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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0092

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Die Peterskirche.

sanoti Petri (ürkb. J, p. 292) und 1289 eine Schenkung ad fabricam erwähnt (ürkb. I, p. 486). Im Jahre 1420
stiftete Katharina von Münnerstadt zu den beiden täglichen Messen eine dritte (rothes Buoli p. 106). Neben der Kirche
lag ein Todtenhof, welchen Zinsregister des 14. Jahrhunderts erwähnen. Weitere Nachrichten aus dem Mittel-
alter fehlen. Der erwähnte Streit mit dem Kloster Selbold genügt m. E. zur Erklärung der Baugesehichte,
wenn man annimmt, dass die zu Beginn des 13. Jahrhunderts auf der Höhe ihrer BMthe und ihres Selbsfc-
bewusstseins stehende Bürgerschaft in dem Bestreben, eine eigene, die alte an Glanz übertreffende, mit Welt-
geistliche ihres Patronats besetzte Kirche zu erhalten, den Bau der Peterskirche um 1200 etwa begonnen hat.
Die Tendenz von Seibold los zu kommen, wird erst zu Tage getreten sein, als der Bau nothdürftig benutzbar
war und veranlasste den Widerspruch des Klosters, die vorläufige Entscheidung durch das Erzstift Mainz im
Jahre 1229 (ürkb. I. p. 181), und die endgiltige des Papstes 1238 (s. o.), wobei der Stadt ausdrücklich der
Bau neuer Kirchen untersagt wird. Während die Stadt vernmthlich dem an der Bürg beschäftigten Baumeister,
wie p. 72 erwähnt, den Bau übertrug, mag das Kloster durch den die alte Kirche dem Plan nach weit
überbietenden Neubau seinerseits veranlasst worden sein, einen noch reicheren Umbau durch Meister Vingerhut
ausführen zu lassen. Als dann der Streit beigelegt und eine andere Generation herangewachsen war, ist im
letzten Viertel des 13. Jahrhunderts etwa ein nothdürftiger Absohluss des Baues erfolgt. Die Verbesserungen
des 15. Jahrhunderts worden im Ansohluss an die Stiftung eines Altares durch Katharina von Münnerstadt und
durch den Steinmetzen erfolgt sein, dessen Grabstein nach der auf die Peterskirehe bezüglichen Abtheilung der
Sammlung Hundeshagens unter Nr. 6 auf p. 76 verzeichnet ist. Leider ist die Wiedergabe der Minuskelin-
schriften Hundeshagens vielfach eine so missverstandeue. dass es schwer wird, eine einigermassen verständige
und sichere Lesart besonders der Namen herzustellen.

Aus reformatorischer Zeit sind ebenso dürftige Nachrichten über die Peterskirehe Uberliefert. Da sie
keine selbständige Pfarrei bildete, sondern nur von einem oapellanus verwaltet wurde, fehlen Nachrichten über
den Wechsel des Cultüs. Die Kirche wurde stets nur aushülfsweise bei Reparaturen der Hauptkirche und bei
Leichenpredigten benutzt, und erhielt in den Schiften ein festes Gestühl, dessen Gänge auch hier mit Grab-
platten bedeckt waren. Eine Orgel seheint sie nie besessen zu haben, und in den engen Thürmen hingen nur
kleine Glöckchen, von denen eins, wie p. 56 erwähnt, 1681, als man in der Peterskirche selbst den Guss zweier
grosser Glocken vornahm, ganz überflüssiger Weise eingeschmolzen wurde, da es drei Centner wog, während
zehn Centner Metall übrig blieben. Uni 1700 wurde die Kirche noch einmal mit Collektgeldern der Bürger-
schaft in Stand gesetzt ..und mit gewöhnlichen Ceremonien eingeweiht" (Gelnh. Stadtarch. Prozessakten). Schon
1765 diente sie jedoch wieder als städtisches Materialmagazin, eine Bestimmung, welche auch auf der Innen-
ansicht von Huld zu erkennen ist.

Mit dem Jahre 1826 endlich beginnt die traurige Periode der zwangsweisen Verwüstung und Zerstörung
durch die Aufsichtsbehörde selbst! (Staatsarch. Marburg. Akten des Kreisamtes 1826/30.) Am 16. August 1826
ersuchte der Kreisrath Klingelhöfer das Prosbvteriuni. schleunigst die den Einsturz drohende Facade (d. h. die
südliche Querschiffmauer) nach der Schmidtgasse repariren zu lassen. Das Presbyterium hörte daraufhin
den Landbaumeister Puhl in Hanau, und schlug dem Consistoriuni daselbst den Ankauf durch die Stadt vor,
welche den Bau als Magazin benutzen und unterhalten wollte. Das Oonsistorium war damit einverstanden,
wenn die Stadt sich verpflichte, die Kirche zurückzugeben, falls sie zum Gottesdienst gebraucht werde. Die
kurfürstliche Regierung zu Hanau versagte aber ihre Genehmigung, da die Stadt dadurch zu sehr belastet
werde (! ?). Inzwischen hatte Klingelhöfer bereits einen der Chorthürme (den nördlichen wohl) abbrechen lassen;
er wollte nach einem Sturm weitere Senkungen beobachtet haben und verlangte energisch Sicherungsmassregeln.
Landbaumeister Puhl erklärte jedoch am 17. April 1828, dass noch nach hundert Jahren keine Gefahr des
Einsturzes zu befürchten, und nach genauer Untersuchung eine Reparatur des Querschiffes ganz überflüssig sei.
Nur der eine Thurm sei gewichen, weil er ein ungenügendes Fundament von drei bis vier Fuss nur habe und
nicht von dem Chor gestützt werde. Die übrigen Fundamente seien sehr gut, sodass eine Verankerung und
Reparatur des Daches völlig genüge, welche mit geringen Kosten zu bewerkstelligen sei. Um dieser Kosten
willen verfügte nun das Consistoriuni einen Verkauf des Baues auf Meistgebot, während die Stadt von der
Regierung an dem Kauf gehindert wurde, trotzdem sie sich nochmals zur Uebernahme erbot und nachwies,
dass für sie der Besitz sehr nützlich sei.

Davon, dass der Hau historischen oder künstlerischen Werth habe, und dieser Berücksichtigung ver-
diene, ist in allen Verhandlungen mit keinem Worte die Bede. Hätte nicht Hundeshagen seine Vermessungen
 
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