Worten entgegenging: „Sie habe ich erwartet!"
„Nun, der Herr wissen also Bescheid! Um so
glatter wird sich die Geschichte abwickeln. Sie ge-
statten, daß ich Platz nehme? Es ist heiß drau-
ßen —"
„Vom Platznehmen wird Ihnen nicht kühler
werden, mein verehrter Herr Grätzer."
„Sie meinen?"
„Ich meine, daß ich Ihnen noch einzuheizen
gedenke. Ich mache das nut Spitzbuben immer
so —"

„Sehr richtig. Wenn Sie Herrn Assessor Leske
suchen, empfehle ich Ihnen Belgrad als nächste
Station. Dort fragen Sie gefälligst weiter."
„Belgrad? Was tut er da?"
„Dort hält er eine Gläubigerversammlung ab.
Und wer nicht rechtzeitig kommt, kriegt nichts."
„Herr Theiner, Sie haben einen grausamen Witz.
Der schlägt einem auf die Nerven."
„Witz nennen Sie das, wenn ich eine Maulschelle
meine? Es gibt noch bescheidene Menschen! Also,
die Dinge stehen so: Sie haben auf Depotscheine,
die Ihnen der Leske unberechtigterweise verpfän-
dete, Geld geliehen."
„Er hatte Vollmacht von der gnädigen Frau
Mutter des Herrn Leutnant."
„Aber nicht von diesem selbst, denn der war bis
gestern minderjährig, und für Verpfändungen von
ihm hätte meine, des Gegenvormunds, Einwilligung
gehört. Haben Sie die?"
„Sie werden es nicht darauf ankommen lassen,
daß es eine Mitteilung ans Regiment gibt!"
„Darauf werde ich's ankommen lassen. Die
Sache Leutnant Emmerich ist in Ordnung. Ich habe
die Depotscheine gesperrt. Was Sie miteinander
zu tun haben, Leske—Grätzer, machen Sie unter sich
ab. Und nun verlassen Sie gefälligst das Lokal,
denn mir ist's, als ob's übel duftet, wo Sie stehen.
Die Depotscheine werden sich ganz nett in Ihrer
Ehrenscheinsammlung machen. Vor Gericht gehen
Sie lieber nicht. — So, das wollte ich Ihnen sagen,
deshalb habe ich Sie erwartet."
„Das ist ja —"
„Die angenehme Lage eines Fuchses, der sich
im Eisen gefangen hat. Das nächste Stadium nennt
man Fellabziehen — hat auch seine besondern
Reize."
Bleich, bebend vor Wut, stand Grätzer da. „Wir
werden uns weiter sprechen —"
„Ach nee, das bestimmt nicht, denn vor Gericht
werden Sie nicht gehen. Sie haben sich nur an Leske
zu halten. —
Wer weiß, wie
wenig der betro-
gene Betrüger-
selbst bekommen
hat."
„Aber doch
mein schönes
bares Geld!"
„Die wirk-
liche Summe
weisen Sie mei-
nem Anwalt,
dem Justizrat
Hiller, nach, viel-
leicht daß ich
Ihnen einen
Fetzen Fell lasse,
weil meine
Schwester den
Namen des Be-
trogenen trägt.
Vielleicht —"
„O Herr —
Herr Theiner!"
„Jetzt aber
hinaus!"
Da flitzte der
verunglückteKra-
wattenmacher
aus der Tür, die
ihm der große,
starke Mann be-
reitwillig geöff-
net hatte.

Der freideuter.
üoman von Urtur Ivinckler-Iannenberg.
Lkorlsekung und 5chluk.) .- (Nachdruck verboten.)
on Armand Leske selbst war keine Ant-
MsllN wort eingegangen. Der Geburtstag Ar-
uulfs hatte seineu programmüßigen Ver-
lauf genommen, und in der fröhlichen
Stimmung des kleinen Festmahls, das

LXVIII. ISIS.
 
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