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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1889

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Heft 5/6
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Haushofer, Karl: Ueber Email, [1]: Vortrag, gehalten im Bayerischen Kunstgewerbe-Verein am 16. Februar 1889 von Prof. Dr. Karl Haushofer
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https://doi.org/10.11588/diglit.6907#0041

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daß sie hart und dauernd werden wie Stein — man hat
diese Art der Schmelzarbeiten als das „Email der Bar-
baren" bezeichnet; die Benennung kelto-romanischer Gruben-
schmelz ist vorzuziehen. In den späteren Arbeiten dieser
Gattung vom Rhein zeigt sich in den Formen schon hie
und da römischer Einfluß, während die Farben noch den
uralten Dreiklang blau, roth und gelb behalten haben; das
älteste Email dieser Kunst scheint blos blau gewesen zu sein.

Diese im Westen uralt eingesessene Champleve-Technik
gerieth mit dem Eintritt der großen Völkerbewegungen
allmählig in Vergessenheit oder hat sich nur sehr sporadisch
erhalten, dafür taucht in den Klöstern der Maasgegend und
des nordwestlichen Deutschlands im (0. und ((. Jahr-
hundert die Technik des byzantinischen Zellenschmelzes auf,
wahrscheinlich unter Anregung der griechischen Prinzessin
Theophanu, Gemahlin Kaiser Vtto II. Der kunstsinnige
Bischof Berward von pildesheim, welchen sie, ehe er
Bischof geworden, zum Lehrer ihres Sohnes Otto III. be-
rufen hatte, nahm sich besonders der pflege der Gold-
fchmiedekunst an und aus seiner Zeit (etwa (0(0—15)
stammen die ersten deutschen Schmelzarbeiten nach Art des
byzantinischen Zellenemails. Es sind vier Medaillons mit
den Symbolen der Evangelisten an einer Buchdecke aus
dem Domschatze zu Bamberg, gegenwärtig in der königl.
Pos- und Staatsbibliothek in München. An derselben Buch-
decke befinden sich noch andere Eniailarbeiten echt byzan-
tinischer Provenienz (Christus und (( Apostel) und die Er-
zeugnisse der Goldschmiede des deutschen Klosters unter-
scheiden sich von letzterer durch etwas derbere Fassung
und kräftigere Farbengebung. Eine andere deutsche Ar-
beit dieser Art und aus derselben Zeit, ebenfalls in der
Münchner Staatsbibliothek befindlich, stammt aus dem
Kloster Niedermünster in Regensburg und zeigt die Bilder
Ehristi und Marias auf dem Prachtdeckel eines Evan-
geliariums.

Auch drei Prachtkreuze des Münsterschatzes von Esten
zeigen Zellenschmelz in Nachahmung byzantinischer Vorbilder
aber von deutscher Arbeit mit der Widmung der Abtissin
Mathilde (?) von Essen, welche um (002 starb. Vergeblich
haben französische Schriftsteller versucht, Frankreich als die
Ursprungsstätte dieser Arbeiten hinzustellen. In Frankreich
ist die Kunst des Zellenemails vor dem (2. Jahrhundert
absolut nicht nachweisbar. In: Jahre ((^ wurden sogar
deutsche Goldschmiede vom Abt von St. Denis berufen, uni
dort Schmelzarbeiten anzufertigen und die Mönche von der
Abtei Grandmont bei Limoges brachten ((8( von Köln
Reliquien und einen Reliquienschrein mit Schmelzarbeit nach
Pause, welcher nicht blos die Bildnisse der Geschenkgeber,
des Abtes Gerhard von Siegburg und des Erzbischofs
Philipp von Köln, sondern auch den Namen des deutschen
Goldschmiedes, Bruder Reginald, zeigt. Diese Thatsachen
erweisen, daß deutsche Werkstätten und insbesondere deutsche
Klöster damals die Mittelpunkte der Emailtechnik waren.
Der sicherste Beweis ist aber das Buch: »Oiversarum artium
schedula« des schon genannten deutschen Mönches Theo-
philus, welcher nach einigen in Reichenau am Bodensee,
nach anderen in pelmarshausen in pessen lebte und eigentlich
Rogkerus hieß. Seine Beschreibung und Anweisung zum
Emailliren zeigt, daß er mit der Kunst des Zellenschmelzes
vollständig vertraut war und sie selbst mit anderen seiner

Klosterbrüder ausübte, daß er sie aber wahrscheinlich bei
einem Aufenthalt in Konstantinopel erlernt hatte.

Der Zellenschmelz wurde nicht selten auf kleinen Gold-
plättchen ausgeführt, welche nach Belieben auf diesem oder
jenem Gegenstände befestigt werden konnten; daher kommt
es, daß die Gegenstände und die Emails, welche sie zieren,
bisweilen nicht derselben Zeit angehören. Ungefähr um
dieselbe Zeit, vielleicht noch etwas früher, etwa in der Mitte
des (0. Jahrhunderts, taucht in Deutschland die fast ver-
gessene Kunst des Grubenschmelzes wieder auf und ent-
wickelt sich in Köln und in den Klöstern des Niederrheins
neben dem Zellenschmelz zu hoher Blüthe. Doch ist diese
Kunstübung nicht mehr eine Fortsetzung des uralten kelto-

Perfische emaillirte Platte.

Eines der wenigen existirenden Stücke, bei welchen die Zellen durch Treibarbeit
entstanden sind. (Nach Garnier, a. a. CD.)

romanischen Grubenschmelzes, sondern lehnt sich in Styl
und Technik anfangs durchaus an byzantinische Muster; erst
nach und nach gewinnt sie unter dem Einfluß der Natio-
nalität der Künstler, neuer technischer Erfahrungen und des
veränderten Geschmackes einen selbstständigen Charakter.
Bei den ältesten Werken dieser Art — meist Reliquien-
schreinen, Tragaltären, Kreuzen und anderen Kirchen-
geräthen — wurde die Zeichnung mit dem Grabstichel in
Kupfer oder Bronze vertieft hergestellt und die Vertiefungen
mit Schmelz ausgefüllt. In der Regel colorirte man anfangs
auf diese Weise nur den Hintergrund und das Nebensächliche,
Umrahmungen, (Ornamente, während die menschlichen
Figuren größtentheils in Metall stehen blieben und nur in
den Linien der Gewänder, Spangen, Gürtel ic. mit blauem,
schwarzem und rothem Schmelz mehr hervorgehoben wurden.
Bisweilen findet man an ein und demselben Stück Gruben-
schmelz und Zellenschmelz vereinigt.

Werke der deutschen Grubenschmelzarbeit sind u. a.
ein Tragaltar im Dom zu Bamberg nach der Tradition
ein Geschenk Kaiser Heinrich II. ((020), Reliquienschreine
im Welfenschatz mit vereinten: Gruben- und Zellenschmelz
und der Inschrift eines kölnischen Künstlers, Eilbertus, der
Sarg Karl des Großen in: Dom zu Aachen, unter Friedrich I.
 
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