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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1889

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Heft 3/4
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Haushofer, Max: Ueber Allegorien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.6907#0029

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Allegorie auf den Monat März von M. v. Schwind.

Aus dein aus Veranlassung des damaligen bayer. Aronprinzen Max herausgegebenen Aalender von

fließen diese Zustände so in einander über, daß es auch einein
feinfühlenden und hochgebildeten Künstler schwer werden
mag, sie genügend scharf zu charakterisiren. So wäre es
unberechtigt, den Despotismus lediglich als brutalen Zwang,
als rücksichtslose Unterdrückung der Freiheit darstellen zu
wollen, nachdem uns die Geschichte darüber belehrt, daß es
manchen sehr aufgeklärten Despoten gegeben hat, der seinem
Volke um Jahrhunderte voraus war. So wird es auch
schwer halten, den Begriff der Revolution jemals genügend
zu allegorisiren. Wir wissen, daß es sehr verschiedene Arten
von Revolutionen gegeben hat: Revolutionen von oben und
von unten, berechtigte und unberechtigte. Die lassen sich
nicht alle unter die französische rothe Jakobinermütze bringen.
Liner der allerschwersten Begriffe aber für die allegorische
Darstellung ist die Freiheit. Man muß es der französischen
Nation lassen, daß sie diese Aufgabe am entschiedensten
gelöst hat durch das riesenhafteste Bildwerk, das die Welt
kennt, durch die metallene Freiheitsstatue vor dem Hafen
von New-tzork. Ls war gewiß ein glücklicher Gedanke,
dieses Bildwerk in seiner gigantischen Größe an einen Platz
zu stellen, wo es von Seefahrern der ganzen Welt gesehen
wird und ihm dazu noch eine weithin flammende Leuchte
in die Hand zu geben.

Da wir bei der politischen Allegorie verweilen, könnte
wohl auch der Gedanke auftauchen, ob denn nicht auch die
politischen Parteien allegorisch dargestellt werden könnten.
Gewiß können sie das; und sie werden auch oft genug dar-
gestellt, in den Holzschnitten des Kladderadatsch, an welchen
man wenigstens lernen kann, wie man nicht zeichnen soll.

Line eigene Gruppe von Allegorien ganz anderer Art
sind wiederum jene, welche Lmpfindungen und Ligenschaften
des einzelnen Menschen darstellen sollen. Bezüglich dieser
aber möchten wir gerne vor jedem Uebermaß warnen.
Liebe und haß, Freundschaft und Feindschaft, Freude
und Schmerz, Trauer und Lust darzustellen — dazu
braucht es keiner Allegorien; sie wirken viel packender,
wenn sie uns in: Bilde wirklicher Menschen und täglich
vorkomniender Situationen entgegentreten. Und so ist's
auch mit den meisten Tugenden der Menschen, mit der

Treue und der Barmherzigkeit, dem Fleiße und
der Selbstaufopferung; ebenso mit ihren Lastern:
dem Neide und der hoffarth, der Habsucht und der
Sinnlichkeit, dem haß und dem Zorn und dem Geize.
Ls existirt eine berühmte Allegorie von Hans Makart:
Die sieben Todsünden. Aber dieses Bild, das hauptsächlich
den Ruf des Künstlers geschaffen hat, ist gar keine Allegorie;
es sind wirkliche, im Rausche ihrer bösen Leidenschaft hin-
taumelnde Menschen. Was aber möglich ist, das ist nicht
mehr Allegorie.

Dagegen müssen wiederum als vollberechtigt alle jene
Allegorien erscheinen, welcheThätigkeiten des ganzen Menschen-
geistes, Thätigkeiten an welchen die Kultur seit Jahrhunderten
arbeitet, in einzelnen idealen Figuren versinnlichen wollen.
So sind die Wissenschaften und die Künste in tausend-
fältiger Variation dargestellt und werden immer wieder dar-
gestellt werden und zu den gedankenreichsten und graziösesten
Kunstschöpfungen Anlaß geben. Und so werden auch Acker-
bau und Forstwirthschaft, Jagd und Fischerei,
Handel und Industrie immer wieder als allegorische
Figuren erscheinen, weil man dieser Figuren bedarf, weil
sie gewissermaßen das Festgewand sind, in welchem die
Werkthätigkeiten des Menschengeschlechts mitunter doch
erscheinen sollen. Da fehlt uns allerdings noch manches.
Denn wenn wir die im volkswirthfchaftlichen Treiben thätigen
Mächte in Gedanken überfliegen, müssen wir doch gelegent-
lich fragen: wo bleiben Kapital und Kredit? Sollte es einmal
einen Künstler gegeben haben, der es wagte, diese Begriffe
allegorisch darzustellen? Wäre es nicht für einen der Bank-
paläste, die man in unseren Großstädten erbaut, der Mühe
werth, Figuren aufzufinden, die den Wechsel und die Hypothek,
die Bank und die Börse, den Kurs und die Dividende als
anmuthige geflügelte Genien darstellen? Nun — die Kunst-
geschichte weiß schon von mancher Verirrung zu erzählen;
vielleicht erleben wir auch diese noch.

Wenn man auch die vier Temperamente und
die fünf Sinne des Menschen allegorisch dargestellt hat,
so muß das als ein Versuch bezeichnet werden, der nur dem
nieisterhaften Gelingen erlaubt sein kann. Denn es gibt
 
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