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92

DasBuchfüvAlls

Heft 4

Anton wollte aufstehen und
etwas sagen.
„Last nur, Anton, ich bitt' dich,
ist und trink zuerst."
Gierig machte sich der Bruder
über die Speisen her und trank
den alten Wein. Dann lehnte er
sich gestärkt zurück. „Vergelt's
Gott, Nanett, tausendmal!"
„Wenn dir's nur geschmeckt
hat. Wo kommst du denn her?"
„Von Kram. Dort hab' ich
erfahren, dast die Mutter tot ist.
Nanett, warum hast denn du mir
keine Botschaft geschickt?"
„Ich hab' doch nicht gewußt,
wo du bist."
„Richtig." Mit dem Gefühle
des Sattseins kamen ihm wieder
vernünftigere Gedanken.
„Die Mutter war freilich schon
lang krank, aber sie ist doch plötz-
lich gestorben. Im Anfang war
ich recht unglücklich, denn man
hat halt nur eine Mutter auf der
Welt. Aber nun bin ich schon ein
wenig getröstet, denn die Arme
hat zuletzt so viel leiden müssen;
da ist ihr die Ruhe zu gönnen."
„Nanett — hat mir denn die
Mutter gar nichts mehr sagen
lassen?"
„Ja. Das letzte Wort, das ich
aus ihrem Mund gehört hab', war
ein Gruß an dich."
Der Vagabund legte den Kopf
auf den Arm und weinte.
Nani klopfte ihm mit der Hand
aus die Schulter. „Tröste dich,

Phot. Th. Andersen, Stuttgart.


Herzog Philipp von Württemberg 1°, der Senior des Hauses Württemberg.

Anton! Wenn du was zu der
Seligen Ehre tun willst, so gib
das Trinken und Faulenzen auf
Schau, dast du wieder ein ordent-
licher Mensch wirst!"
„Nanett, ich möcht' ja gern
arbeiten. Im Winter tu ich's
auch immer, wenn's mich auch
hart ankommt, denn ich bin's
ja nit gewöhnt von Jugend auf.
Aber wenn im Frühjahr die Sonn
scheint und die Vögerln ihre Fe-
derln aufplustern, da fangt mein
Blut an unstet zu werden. Ich
kann nit anders — ich must wan-
dern. Da geh' ich dann in unserer
lieben Untersteiermark hügelauf
und talab. Dann krieg' ich solchen
Durst, dast ich gern auf ein Elaserl
Wein einkehr'. Freilich werden
dann gleich ihrer zehne und zwan-
zig draus. Aber ich kann nit da-
für, ich fühl' mich selber oft ganz
unglücklich darüber."
„Anton, bei der Sterbestund
unserer seligen Mutter bitt' ich dich:
versuch's noch einmal. Wenn du
fleißig arbeiten möchtest, würdest
du vielleicht auf das Trinken ver-
gessen?"
„Möglich. Aber ich glaub's
nit. Ich mein', daß meine Leber
auf der Sonnseit'n liegt. — Sag
mir, Nanett, hat mir wirklich die
Mutter kein Kreuzer Geld hinter-
lassen?"
„Wart, Anton, ich will meinen
Mann heraufholen. Der wird dir
schon alles sagen." (Fortsetzung folgt.'

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Russisches Vrandkommanüo.beim Rückzug (S. 75). — Wenn inan auch
der russischen Heeresleitung nicht absprechen kann, daß sie ihre Truppen geschickt
zurückzuziehen versteht, so ist doch die allem Völkerrecht und allen Geboten ehr-
licher Kriegführung hohnsprechende Mordbrennerei ihrer organisierten Brand-
kommandos ein untilgbarer Schandfleck. Kornilows Befehl: „solche Schufte
auf dem Tatort ihres Verbrechens" zu erschießen, macht seiner soldatischen Auf-
fassung Ehre. Wie diese entmenschten Horden gehaust haben, hat nichts mit
militärisch notwendigen Maßnahmen zu tun. Ob in Polen oder Galizien, in
der Bukowina oder Rumänien, überall das gleiche Bild schonungsloser Ver-
wüstung und Drangsalierung der Bevölkerung. So wurden in Tarnopol
und Stanislau sämtliche Häuser geplündert und in Brand gesteckt. Am schlimmsten
trieben es die größtenteils Betrunkenen in Kalusz, das heute ein Trümmer-
haufen ist. In Radautz erbrachen sie Brauereien und Brennereien und tranken
gierig aus den über die Straße fließenden Schnapsbächen, die aus Sammel-
becken von 23 000 Litern Inhalt flössen. Es waren nicht nur Kosaken und
Tscherkessen, die auf eigene Faust brandschatzten, plünderten und mordeten,
sondern Offiziere, ja Krankenschwestern beteiligten sich daran und vor allem
die offiziell eingerichteten Brandkommandos. Und die Engländer, die die ganze
Welt mit Lügen von deutschen Greueltaten überschwemmen, schicken ihren
Bundesgenossen zur Organisierung solchen Zerstörungswerkes eigens dazu be-
stimmte Techniker und Ingenieure. Ein edler Bund der Kämpfer für Kultur
und Volksrechte!
s Im Innern eines englischen Tankwagens (S. 77). — Materialschlachten
nennt man heute die Großkampftage an der Westfront, besonders an der eng-
lischen. Was Führung und Menschen bei unseren Gegnern nicht vermochten,
nämlich die deutsche Mauer zu durchdringen, das sollte der Riesenaufwand an
technischen Mitteln erzwingen helfen. Hierher gehört der englische Tankwagen,
das gepanzerte, mit Geschützen versehene Riesenautomobil, die Grabenraupe,
die Trichterfelder und Gräben überquert. Diese moderne Ausgestaltung des
antiken Streitwagens hat die erhofften Erfolge auch nicht gebracht. Unsere
Artillerie hat sich stets sehr bald auf diese langsamen, etwa sechs Kilometer in
der Stunde zurücklegenden Ungetüme eingeschossen und sie zerstört. Bei dem
Angriff am 22. August 1917 blieben nicht weniger als einundzwanzig Tanks
zerschellt vor unserer Front liegen. Der stundenlange Aufenthalt in einem
solchen während der Schlacht, eingeschlossen in eine Atmosphäre von Pulver-

und Benzingasen, ist ein fürchterlicher, ein nervenmordender. Die Aussicht
auf Wiederkehr aus dieser Hölle ist nur gering, und es gilt das Dantewort:
„Laßt alle Hoffnung draußen, ihr, die ihr eintretet."
1- In der Ramelreitschule (S. 84 85). — Die neuzeitliche Kriegführung
bedient sich nicht nur der allerneuesten Erfindungen, sie macht sich auch alte,
längstvergessene Erfahrungen, der Jetztzeit angepaßt, zunutze. Weit in die
graue Vorzeit hinein ragt die Benutzung des Kameles zu Kriegszwecken.
Schon in der Schlacht bei Sardes im Jahre 546 v. Ehr. ließ Cyrus, wie uns
Herodot erzählt, eine Abteilung von dreihundert Kamelen die Reiterei des
Krösus erfolgreich angreifen. Kein geringerer als Napoleon Bonaparte richtete
später und zwar 1798 ein Dromedarregiment für Ägypten ein, dessen Stärke
auf siebenhundert Tiere anwuchs. Fast hundert Jahre später erzielte mit einem
solchen Korps Kitchener seinen berühmtesten Erfolg, im Feldzug gegen die
Mahdisten, als er 1898 Omdurman eroberte und sich den Lordtitel und — den
des „Schlächters von Omdurman" gewann. Auch in Deutsch-Südwestafrika
hat sich die Kamelreitertruppe bewährt, und die Türken bedienen sich ebenfalls
des „Schiffes der Wüste" im Feldzug gegen die Engländer in großem Maß-
stabe. Es gehört eine nicht geringe Übung dazu, auf einem solchen Tier sattelfest
zu sein, so daß besondere Reitkurse hierfür eingerichtet sind, die für den Zu-
schauer oft ergötzliche Anblicke bieten.
Ein Angriff englischer Marineflugzeuge auf holländische Fischerboote
(S. 87). — Noch keine englische Ministerrede ist gehalten worden, in der
nicht das salbungsvolle Wort vom Schutz der kleinen Nationen gefallen wäre.
Wie die feindlichen Mächte sich diesen Schutz und diese Achtung denken, be-
weist so recht der brutale Überfall, den englische Marineflugzeuge am 15. Septem-
ber 1917 auf friedliche holländische Fischerboote zwischen Ostende und Blanken-
berghe unternahmen, glücklicherweise ohne Erfolg. Heuchlerisch meldete dann
die englische Admiralität über diese Vergewaltigung, daß ein Angriff auf feind-
liche Schiffe stattgefunden habe und ein großer Torpedojäger getroffen sei. Klar
ist es indessen, daß England wieder einmal Holland seine Macht, seine schwere
Faust zeigen wollte. Dieses Land soll durchaus gefügig gemacht werden, und
sei es durch Beugung jeglichen Rechtes. Zu diesen erpresserischen Mitteln
gehört als folgenschwerstes die Verweigerung der Bunkerkohle an holländische
Schiffe in Amerika, denen man sogar völkerrechtswidrig Beschlagnahme androht.
Holland steht, geknebelt von der Entente, am Scheidewege!
 
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