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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1889

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Heft 11/12
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Gmelin, L.: Deutsche Goldschmiede-Arbeiten im Dome zu Rieti
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https://doi.org/10.11588/diglit.6907#0071

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*35

oWmikdk-UMW im Home ;u Mkti.

Von £. Gmelin.

)ft genug ist schon der Unfug beklagt worden,
welcher in Italien seitens mancher Lustoden
noch immer mit dein Namen Benvenuto Lellini
getrieben wird, und dessen üppigste Blüthe viel-
leicht in: Tesoro von San Marco zu Venedig sproßt, wo
die zwei großen silbervergoldeten, ganz gothischen Altar-
leuchter jenem Meister zugeschrieben werden. Die kunst-
geschichtliche und besonders die kunstgewerbliche Forschung
der letzten Jahrzehnte hat mit vielen derartigen Annahmen
aufgeräumt, und gelegentlich auch vieles von den:,
was bis dahin als italienische Arbeit bewundert
wurde, als deutsches Geistesprodukt zurückerobert.

Aber man muß sich wohl hüten, die gerügte
Lustodenweisheit mit ernsten Arbeiten aus eine
Stufe zu stellen; italienische Forscher haben ihr
redliches Theil dazu beigetragen, Licht in manches
Dunkel zu bringen, und wenn man beobachtet,
mit welchem Eifer in Italien — seitens der Lieb-
haber wie der Fachleute — Spezialstudien gemacht
und veröffentlicht werden, Studien, die oft nur
für einen kleinen Kreis von Lesern bestimmt
sind, so gewinnt man den Eindruck, als ob der
Nationalstolz in seinen verschiedenen sachlichen
und lokalen Abstufungen zwar die Paupttriebfeder
bei dieser enisigen Thätigkeit sei, aber doch nie-
mals den idealen Zweck der Forschung aus dem
Auge verliere.

Ist schon dieses in den Kreisen gebildeter
Italiener heimische Forschen geeignet, unsere
Hochachtung hervorzurufen, so haben wir allen
Grund, auf manche in offiziellen! Auftrag unter-
nommenen Darlegungen einen gewissen Neid zu
hegen. Es ist noch nicht gar lange her, daß man
in einzelnen Theilen Deutschlands angefangen
hat, die vorhandenen Kunst- und Alterthums-
denkmäler zu inventarisiren, während man in
Italien schon inr Dezember * *860, also kurz nach
erfolgter Vereinigung des Königreiches, Lommissionen zu
diesem Zwecke niedersetzte, deren eine — diejenige für die
Provinz Umbrien —• so rasch und doch zugleich gründlich
arbeitete, daß bereits *872 ein Auszug aus denr Gesammt-
inventar erscheinen konnte, dessen Redaktion in der pand von
Mariano Guardabassi lag, welcher auch das Gesammt-
inventar redigirt hatte.

Eigentlich besagt das Wort „Inventar" nur einen
Theil von dem, was hier geboten wird; man begnügte sich
nicht mit Angabe der thatsächlich vorhandenen Gegenstände rc.
und der bereits bekannten historischen Notizen, sondern man
durchforschte die Archive auf's Gründlichste und reihte neben
die aus der Anschauung gewonnenen Daten auch die durch
Urkunden beglaubigten, und so entstand aus denr »Indice-
Guida»*) ein Werk, welches in seiner Art als ein Muster

Pokal Nr. ; im Dome zu Riet!
(Umbrien).

(Höbe — H5 cm.)

Detail davon in wirklicher Größe.

*) Der ganze Titel lautet: Indice-Guida dei Monumenti pagani

dasteht und von Keinem, der sich mit den in Umbrien
befindlichen archäologischen und künstlerischen Schätzen befaßt,
übersehen werden kann.

Um nur an einem Beispiele die Reichhaltigkeit des in
diesem Werke enthaltenen Auellenmaterials darzulegen, sei
erwähnt, daß dasselbe — in knappster, summarischer Form
gehalten — allein über das Kloster 3. Pietro kuori le mura
bei Perugia fünf ^uartseiten enthält, darunter eingehende
Angaben über die verschiedenen Meister, welche an den:
einst halb und halb dem Rafael zugeschriebenen
Stuhlwerke beschäftigt waren, über die Verfertiger
der Ambonen, der Kanzel ic., über die prächtigen
Meßbücher u. s. w. Es mag sein, daß zu der
ausführlichen Behandlung gerade dieser Kirche
-—■ Perugia mit Umgebung nimmt übrigens
allein mehr als 80 Seiten in Anspruch — der
Umstand beigetragen hat, daß im Jahr *859
dieses Kloster dem Verfasser zur Zufluchtsstätte
vor den ihn verfolgenden Päpstlichen geworden
war;*) aber die Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit,
welche in diesen: Falle vielleicht durch eine be-
sondere Anhänglichkeit gesteigert worden sein niag,
beherrscht doch auch alles Uebrige und läßt dem
Gedanken einer ungleichinäßigen Behandlung
des Gegenstandes keinen Raum.

Aus der Zahl der größeren, in diesen:
„Führer" behandelten Städte Umbriens gehört
das am Südende der Provinz und am Nordende
der Abruzzen gelegene Rieti zu denjenigen,
welche seit Beginn der Eisenbahn-Aera un-
beachtet zur Seite liegen blieb; früher führte für
den von Norden Kommenden der nächste weg
nach Neapel über Rieti, was sich aber mit der
Anlage der Eisenbahnen änderte, bis durch die
erst vor wenigen Jahren eröffnete Bahn von
Terni über Rieti nach Aquila und Solmona
diese in kunstgeschichtlicher pinsicht vernachlässigten
Städte zugänglicher gemacht wurden.

Unter den kunstgewerblichen Schätzen Rieti's, welche
Guardabassi anführt, nehn:en die des Do:::es die erste Stelle
ein. Nicht als ob sie mit denen der größeren italienischen
Kirchen — etwa mit San Marco zu Venedig oder den
Domen zu Florenz, Siena, Orvieto, Loreto — in die
Schranken treten könnten; aber die Entlegenheit der Stadt
hat die Silbergeräthe dieser verhältnißmäßig kleinen Kirche
vor der Ausplünderung durch Antiquitätenhändler rc. mehr-
bewährt als n:anche vielleicht weniger bedürftige Kirche.
Daß durch die sorgfältige Aufzeichnung der Kirchenschätze

e cristiani, riguardanti l’istoria e l’arte existenti nella provincia dell’
Umbria per Mariano Guardabassi. Perugia, G. Boncampagni e Cie.,
1872. Die Anordnung des Werkes ist alphabetisch nach den Drten;
innerhalb derselben stehen die vorchristlichen Denkmäler stets voran,
denen dann die christlichen gleichfalls alphabetisch sich anreihen.

*) Indice-Guida, S. 2-zz.

Zeitschrift des bayer. Aunstgewerbe-Vereins München.

r7eft u & \2 (Sg.2). tSSJ.
 
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