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MARIENFELD.

erkenming dafür, wenn die Kleinkünste auch
in der Heimat noch respectabele Früchte trugen.
Zudem waren die Architekten gering an Zahl,
fast lediglich Diener der Höfe und Stifter oder
Männer ihres Berufs.

Schwerlich konnte die Kunst so abwirt-
schaften und ihres Gedankens Blässe der Zu-
kunft einhauchen, wenn ihre Vertreter und
Gönner liebevoll und gelehrig den noch über-
schwenglichen Vorrat von heimischen Kunst-
fertigkeiten und Kunstwerken conservirt und
weise damit gewuchert hätten. Gerade um-
gekehrt! Beide verloren unter dem fremden
Geschmacke den Kespect und die Kunsterbtheile
fielen gar — so radical war die Verirrung —-
der Baulust und Mode zum Opfer, trotzdem
bereits die Kirchengeschichte ins Mittelalter
hineinleuchtete, Zeitungen und Zeitschriften
ihres Lehramtes warteten. In der schreib- und
leseseligen Welt fehlte es längst nicht sowohl
an Lob und Tadel, als an Geschmack und
Einsicht. Die ausländischen Künstler und Archi-
tekten hatten um so leichter ihre Waare an-
zupreisen, als Leben und Volk verstummten.
Kurzum es bildete sich der Strudel worin ausser
den Bauten so ungezählte und unersetzliche
Bild- und Kleinwerke verschlungen, entstellt
(retouchirt) und verdorben wurden, bis so voll-
gültige Zeugen väterlichen Schaffens und Schön-
heitssinnes, solche Werthstücke der Nation, von
der Wissenschaft wieder zu Ehren gebracht,
und am ursprünglichen Standorte, in Museen
und Ausstellungen, in Wort und Bild den
Laien, Gelehrten und Künstlern als nächste
Bildungmittel vorgeführt wurden.

Auch das reiche Marienfeld rüttelte für alt-
gläubige Reviere sehr früh an dem alten Bau-
und Ivunstbestande so unbekümmert um des-
sen Zweckmässigkeit oder Schönheit, wie um
die Intentionen der Stifter und die anderweitigen
Endziele der Einkünfte — einfach geblendet und
getrieben von der neuen Baumode und ihren
Consequenzen. Als aber das Schicksal so vieler
Kunstdenkmäler abzusehen war, schüttelten
gerade denkende Mönche nicht bloss den Kopf,
sondern man besorgte der Nachwelt davon zum
Glücke auch eine gewisse Abbildung und Pater
Hartmann mit wiederholtem Unwillen über das

Vorgehen der Aebte auch eine summarische
Beschreibung.

Ganz im akademischen Geiste waren die
Pioniere der Neuerung die Gebildeten, hier die
Aebte: Gleich Jodocus Caesem (1646—1661)
liess die Abtskapelle verfallen, entfernte den Chor
der Laienbrüder nach Hardehausen, gewiss ein
Seitenstück des schönen Lettners und stürzte
schon viele Altäre, deren doch die Kriegsfurie
geschont hatte.

Davon fand er wie gesagt 29 vor, den
Hochaltar, 2 unter dem Lettner, 2 hinter dem
Chore der Laienbrüder, 3 vor den Pfeilern,
17 an den Wänden, so viele nämlich, als es
Fenster gab, einen im Capitelsaale, und je
einen in den drei Kapellen. Von den meisten
existirte bald nur mehr eine Inschrift, das Pa-
tronat oder zerrüttetes Bildwerk; ihre Tafel-
gemälde hingen da und dort an den Wänden
herum, verkamen oder wanderten aus, wie jenes,
welches der Churfürst von Brandenburg um 1691
bei einem Besuche aus der Abtskapelle erwarb.
Andere Maassnahmen dictirte offenbar das Be-
diirfniss, so die Erneuerung des Kirchendaches
und die Beschaffung einer Glocke; vielleicht
entstammte er selbst einer Glockengiesser-
familie — Heinrich Caesem oblag zu Münster
von 1600 dem Glocken- und Gelbgusse und
lieferte 1629 die Grabplatte des Domherrn Hein-
rich von Ledebur.

Das Signal war gegeben; bei den Nach-
folgern wechselte das Wegräumen alter Kunst-
werke mit Neubauten: als die Brennpunkte des
Kunstinteresses waren sie wesentlich Lustbauten,
geringentheils Nothbauten, die vorfindlichen Ge-
bäulichkeiten früh- oder spätgothischen Stiles
meistens im besten oder schönen Zustande; da
ihnen die Demolirung droht, wollen wir sie von
der Kirche aus einmal überschauen.

Im Süden der Kreuzgang und die Kloster-
gebäude, die Küche (Günne), Bierkeller, Fleisch-
refectorium und Küche, das Sprechhaus, das
Krankenhaus, worin man vom Bette aus dem
Gottesdienste der Kapelle anwohnte, das Gast-
haus (?); östlich das Dormitorium und das
Wohnhaus der abgetretenen Aebte, am Chore
das Priorat, anscheinend im Südwesten die
Abtei mit Kapelle, im Westen das Klosterthor;
 
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