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Bickell, Ludwig [Editor]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0028

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Die Anlage der Stadt und deren Befestigung.

fach erwähnte Weiher gelegen haben, der von höher liegenden Quellen gespeist, in dem Schützengraben seinen
Abflugs hatte, und sogar eine kleine Mühle getrieben haben niuss, die in den Zinsregistern nach den ver-
schiedentlich wechselnden Besitzern genannt, und an dem Röderthor etwa zu suchen ist. Nach der Bergseite zu
schützte eine Hege (Gebück) diesen schwächsten Punkt der Befestigung, an welchem auch die einzige „Erorberung-
Gelnhausens durch Ludwig von Ysenburg 1440 geschah (Jungk 410). Ein Durchbrechen der Hege war noch
in der Stadtordnung von 1560 mit hoher Strafe (20 fl.) bedroht. Die jetzt in einen Stadtpark umgewandelte
Anlage heisst noch Schiesshege (nicht „höhe") und bietet einen prächtigen Blick auf die Stadt und Umgegend,
welche in etwas idealisirter Weise Kühl in einer seiner feinen Radirungen wiedergegeben hat. Auf der
Westseite zog der erwähnte tiefe Schützengraben an der alten Stadtmauer her, und mündete am Röderthor in
einen breiten bis zum Heselerthor fortlaufenden, welcher so unter Wasser zu setzen war. Hei dem Röderthor
und Ruperterthor führten steinerne Brücken über diesen Graben, von denen die beim Röderthor durch Tradition,
die andere urkundlich festzustellen ist: Urkb. II, p. 305, domum . . . juxta pontem lapideum qui protendüur de
valva inferiore que dicitur der Rofbertertor contiguam ex uno latere platee que dicitur die Schifganze. Auch heim
Heselerthor ist eine solche vorauszusetzen.

Auf der Ostseite bedurfte es bei der Steilheit des Terrains nur eines unbedeutenden Grabens. Die
äussere Mauer besass einen solchen vom äusseren Holzthor ab in einer ursprünglich vom Regen gerissenen Rinne.
Von dem tiefen und breiten mit Wasser füllbaren Graben am Röderthor ist noch eine gute Strecke wohl zu
erkennen, im weiteren Verlaufist er bei Anlage des Todtenhofes zugeschüttet, vom Schiffthor ab jedoch durch
moderne Anlagen jüngsten Datums wie Schlachthaus, Kreiskasse etc. ganz verwischt.

Thü i' in e.

1. Der älteste ist der hohe Thurm (cf. Gesehützverz. von 1569, auch Werschaftsbuch 1644, Jan. 12),
jetzt ganz willkürlich Buttenthurm. Leider ist derselbe, nachdem er von der Stadt an Herrn Consul Beeker
geschenkt, gründlich modernisirt und beworfen, sodass keine alte Disposition zu erkennen ist. Er gehört wohl
der Zeit von 1328 (cf. pag, 1) an. Seine Forte ist die an verschiedenen Orten Hessens schon im 13. Jahr-
hundert vorkommende halbrunde mit Auskragung des Oberstocks (cf. Tat'. 3).

2. Der Hexenthnrm, ursprünglich Fratzenstein, ist der besterhaltene auch interessanteste, und etwa in
das Jahre 1447 zu setzen. Er wurde wohl in Folge der Hussitengefahr errichtet, um die aus der Burg nach dem
Burgthor führende Brücke zu bestreichen; die Burgmannen fühlten sich jedoch durch denselben geniert, und
führten vergeblich beim Kaiser Beschwerde gegen die Errichtung „neuer Baue". Erst 1478 wurde er in Folge
dessen „ausgemacht" (Jungk p. 184). Er ist bereits wesentlich »nf Feuerwaffen eingerichtet und als gedecktes
Bollwerk anzusehen. Die auf den 1'länen Tab. 14 angegebene Construktion, und die bedeutende Mauerstärke,
lässt dies erkennen. Nack dem Geschützverzeiehniss von 1569 war er für drei Doppelhaken eingerichtet, welche
in den drei Nischen des Oberstockes standen, während die nach der Stadt gekehrte mit Wandschrank versehene
wohl zur Aufbewahrung des Pulvers diente. Eine centrale Oeffnung im Gewölbe und Sehlitze in dem poly-
gonen, aus festen Ziegeln gemauerten Helm, diente zur Abführung der Pulvergase. Die Eingangspforte lag
in der Höhe des Wehrganges, zu dem ein hölzerner Steg hinüberführte. Die Treppe läuft in der Mauerstärke,
mündet in einen gedeckten Erker und führt zu dein bezinnten Wehrgang um den Helm. Das Erdgeschoss
diente wohl zur Aufnahme der Munition, ausnahmsweise wohl auch von Gefangenen, war nur durch eine centrale
Oeffnung im Boden des Oberstocks zugänglich, und hatte einen schräg nach oben führenden Luftschacht. In
der Tünche der Mauer davor bezeichnet die eingeritzte Jahreszahl 1558 das Datum einer Reparatur, in Folge
«leren jene Besichtigung von 1569 stattfand. Der Name Gacken- oder Fratzenstein knüpft sich an eine hockende
Figur, welche wohl zur Verhöhnung der Burgmannen nach löblicher mittelalterlicher Sitte (ef. die Fratzen des
Ludwigsteins gegen den Hanstein u. a. Neidbilder) angebracht wurde. Der heutige Yolksmund hat mit dem
üblichen Sachverständnigs daraus den Namen für das hinter dem Thurm herführende Gässehen „Vierzehn-
stein" präparirt.

3. Der Obere Thurm (cf. Geschützverzeiehniss), Aulenthorn in einem Notariatsinstrument von
1535l), jetzt Halbmond genannt, ist ein ganz eigentümliches Gebilde, welches der vorhandenen Mauer
vorgesetzt wurde, um eine Seitenbestreichung derselben zu ermöglichen. Die Mauer mit ihrem Wehrgange
läuft hinter demselben ungestört fort. Wie Ansieht, Plan und Querschnitt (Tab. 5 u. 14) ergeben, ist eine

') Staatsarch. Grelnh. Akten über Grenzstreitigkeifeüi
 
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