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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1889

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Heft 11/12
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G.: Das Studium der Naturformen an kunstgewerblichen Schulen
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https://doi.org/10.11588/diglit.6907#0076

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Stillleben, nach dem im Festsaal des Kunstgewerbe-Vereinshauses (München) befindlichen, von Profi Rud. Seitz als Wanddekoration

gemalten Vriginal gezeichnet von E. Sack (München).

an kunstgewerblichen schulen.

a ewiße Gedanken liegen zu ihrer Zeit sozusagen wie Sporen
? in der Luft und fliegen Diesem und Jenem gleichzeitig
I zu; so ging es in den letzten Jahren in Bezug auf
Vorschläge zu eindringlicherem Zeichnen nach der
Natur. Diese Forderung ist ja keineswegs neu; den
bildenden Einstuß des zeichnerischen Naturstudiums betonen schon die
Renaissancemeister Eennino Lennini und Leonardo da Vinci. Aber
es läßt sich nicht läugnen, daß mit der Zeit im Drange von Verhält-
nissen, unter denen die Zahl der Zeichenschüler in viel größerein Umfang
zugenominen, als die der Zeichenlehrer, der Schwerpunkt des Zeichnens
einigermaßen verschoben wurde. Das Bedürfniß, hier Wandel zu
schaffen, ist schon von vielen Theoretikern des Zeichenunterrichts em-
pfunden worden, und es fehlt nicht an versuchen, dem Naturzeichnen
schon in der Volksschule Eingang zu verschaffen; beispielsweise will
F. Flinzer in seinem Lehrbuch des Zeichenunterrichts schon im zweiten
Jahr seines Lehrganges das Zeichnen nach gepreßten pflauzenblättern,
nach Schmetterlingen, Käfern u. fi w. einführen, und ähnliche Forder-
ungen finden sich auch bei mancher anderen Lehrmethode — allerdings
noch nicht überall so durchgreifend, daß man auf eine allgemeine Er-
füllung dieser Forderung in den nächsten Jahren wird rechnen können.

Mit großer Energie und mit einem Feuereifer, wie sie nur aus
dem wärmsten Interesse für eine Sache und aus dem vollen.Bewußt-
sein des Ernstes derselben entspringen kann, hat Georg lfirth vor
zwei Jahren mit seinen „Ideen über Zeichenunterricht" diese Forderung
in der umfassendsten weise gestellt, und es kann kein Zweifel darüber
sein, daß die in kurzer Zeit in drei Auflagen erschienene Schrift eine
nachhaltige Wirkung ausüben wird; selbst die verknöchertsten Pedanten
werden durch sie aus ihrem Winterschlaf zum Nachdenken aufgerüttelt
worden sein und seitens der strebsamen Zeichenlehrer wird manche jener
Ideen in die Praxis übertragen werden, soferne sich ihre Durchführ-
barkeit in der Schule erweisen läßt. Auch die in unserer letzten Nummer
besprochene Schrift von R. Mielke über die Münchener Kunstgewerbe-
Ausstellung in Bezug auf Stil und Zeichenunterricht, welche sich vielfach
auf Lfirth's „Ideen" beruft, will das Naturzeichnen umfassender, als
es bisher der Fall war, in die Volksschule einführen.

wenn auch diese beiden Schriften schon auf den Nutzen des
Naturstudiums für den Kunsthandwerker hindeuten, und namentlich
die letztere ausdrücklich „ein eingehendes Studium der Natur in ihrer
Gesetzmäßigkeit und Schönheit" als eine der Grundlagen für den
kunstgewerblichen Unterricht fordert, so mußten sie sich doch
bei dem ihnen gesteckten Ziele auf allgemeinere Andeutungen und Winke
in dieser Einsicht beschränken.

Unabhängig von den genannten Arbeiten erschien Mitte Z888
in der „Allg. Zeitung" ein Artikel von Maler Mor. Meurer, in

welchem gleichfalls auf's Entschiedenste für das Zeichnen nach der
Natur das Wort geredet wurde, zugleich aber auch — kurz zusammen-
gefaßt — die Grundzüge dargelegt wurden, nach welchen ein solches
Studium in Beziehung auf das Kunstgewerbe vorgenoininen werden sollte.

vor Kurzem hat nun der zur Zeit in Rom lebende Verfasser,
welcher bis vor wenigen Jahren als Professor der Berliner Kunst-
gewerbeschule angehörte, und als solcher sich durch verschiedene Ver-
öffentlichungen — Italienische Flachornamente, Majolikafliesen — in
den weitesten Fachkreisen bekannt gemacht hat, jenen Grundgedanken
in einer unter obenstehendem Titel erschienenen Schrift*) ausführlicher
dargelegt; es handelt sich hierin um Vorschläge zur Einführung eines
Unterrichts, in welchem das Schwergewicht auf das Zeichnen nach
der Natur gelegt wird, und zwar in enger Verbindung mit Uebungen,
welche die Uebertragung der an den natürlichen Gebilden beobachteten
Lntwicklungs- und Bildungsgesetze auf kunstgewerbliche Gegen-
stände anbahnen sollen; unbewußt folgte der Verfasser den Spuren
Bötticher's, der in seiner „Tektonik der Hellenen" (I. § s) über
das Wesen der Analogie in den tektonischen Kunstformen einen ähn-
lichen Gedankengang entwickelt, wie das Vorwort bemerkt, wendet
sich das Schriftchen „ebenso sehr an die das Kunstgewerbe liebenden
Laien als an Fachleute und Kollegen. Es erhebt keinen andern An-
spruch, als die Aufmerksamkeit eines größeren Kreises von Freunden
des Kunstgewerbes auf eine Unterrichtsfrage zu richten, welche neuer-
dings Künstler und Lehrer lebhafter zu beschäftigen anfängt und
welche wegen ihres Einflusses auf das Kunstgewerbe überhaupt all-
gemeines Interesse verdient".

Das große Interesse, welches dieser Gegenstand — für jeden
Kunsthandwerker und Kunstfreund besitzt, veranlaßt uns den Inhalt
dieser Schrift — soweit er sich nicht direkt auf den Lehrplan bezieht —
umso eingehender darzulegen, als sie von dem uneigennützigsten Eifer
für die gute Sache diktirt und somit berufen erscheint, in allen dem
Kunsthandwerke nahestehenden Kreisen mindestens zum ernsten Nach-
denken über eine hochwichtige Frage anzuregen.

In der Einleitung stellt der Verfasser fest, daß, nachdem das
Kunstgewerbe die Stilarten von Jahrhunderten bis zum Rokoko reka-
pitulirt hat, dasselbe nun einer Regeneration bedarf um lebensfähig
zu bleiben. „Schon von vielen Seiten wird heute der Ruf nach einer
solchen Wiederbelebung laut, der Ruf nach einer Neubelebung durch
die Rückkehr zur «Duelle der Natur, welche für jede in Stiltraditionen
gealterte Kunstrichtung das verjüngungsbad geboten hat. Und in der
That ist das vernachlässigen eines Haupttheiles der kunstgewerblichen

*) Das Studium bet Naturformen an kunstgewerblichen Schulen.
Vorschläge zur Einführung eines vergleichenden Unterrichts von M. Meurer. Berlin,
Ernst wasmutb. *889. Preis M.

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