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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0042

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24

Die Burg.

jedes HindernisS für den Wurf zu vermeiden. Die Fugen sind (wo ursprünglich) sogar hei dem Bossenquader-
werke sehr fein und genau bearbeitet. Alle architektonische Gliederungen sind geschliffen.

Die Ringmauer ist an keiner Stelle mehr vollständig mit Wehrgang und Zinnen erhalten; die Höhe des
Wehrgangs ist aber genan festgelegt durch das Rundbögenpförtchen, welches vom Bergfrit aus auf ihn führte
und eine Reihe von Steinlöchern für Balken, welche den zwischen Mauer und Thurm befindlichen Spalt
(cf. Tab. 20, Querschnitt) überdeckten. Von dem Querschnitt und der Höhe der Zinnen giebt ein kurzes
Stück derselben Aufschluss, welches auf der Nordwestecke der Capelle sich erhalten hat. (Tab. 19 unten.)
Wie der Wehrgang mit der Treppe zur „Capelle" zusammenhing, ergiebt Tab. 18, in welcher Weise jedoch
derselbe auf der anderen Seite und am Palas fortgesetzt war, ist nicht zu entscheiden. Vermuthlich war das
Treppenhaus (Tab. 18 u. 19) so hoch hinaufgeführt, dass am Fuss des Palasdaches ein Umgang möglich war.
Da die Aussenmauer des Palas direkt als Ringmauer diente, kann eine Einrichtung wie in Manzenberg nicht
vorhanden gewesen sein. Ueberhaupt scheinen die Vertheidigungseinriehtungen der Burg wenig durchgebildet
gewesen zu sein, da man sich auf den Schutz durch Wassergräben verliess. Hatte doch der Palas in nur
1,5 m Höhe über dem jetzigen Terrain kleine aber keineswegs unpassirbare Fenster, im Erdgeschoss darüber
aber sogar ein grosses weites Doppelfenster, ganz ähnlich wie an der entsprechenden Stelle zu Wimpfen.

Der Bergfrit von stattlichen Abmessungen (cf.Grundriss und Querschnitt Tab. 18—20) hatte lediglich
Balkendecken. Seine Höhe war nach der ältesten Abbildung (Tab. 17) eine beträchtliche, wenn es auch den
Anschein hat, als sei die obere Parthic im 15. Jahrhundert verändert worden. Den Hauptzugang bildete
vom Hof her eine hochgelegene grosse Rundbogenthür mit Consölen für eine Plattform. Eine zweite
in gothischer Zeit mit neuem Thürgestell versehene oder erst angelegte?) (Tab. 20), war von dem Wehrgang
mit Leitern zu ersteigen, und führte dann durch eine in der Mäuerstärke angebrachte Treppe, welche mit einer Fallthür
verschlossen wurde, auf das zweite Gebälk des Thurms, wo die Mauerstärke erheblich geringer wird. Während
der unterste Theil auch nicht einmal Schlitze für Luft und Licht hat, liegen hier an jeder Seite rechteckige
grosse Fenster. In dem Südosterker befand sich eine Wendeltreppe, deren Auskragung auf schwächlichen
Consolen und Bögen wohl der späteren Erneuerung angehören dürfte.

Eingangshalle und Capellenbau.

Das Haupteingangsthor mit kräftigem rechtwinkligem Absatz profilirt, zeigt weder Spuren von
Fallgatter noch Zugbrücke und ist nur durch einen grösseren Gusserker vertheidigt gewesen, der über Consolen
aufgemauert war, wie die Ansätze eingebundener Steine beweisen. Bei dem Umbau der Capelle wurde der
sicher vorhandene Zugang zu dem Erker unterdrückt, und in die neue Blendenwand ein grösseres Spätgothisches
Fenster gesetzt.

Die gewölbte Eingangshalle hat an den Wänden nördlich und südlich Blenden, deren Wölbungsteine
tief einbinden, so dass sie auf der im Innnern der Mauer in einem geraden Lauf zu der Capelle führenden
Treppe sichtbar sind. Die Decke dieser Treppe, von erfreulicher Stufenhöhe, bilden abgetreppte Bögen,
nicht ein anlaufendes Tonngewölbe. Die AuSgangspforte zur Kapelle zeigt einen flachen Kleebogen. Zu ebener
Erde ist in den 50er Jahren ein Eingang in das „Burgyerliess" roh gebrochen, ein gleicher von dem oberen
Podest. Auf der Nordseite der Halle führte ein Rundbögenpförtchen (Tab. 19) zu der Haupttreppe der
ganzen Anlage. In gerader Richtung gelangte man von hier über jetzt weggebrochene Stufen zu dem poch
vorhandenen rundbogigen Eingang in den Unterstock des Palas, d. h. in den vor den westlichen Räumen her-
laufenden Corridor. Um eine kurze, dicke, runde Spindel dreht sich dann die Treppe, allmählich wieder in
die Flucht des Eingangs zurückkehrend (Tab. 19,2j und auf einem kleinen Podest vor der Eingangsthür zur
Kapelle mündend. Von hier führte sie in Wiederholung der unteren Anlage zu der Eingangsthüre des zweiten
Stocks des Palas, von der noch ein Theil des südlichen Gewändes nebst dem die Treppe beleuchtenden
kleinen Quadratfensterchen vorhanden ist (Tab. 24). Von dieser Treppe wurde später der nach dem zweiten
Stocke des Palas führende Lauf beseitigt, und der Raum zu einer kleinen Sacristei umgebaut, wobei an
Stelle besagter Treppe ein Steinschrank trat.

Eine andere Treppe kann nach der später zu erörternden Grundrissbildung der Palas nie gehabt haben.
Die beschriebene ist aber in höchstem Grad zweckmässig, wenn auch für unsere Gewohnheiten unbequem.
Eine ebenso bescheidene Anlage besitzt u. a. noch der herrliche Saalbau des Schlosses zu Marburg an seiner
dem Eingang des Burghofes zugewendeten Ostseite als ursprünglich einzigen Treppenaufgang.
 
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