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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0156

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138

Hirstein.

Wangen nnd eingezapften Tritten construirte. Die Tritte binden dabei natürlich tief in die Wände ein, und
die Podeste bestellen je aus einer riesigen freiliegenden Steinplatte. Die Steinhauerarbeit an der Treppe führte
nach den von Wolff geschnittenen „Lehren" (Schablonen) der Steinmetz Joseph (aus Büdingen ?) aus, welcher
auch die Tab. 216 abgebildete Gartentreppe anlegte.

Die Geländer von lichter zierlicher Form (Tab. 216) schmiedete für beide Treppen Meister Zipper
(aus Birstein?).

Der Zinimermeister Wolff hatte sich auch um die Zimmerarbeiten beworben, und sie in Gemeinschaft
mit Anderen ausgeführt. Die Pläne des Baumeisters hatten aber so weite Räume vorgesehen, dass die ge-
wählte Construction besonders der 32 Fuss breiten Saaldecke nicht genügte, sodass sie sich senkte, und die
schöne Stuckdecke verdorben wurde. Wolff floh desshalb, wurde aber in seiner Heimath gefasst und musste
Schadenersatz leisten.

Diese Stuckarbeiten, von denen charakteristische Theile auf Tab. 217, 218 und 219 abgebildet sind,
wurden von dem Meister Schwab (aus Lohr?) hergestellt, die Täfelungen und Thüren von dem Schreiner Waller,
die Malereien und Vergoldungen von dein Maler Müller aus Offenbach. Von den antiquarisch neuerdings er-
worbenen Ausstattungsstücken ist ein schöner ächter weisser Fayenceofen (Tab. 220) von unbekannter Herkunft
bemerkenswerth. In dem Jägerzimmer des Erdgeschosses steht ein prächtiger eiserner Plattenofen aus dem
Anfang des 16. Jahrhunderts, welcher bei der Aufhebung des Klosters Salmünster im Jahr 1875 hierher gelangte,
und dort für das Refektorium gegossen war. Er wird desshalb richtiger in dem Inventar des Kreises Schlüchtern
zu behandeln sein. Die übrigen Oefen des Schlosses müssen den vorhandenen Kaminlöchern nach in den
Haupträumen Plattenöfen gewesen sein, von denen aber keiner mehr vorhanden ist. In den kleineren Zimmern
standen Rundöfen aus Eisen für Holzbrand auf hohen Füssen, von denen noch einige sich erhalten haben.

Der alte Thurm (I des Grundrisses) wurde seiner Wendeltreppe beraubt und im Oberstock eine gewölbte
Silberkammer darin angelegt. Er hat noch das alte, der Bauperiode um 1600 (s. o.) angehörige Dach, welches
an Stelle des 1510 errichteten getreten sein muss, obgleich die Rechnungen nichts darüber enthalten. In dem-
selben hatte 1602 Jacob Römer aus Frankfurt a. M. das noch vorhandene Uhrwerk eingerichtet, für welches
zwei Glocken bestimmt sind.

Die kleinere Glocke ist die ältere, hat oben 0,75, unten 1,41 Umfang und 0,33 m Höhe und trägt die
interessante Minuskelinschrift zwischen zwei flachen Riemchen:

innrta § bet § bein § feint § rer § un§ §
die grössere Glocke hat oben 0,97, unten 1,74 Umfang, 0,40 m Höhe und in lateinischen Grossbuchstaben die
Inschrift:

BENEDICT • SCHNEIDEWIND • IN ■ FRANCKFURT • GOSS • MICH • ANNO • 1688.
Auf dem Innenhof über dem westlichen Ausgang des Mittelbaues ist in dem hier unvertünchten,
zum grössten Theil aus dem Basalt des Burgbergs bestehenden Mauerwerk ein Quader eingelassen, welcher
einein beim Bau des Hauptflügels H abgebrochenes Schlosstheil angehört haben muss und die Inschrift trägt
unter dem ein Steinmetzenzeichen steht:

ANNO DOM
1593
H G.

Es könnte derselbe von dem 1591 begonnenen „Frauenzimmererker" herrühren, dem einzigen entsprechenden
Baütheil den die Rechnungen nennen.

In dem 19. Jahrhundert wurden alle alten Wälle und Bollwerke, soweit sie nicht als Futtermauern
dienten, beseitigt. Zunächst wurde das nach Osten vor dem Marstall gelegene Bollwerk abgetragen und ein
Schlossgarten in englischem Gesclmiacke angelegt. Erst in den siebziger Jahren wurde das zwischen K und H
befindliche zum Theil aus Felsen bestehende Bollwerk gesprengt und beseitigt, ohne dass sich Zeichnungen
von seiner alten Beschaffenheit erhalten hätten. Die mit schönem Balustergeländer umgebene Terrasse M
(„Altan") muss mit der Gartentreppe 18 nach Vollendung von H entstanden sein.

Von den im Sehldes befindlichen mobilen Kunstwerken hat nähere Beziehung zum Ort und der Familie
ausser dem erwähnten Oelgemälde nur:

Das rothe Buch, ein Copialbuch des XV. Jahrhunderts in rotlies Leder gebunden und mit schönen
einfachen Messingbeschlägen geziert, welches im fürstlichen Archiv bewahrt wird (Tab. 221).
 
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