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HO 26

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607




Der Hafen von Alexandrowsk, die nordrussische Operationsbasis der Engländer.

Phot. k. u. k. Krlegspreffequartier.
Eine österreichisch-ungarische Gebirgstellung im Adamellogebiet.

zornige Tat auch nur
anzuhören, zum schmäh-
lichsten Tode verurteilt
hatte, zu phantastischer
Wildheit gesteigert wor-
den. Durch die Zügel-
losigkeit ihrer rachsüch-
tigen Natur wurde diese
Wildheit über alle Gren-
zen des Vernünftigen
hinausgetrieben. Das
eigene Erlebnis wurde
in ihr zum Angelpunkt
einer die ganze ver-
haßte Gesellschaftsord-
nung umfassenden Zer-
störungswut. Weil der
eine sie zum Opfer
rechtloser Willkür ge-
macht, wollte sie sich an
allen rächen. Alle, die
sie im Besitze schranken-
loser Macht sah, gegen die
ihr natürliches Rechts-
gefühl von Hause aus
aufgestachelt war, suchte
sie zu vernichten. Darin glaubte sie mit Arwi
übereinzustimmen, von dessen Tatkraft sie nach
allem, was sie von ihm gesehen und gehört hatte,
überzeugt war. Mit seiner Hilfe hoffte sie einen
Volksaufstand ins Werk setzen zu können, der ihr
das Blut ihrer Richter und aller Tyrannen ver-
schaffen sollte, nach dem ihr Racheverlangen
lechzte. Vergeblich hatte sie sich die ganze Zeit
über bemüht, ihn in ihre Gewalt zu bekommen,-
denn sie zweifelte nicht, daß er ihren Reizen eben-
so leicht unterliegen würde wie alle Männer, mit
denen sie in Berührung gekommen war. Jetzt bot
sich die Gelegenheit, und die wollte sie sich nicht
entgleiten lassen, selbst auf die Gefahr hin, ihrem
Stolz ein Opfer zu bringen. Arwi mußte ge-
wonnen werden, wenn nicht anders, auch mit
dem kranken Weibe.
Ohne seine Hand loszulassen, drängte sie sich
nahe an ihn heran, sah ihn an und sagte: „Du
bist doch ein Mann! Ich bewundere dich!"
Er suchte sich loszumachen. Doch sie ließ ihn
nicht. „Komm zu mir, Arwi!" rief sie. „Wir
haben beide ein Ziel: Nieder mit den Tyrannen,
den falschen Schurken, die unsere Ehre mit Füßen

eine taube Nuß, ein Schwächling wie alle an-
deren."
Sie hatte sich in der Wirkung dieser Worte
nicht verrechnet. In Arwi flammte die Lust auf,
sich mit diesem Weibe zu messen, das sich an-
maßte, ihn verachten zu dürfen.
Plötzlich fühlte er wieder die Berührung ihrer
weichen, feuchten Hand. Sie hatte mit der Linken
sein Handgelenk umklammert und preßte ihre
Finger darum, als wollte sie ihn zwingen, zu
ihren Füßen niederzusinken. Aber es machte jetzt
keinen Eindruck mehr auf ihn. Ruhig sagte er:
„Es ist mir gleich, was du von mir denkst."
Sobald Pryska sah, daß ihr Angriff abge-
schlagen war, lenkte sie ein. Sie wollte Arwi
um jeden Preis hier haben, weil sie hoffte, daß
sein Einfluß auch die anderen aus dem verächt-
lichen Sumpf ihres Räuberdaseins emporziehen
und aus der Wegelagererbande ein Werkzeug
ihrer Rachepläne machen würde.
Aus einer verarmten polnischen Adelsfamilie
stammend, war sie von Hause aus mit jenem
unruhevollen Geiste erfüllt, der nach der vierten
Teilung Polens in Warschau überall umging. Es
war die Zeit, in der die beiden Kreise der „Weißen"
und der „Roten" offen
die Wiederherstellung
eines großen polnischen
Reiches betrieben. Ihr
Vater gehörte zu den
Führern der „Roten",
die im Gegensatz zu den
gemäßigteren„Weißen"
die äußersten Mittel an¬
gewendet wissen woll¬
ten und vor keiner Ge¬
walttat zurückschreckten,
um ihr Ziel zu erreichen.
Diese angeborene
und anerzogene Gesin¬
nung war durch die
Rücksichtslosigkeit ihres
Geliebten, dem sie sich
mit dem leidenschaft¬
lichen Leichtsinn ihrer
Rasse hingegeben hatte,
und durch die Ungerech-
tigkeit des Gerichtes,
das sie, ohne die Be¬
weggründe für ihre jäh-

phot. Mpperllng, Elberfeld.
Em deutscher Zeltverbandplah im Westen.
 
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