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H-sk3

DasVuchfkrAll«

63


abgewiesen? Jetzt
könnte sie drüben
schalten in dem schö-
nen Haus, mit den
Löwen vor der stei-
nernen Treppe. Da
sitzt das bockbeinige
Ding nun lieber in
dem elenden Färber-
kasten und leidet jetzt
Hunger mit neun
fremden Kindern.
Erleichtert atmete
die Neißin auf, als
die Mariedel mel-
dete: „Frau Mutter,
es ist Zeit für die
Metten, grad läuten
s' das erste Mal zu-
sammen."
„Ja, ja, ich komm'
schon. Halt Sie die
Latern bereit, Sie
muß mich in die Kir-
chen begleiten."
Als seine Frau
weggegangen war,
öffnete der Doktor
das Fenster, um den
Pfeifenrauch hinaus-
zulassen,- sehnsüchtig
blickte er hinüber zum
Färberhaus, dessen
Fenster dunkel lagen.
Dann schloß der Dok-
tor die Läden von
innen. Eines von
den Wachslichtern
nehmend, leuchtete
er an die Wand;
dort hing sein neue-
stes Stück, ein zur
Revolutionszeit ver-
botenes Vexierbild.
Die verschnörkelten,
goldenen Bourbon-
lilien zeigten die Um-
risse des unglücklichen
Dauphins. Daneben
befand sich ein aus-
gezeichnetes Pastell-
bildchen des geist-
reichenSpöttersVol-
taire. Zum Verdruß
des Doktors hatte
neulich die Neißin,
mit demStaubwedel
darüberwischend,
spöttisch bemerkt:
„Ich mein' immer,
der gelehrte Affe
Joko, der am letzten
Jahrmärkte so schön
trommeln konnte,
muß ein Vetter von
demMusjöhda sein."
Der Doktor nahm
aus der Lade des
alten Barocktisches
ein Weihnachtsge-
schenk, das er sich
selbst verehrt hatte;
es war ein hand-
schriftliches Missale
mit einer wunder-
 
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