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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0154

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Birstein.

Witgenborn gemacht waren. Der Hauptsaal1), der Hirschsaal, welcher 46 Schuh lang, 41 breit war, erhielt
neun Säulen, die an sämtliche Steinmetzen von Büdingen verdingt wurden. „Zwei Bögen" wurden in dem-
selben durch H. Thomas gemacht, welche nur die mittlere Reihe der wohl an den Wänden um eine mittlere
gruppirten 9 Säulen verbunden haben werden.

Hans Büdenner, Steinmetz aus Büdingen (welcher auch das Epitaph der Kirche (cf. p. 127) schuf),
errichtete einen dem hohen Preis von 221 fl. entsprechend wohl sehr reichen Kamin, und Meister Merten
Dreybock, der Weissbinder aus Lohre (Lohr in Franken), hatte für hundert Gulden den Saal nebst Stuben
und Kammern am „Boden oder Decken mit schönen Zügen (und) Scharpfen Ecken auss zu Streichen vnd zu
weissen", also die Stückarbeiten zu machen.

Schliesslich malte der Meister Johann Sauszdorff aus Gelnhausen den Saal mit „Wappen und Croppen"
aus2). Auch der Steinschneider Hans Engelbert aus Würzburg arbeitete ungenanntes für den Saal, woraus zu
sehliessen ist, dass derselbe wenigstens stellenweise einen Mosaikfussboden erhielt. Von den Schreinerarbeiten
werden auffälliger AVeise nur die „Thürgewände" genannt, welche Meister Georg Frölich aus Poppingen in
achtzehn Wochen zu Stande brachte.

Andere Räume des Flügels waren das Kinderzimmer oder die Schule, in welche Steinmetz Hans
Eckel aus Büdingen einen neuen Kamin setzte, während „des Grafen Ludwig Gemach", die alte Essstube,
und das grüne Gemach, drei Oefen „mit gebildeten Kacheln" durch den Ofenmacher Georg Fischer aus
Frankfurt a. M. erhielten.

Weitere bemerkenswerthe Arbeiten an dem alten Hauptbau H finden sich in den erhaltenen Archivalien,
Rechnungen der Kellerei, einem Befehlbuch, Dingzetteln etc. nicht. Nach obigen Angaben schon darf es aber
als eine beklagenswerthe Fügung des Schicksals angesehen werden, dass die zur Zeit der Anfertigung des
Oelbildes so reiche malerische Architekturgruppe des Schlosses durch den öden in all seiner traurigen Kahl-
heit nicht einmal fertigen und bereits wieder halb verfallenen Neubau des 18. Jahrhunderts so vollständig
verdrängt ist, dass nicht ein Stück der reichen, immerhin mobilen Ausstattung mit Kaminen und dergleichen
erhalten blieb.

Im Jahre 1617 schloss der Nachfolger des Grafen Wolfgang Ernst, welcher die künstlerische Aus-
gestaltung des alten Baues in die Wege geleitet hatte, der damals in Meerholz (welches noch nicht Sitz
eines besondern Zweiges der Familie war) residirende Graf Wolfgang Heinrich, mit dem gräflich hanauischen
Baumeister Joachim Rumpf einen Vertrag zur Uebernahrnc des gesammten Bauwesens, zunächst auf drei Jahre
ab, doch scheint seine Thätigkeit bis 1620 unerheblich gewesen, auch nur Reparaturen und den Ausbau der
Neubefestigung umfasst zu haben. Zunächst wurde das Aussenwerk vor dem Thor, die „Hamey", mit neuen
Thorflügeln versehen, und Thüre und Schiessscharten zu einem Bollwerk werden 1620 erwähnt, was sich nur
auf die Anlage der Scharfeneck (N) beziehen könnte. Wenn auch weitere Rechnungen aus dem Anfang
des 17. Jahrhunderts fehlen, und Joachim Rumpf 1622 ein „höltzernes Modell vom hauss Birstein" für 2972 fl.
fertigen Hess, so muss die Thätigkeit Rumpfs sich auf das angegebene beschränkt haben, da alle vorhandenen
Theile älter oder später entstanden sind. Er muss 1644 todt gewesen sein, da sein Sohn und Nachfolger in
Hanau Augustus Rumpf in diesem Jahr den erwähnten Umbau der Dorfkirche leitete.

Die Anlagen des Schlosses hatten offenbar einen Abschluss erhalten, und im Lauf des 17. Jahrhunderts
waren nur die Schäden der Plünderung durch die Schweden zu heilen.

Der neue Kanzleibau von 1733.

Erst im Jahre 1733 entsteht wieder ein neues Werk, der Kanzleibau G. Die alte Kanzlei von 1591
hatte durch die fehlerhaften „Hufgewölbe" so gelitten, und das Raumbedürfniss der Kanzlei — welche die
gesammte Verwaltung des regierenden Landesherrn umfasste — hatte sich so gemehrt, dass sie nach den

') Der Hauptsaal wird in dem neu aufgesetzten Stockwerk zu suchen sein. 2) d. h. Gruppen.
 
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