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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1889

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Heft 3/4
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Haushofer, Max: Ueber Allegorien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6907#0027

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■h 29

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Allegorie auf den Monat Juni von M. Schwind.

Aus dem auf Veranlassung des damaligen bayer. Aronprinzen Max herausgegebenen Aalender von

AkN Mkgorien. ^

von Prof. Dr. Max Haushofer.

(Schluß.)

?*

chier unzählbar sind auch die allegorischen Darstell-
ungen, welche die alten vier Elemente ge-
sunden haben. Stoff bieten sie ja mehr als
irgend etwas Anderes. Raun: ein anderer
Gegenstand gestattet so sehr wie sie die Auswahl unter den
mannigfachsten Formen. Sie können mit gleicher Berechtig-
ung als Riesen oder als liebliche putten, als geflügelte Genien
oder als schlichte Menschenkinder im handwerkskleide dar-
gestellt werden. Nur mit der modernen Naturforschung
stehen die alten vier Elemente auf einen: gespannten Fuße,
in einer Zeit, wo jeder angehende Realschüler und jede
Töchterschülerin weiß, daß es eine weit größere Zahl von
Elementen gibt, und daß weder Master noch Luft, weder
Erde noch Feuer einfache Elemente sind. Mer sich mit
allegorischen Darstellungen beschäftigt, muß daran denken,
daß sie einen gewissen rationalistischen Zug in sich haben,
daß sie fortschreiten müssen mit der Entwickelung der inensch-
lichen Gedankenwelt, heute handelt sich's nicht mehr um
Feuer und Master, Luft und Erde, sondern um Sauerstoff,
Wasserstoff, Aohlenstosf und so fort, und um die Aräfte der Gra-
vitation und der Wärme, uni Elektrizität und Magnetismus,
vor Allem um den großen Gegensatz von Stoff und Arast,
um die verschiedenen Eigenschaften und Zustände der Materie,
den Gegensatz des Vrganischeu und Unorganischen und
dergleichen. Das sind die Begriffe, welche an die Stelle
jener vier Elemente getreten sind, mit ihnen hat die moderne
Allegorie zu rechnen.

X_

An manchen dieser Aufgaben hat sich die allegorische
Runst schon mit mehr oder weniger Glück versucht. Ins-
besondere sind es Dampfkraft und Elektrizität,
deren praktische verwerthung, nachdem sie einen so unge-
heuren Einfluß auf unser ganzes wirthschaftliches und gesell-
schaftliches Leben genommen haben, von der Aunst nicht
mehr umgangen werden konnte. In einer Zeit, wo es
überall galt, Bahnhöfe und Telegraphendirektionsgebäude,
sowie die Bauten polytechnischer Schulen mit plastischen: und
malerischem Schmucke zu versehen, mußten diese weltbe-
wegenden Aräfte Beachtung finden. Bei der Dampfkraft
war dies nicht sehr schwierig, fanden sich doch in ihr die
alten zwei Elemente, das Master und das Feuer in wilder
kochender Umarnmng. Auf die natürlichste Meise ward
der Dampfkessel zun: Leibe des feuerspeienden Riesen oder
Drachen, der Schlot zun: feuerschnaubenden Riesenmaul,
Rolben und Räder zu gigantischen Gliedmaßen.

Schwieriger war die Sache mit der Elektrizität und
dem Magnetismus. Denn da gab's keine wuchtigen
kolossalen Apparate, an welche die Naturkraft gekettet erschien,
die Apparate waren vielmehr bis in die neueste Zeit klein
und künstlerisch schwer zu behandeln. Nicht Jeden:, der
sich an diese Aufgaben wagte, war es gegeben, den elektrischen
Funken so einfach und in solch packender Schönheit zu er-
fassen, wie den: Bildhauer Begas in der prachtvollen
Bronzegruppe, welche t.888 den Eingang der Münchener
internationalen Kunstausstellung schinückte.
 
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