612
Vas Ruch fül- Mle
heft 23
Eines Tages war Onkel Michael da.
Unangemeldet wie immer, aber nun war seine
Begrüßung zu Klementine anders.
„Laß die Gaststube zurechtrichten, Tinchen, dies-
mal wohne ich bei dir!"
Sie sah ihn groß an. „Ich freue mich natürlich
sehr, und du sollst untergebracht werden — aber
ist denn etwas anders geworden seit dem letzten
Male?"
„Ja."
„Hat Justizrat Hiller geschrieben, ist die Schei-
dung ausgesprochen?"
„Ach, die Juristen! In Jahr und Tag werden
sie mit den einfachsten Sachen nicht fertig. Das
machen der liebe Gott und der Teufel anders —"
„Gott und Teufel! Michael, du lästerst!"
„So, na mir ist auch ganz lästerlich vergnügt zu-
mute — und die Zusammenstellung stimmt schon!
Der Teufel hat ihn geholt, und der liebe Gott hat's
zugegeben!"
„Armand?"
„Ja." .
Da neigte sie einen Augenblick den Kopf — er-
griffen, erschüttert.
„Er habe Frieden! — Wie ist's gekommen?"
Statt einer Antwort auf diese Frage zog er ein
kleines Päckchen aus der Westentasche. Als er das
Seidenpapier entfaltet hatte, lag ein Trauring auf
seiner flachen Hand.
„Kennst du den?"
Sie nahm den goldenen Reif. „Es ist seiner. —
Woher hast du ihn?"
„Von Freund Studdendorf."
„Mein Mann — Nachricht von ihm!" rief Frau
Agnes, und eilig kam sie herbei.
„Grüße für Sie, aber die werden Sie wohl
mit derselben Feldpost von ihm selber erhalten
haben."
„Vorgestern eine Karte —"
„Sehen Sie, das ist die gleiche Post. Vorgestern
kam sein Brief an mich mit diesem Päckchen."
„Verzeihung, Agnes, aber ich warte in Span-
nung —"
„Ich habe um Verzeihung zu bitten, Klementine,
habe dich um Verzeihung zu bitten!"
„Hm, also Tinchen, nun willst du wissen, wie ich
zn dem Ringe kam. Es ist schon eine Weile her, seit
du Witwe bist. Hauptmann Studdendorf konnte
das Wertstück und Dokument, schreibt er, nicht früher
sicher auf die Post bringen, deshalb schickt er's erst
jetzt. In jener Nacht, da das verräterische Gesindel
Arnulf beinahe meuchlings umgebracht hat, wurde
Armand Leske als Franktireur mit aufgegriffen und
erschossen."
„O Gott — und da gab er — zuvor den Ring
an Studdendorf?"
„Nein, mein liebes, unverbesserliches Tinchen,
der Kerl hat in seinem Leben niemals etwas frei-
willig gegeben, der Leiche nahm er's ab, als er sein
Gesicht erkannte!"
Sie lehnte sich an Agnes. „Dies Ende, dies
Ende! Es ist schrecklich!"
„Die Hauptsache bleibt, daß es überhaupt mit
ihm ein Ende hat. Komm jetzt zu Arnulf, er soll
auch seine Freude daran haben!"
„Michael, man könnte denken, du seist der herz-
loseste, schlechteste Mensch auf der Welt —"
„Nicht wahr, und es ist doch nur, daß ich auf
Teufel komm 'raus sage, wie mir's ums Herz ist!
Als Freibeuter hat er gelebt und ist er gestorben —
Amen!"
Ende.
Um alles. Nach einem öemglde von U. Heeke.
vdsühl-ung gefangener Muffen mit ihren
Maschinengewehren.
lSleke das MN> aus Seite Sdd.)
11nabwendbar vollzieht sich die russische Katastrophe.
I-ö Was tut es, wenn es wirklich dem Großfürsten
Nikolai Nikolajewitsch gelingt, unter Preisgabe der
Weichselfestungen und Räumung des letzten Restes von
Polen den größten Teil der ihm noch gebliebenen Streit-
macht der furchlbaren Umklammerung, die ihr durch die
deutschen und österreichisch-ungarischen Heere droht, zu
entziehen und in das Innere Rußlands zurückzuziehen.
Rußland wird sich trotz all der schönen, auf die Be-
ruhigung des aufgeregten und verängstigten Volkes hin-
zielenden Reden und Erlasse wenigstens in diesem Kriege
nicht mehr so weit erholen können, daß es wieder eine
kräftige, aussichtsvolle Offensive zu ergreifen vermöchte.
Zu schwer sind seine Verluste. Von den geradezu furcht-
baren Blutopfern ganz zu schweigen, in die Zahl der
russischen Soldaten, die in Gefangenschaft geraten sind,
gewaltig Bis Ende Juli befanden sich in deutschen und
österreichisch-ungarischen Gefangenlagern nicht weniger
als 1330000 russische Unteroffiziere und Mannschaften
und 8700 Offiziere. Wieviel Geschütze, Maschinengewehre
und sonstiges Kriegsgerät die Russen eingebüßt haben,
ist zurzeit noch gar nicht übersehbar.
Ndmil-al firtton Haus, del- Chef den östen-
l-eichi'fch-ungal-ischen kl-iegsmanne.
(Ziehe das voi-trät auf Zeile 611.)
He österreichisch-ungarische Kriegsmarine hat Wieder-
ID holt in diesem Kriege durch kühne Taten den Be-
weis erbracht, daß in ihr der Heldengeist Tegetthoffs
immer no.ü lebendig ist. Mit den 16 Schlachtschiffen,
3 großen Kreuzern, 1l kleinen Kreuzern, 25 Torpedo-
fahrzeugen, 5l Hochseetorpedobooien, 40 Torpedobooten
und 11 Unterseebooten, über die sie bei Kriegsausbruch
verfügte, war ste zwar von vornherein an Zahl den ver-
einten Seestreitkräften der Feinde im Mittelmeer nicht
annähernd gewachsen, gleichwohl hat sie es fertiggebracht,
den Feind zur See vollständig in Schach zu halten. Ihre
Unterseeboote haben französische und italienische Krieg-
schiffe versenkt, einige ihrer kleinen Kreuzer und Torpedo-
boote ruhmvolle Kämpfe bestanden mit überlegenen
feindlichen Geschwadern und andere Panzerkreuzer
wiederholt die italienische Ostküste erfolgreich beschossen
und namentlich durch die Zerstörung zahlreicher Anlagen
der nahe der Küste verlaufenden, strategisch so außer-
ordentlich wichtigen Nordsüdbahn den Italienern bösen
Schaden zugefügt. Diese Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit
der österreichisch-ungarischen Marine ist nicht zuletzt das
Verdienst ihres Chefs, des Admirals Anton Haus.
Vas Ruch fül- Mle
heft 23
Eines Tages war Onkel Michael da.
Unangemeldet wie immer, aber nun war seine
Begrüßung zu Klementine anders.
„Laß die Gaststube zurechtrichten, Tinchen, dies-
mal wohne ich bei dir!"
Sie sah ihn groß an. „Ich freue mich natürlich
sehr, und du sollst untergebracht werden — aber
ist denn etwas anders geworden seit dem letzten
Male?"
„Ja."
„Hat Justizrat Hiller geschrieben, ist die Schei-
dung ausgesprochen?"
„Ach, die Juristen! In Jahr und Tag werden
sie mit den einfachsten Sachen nicht fertig. Das
machen der liebe Gott und der Teufel anders —"
„Gott und Teufel! Michael, du lästerst!"
„So, na mir ist auch ganz lästerlich vergnügt zu-
mute — und die Zusammenstellung stimmt schon!
Der Teufel hat ihn geholt, und der liebe Gott hat's
zugegeben!"
„Armand?"
„Ja." .
Da neigte sie einen Augenblick den Kopf — er-
griffen, erschüttert.
„Er habe Frieden! — Wie ist's gekommen?"
Statt einer Antwort auf diese Frage zog er ein
kleines Päckchen aus der Westentasche. Als er das
Seidenpapier entfaltet hatte, lag ein Trauring auf
seiner flachen Hand.
„Kennst du den?"
Sie nahm den goldenen Reif. „Es ist seiner. —
Woher hast du ihn?"
„Von Freund Studdendorf."
„Mein Mann — Nachricht von ihm!" rief Frau
Agnes, und eilig kam sie herbei.
„Grüße für Sie, aber die werden Sie wohl
mit derselben Feldpost von ihm selber erhalten
haben."
„Vorgestern eine Karte —"
„Sehen Sie, das ist die gleiche Post. Vorgestern
kam sein Brief an mich mit diesem Päckchen."
„Verzeihung, Agnes, aber ich warte in Span-
nung —"
„Ich habe um Verzeihung zu bitten, Klementine,
habe dich um Verzeihung zu bitten!"
„Hm, also Tinchen, nun willst du wissen, wie ich
zn dem Ringe kam. Es ist schon eine Weile her, seit
du Witwe bist. Hauptmann Studdendorf konnte
das Wertstück und Dokument, schreibt er, nicht früher
sicher auf die Post bringen, deshalb schickt er's erst
jetzt. In jener Nacht, da das verräterische Gesindel
Arnulf beinahe meuchlings umgebracht hat, wurde
Armand Leske als Franktireur mit aufgegriffen und
erschossen."
„O Gott — und da gab er — zuvor den Ring
an Studdendorf?"
„Nein, mein liebes, unverbesserliches Tinchen,
der Kerl hat in seinem Leben niemals etwas frei-
willig gegeben, der Leiche nahm er's ab, als er sein
Gesicht erkannte!"
Sie lehnte sich an Agnes. „Dies Ende, dies
Ende! Es ist schrecklich!"
„Die Hauptsache bleibt, daß es überhaupt mit
ihm ein Ende hat. Komm jetzt zu Arnulf, er soll
auch seine Freude daran haben!"
„Michael, man könnte denken, du seist der herz-
loseste, schlechteste Mensch auf der Welt —"
„Nicht wahr, und es ist doch nur, daß ich auf
Teufel komm 'raus sage, wie mir's ums Herz ist!
Als Freibeuter hat er gelebt und ist er gestorben —
Amen!"
Ende.
Um alles. Nach einem öemglde von U. Heeke.
vdsühl-ung gefangener Muffen mit ihren
Maschinengewehren.
lSleke das MN> aus Seite Sdd.)
11nabwendbar vollzieht sich die russische Katastrophe.
I-ö Was tut es, wenn es wirklich dem Großfürsten
Nikolai Nikolajewitsch gelingt, unter Preisgabe der
Weichselfestungen und Räumung des letzten Restes von
Polen den größten Teil der ihm noch gebliebenen Streit-
macht der furchlbaren Umklammerung, die ihr durch die
deutschen und österreichisch-ungarischen Heere droht, zu
entziehen und in das Innere Rußlands zurückzuziehen.
Rußland wird sich trotz all der schönen, auf die Be-
ruhigung des aufgeregten und verängstigten Volkes hin-
zielenden Reden und Erlasse wenigstens in diesem Kriege
nicht mehr so weit erholen können, daß es wieder eine
kräftige, aussichtsvolle Offensive zu ergreifen vermöchte.
Zu schwer sind seine Verluste. Von den geradezu furcht-
baren Blutopfern ganz zu schweigen, in die Zahl der
russischen Soldaten, die in Gefangenschaft geraten sind,
gewaltig Bis Ende Juli befanden sich in deutschen und
österreichisch-ungarischen Gefangenlagern nicht weniger
als 1330000 russische Unteroffiziere und Mannschaften
und 8700 Offiziere. Wieviel Geschütze, Maschinengewehre
und sonstiges Kriegsgerät die Russen eingebüßt haben,
ist zurzeit noch gar nicht übersehbar.
Ndmil-al firtton Haus, del- Chef den östen-
l-eichi'fch-ungal-ischen kl-iegsmanne.
(Ziehe das voi-trät auf Zeile 611.)
He österreichisch-ungarische Kriegsmarine hat Wieder-
ID holt in diesem Kriege durch kühne Taten den Be-
weis erbracht, daß in ihr der Heldengeist Tegetthoffs
immer no.ü lebendig ist. Mit den 16 Schlachtschiffen,
3 großen Kreuzern, 1l kleinen Kreuzern, 25 Torpedo-
fahrzeugen, 5l Hochseetorpedobooien, 40 Torpedobooten
und 11 Unterseebooten, über die sie bei Kriegsausbruch
verfügte, war ste zwar von vornherein an Zahl den ver-
einten Seestreitkräften der Feinde im Mittelmeer nicht
annähernd gewachsen, gleichwohl hat sie es fertiggebracht,
den Feind zur See vollständig in Schach zu halten. Ihre
Unterseeboote haben französische und italienische Krieg-
schiffe versenkt, einige ihrer kleinen Kreuzer und Torpedo-
boote ruhmvolle Kämpfe bestanden mit überlegenen
feindlichen Geschwadern und andere Panzerkreuzer
wiederholt die italienische Ostküste erfolgreich beschossen
und namentlich durch die Zerstörung zahlreicher Anlagen
der nahe der Küste verlaufenden, strategisch so außer-
ordentlich wichtigen Nordsüdbahn den Italienern bösen
Schaden zugefügt. Diese Tüchtigkeit und Schlagfertigkeit
der österreichisch-ungarischen Marine ist nicht zuletzt das
Verdienst ihres Chefs, des Admirals Anton Haus.