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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0213

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Wächtersbach.

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von 1634 im Stadtarchiv zu AVäehtersbach). Im Jahre 1500 wurde es zur Stadt erhoben, und erhielt Mauern
(<jf. Arnd, p. 480, und Situationsplan Tab. 347, H), welche jedoch die Eroberung durch die Kaiserlichen 1636
nicht hindern konnten, und dabei stark litten.

Die Pfarrkirche, ehemals Mariencapelle,

Im Jahr 1354 hatte Conrad von Trimberg die de novo erectam dtque fundatam cqpellam unter Vorbehalt
der collatio donatio und des jus präsentandi ausgestattet (Urk. II, p. 126), welche nach einem Indulgenzbrief
vom Jahr 1357 ecclesia seil capella in Wechterspach fundata in honore Marie virginis, triuni rSgüm, deceth milium
militum, saricte Kafheriue martyris et omnium sanetorum MaguntimmUt diocesis genannt wird (Urk. III, 276).

Nach Erhebung des Ortes zur Stadt im Jahr 1500 erhielt sie inschriftlich im Jahr 1514 einen wehrhaften
Kirchthurm. Um das Jahr 1664 erfogte ') Dach Akten des Bndinger Arch. (Cnlturw. Nr. 643) ein Umbau, von
welchem die Kanzel und Brüstungstheile der fürstlichen Loge herrühren, sowie die älteste (Hocke von 1661.
Im Jahr 1702 endlich erhielt der (irundriss der Kirche durch den Anbau zweier Flügel in Nord und Süd, so-
wie zweier ehorähnlich vortretender Treppenhäuser im Osten die jetzige absonderliche Gestalt Von den doppelten
Emporen in den Anbauten diente die südliche obere bis in unser Jahrhundert zugleich als Lateinschule.

Der gegenwärtig bestehende Bau hat den Tab. 329 gegebenen (irundriss. Der Kern desselben von
ähnlicher Form wie Udenhain etwa, gehört noch dem Gründungsbau an, und hat noch die ursprünglichen Fenster.
Auch das alte Westportal ist erhalten. Im Chor sind die zweitheiligen hohlprolilirton Fenster jedoch bis auf
die Seitengewände durch den Umbau von 1702 zerstört.

Der Westthurm ist 1514 angebaut und bildet eine Vorhalle, welche sich nach Nord und Süd
in breiten unprotilirten rundbogigen Durchgängen öffnet, über deren südlichem die Tab. 329 wiedergegeben«
Jahreszahl eingehauen ist. Die Vorhalle hat nach Westen ein zweitheiliges Fenster, und ist mit einem Kreuz-
gewölbe überdeckt, dessen hohlprotilirte Hippen auf polygonen zugespitzten Consolen ruhen und in einem runden
Schlussstein mit dem Ysenburger Wappen zusammenlaufen (cf. Tab. 329). Die weiteren Stockwerke haben die
aus Tab. 329, 331, 332 ersichtliche äussere Form und Construction. Zunächst ist hervorzuheben, dass der Thurm
nach Osten keine selbständig fundamentirte Wand hat, sondern dem alten Kirchengiebel; welcher sich auch im
Innern deutlich markirt, einfach aufgesetzt ist. Nach Westen hat die Oiebelwand der Kirche noch das alte
über dem Portal liegende mit Hohlkehle zwischen zwei schrägen Plättchen profilirtc Fenster, welches jetzt als
Durchgang zum Thurm dient. Das Fenster liegt gleichzeitig .so hoch, dass nur eine flache Balkendecke des
Schiffes damit vereinbar ist. Die Zwischendecken des Thurmes ruhen auf Balken, das vorletzte Geschoss ist
aber gewölbt und mit einer sorgfältig construirten Abwässerung und mit Wasserspeiern versehen. Darüber ist
dann ein niedriges letztes Stockwerk ausgekragt, an dessen Ecken auf pyramidalen Consolen mit fünf Seiten
des diagonal gestellten Achtecks Erker vortreten, deren untere Hälfte aus 12 cm starken Steinplatten besteht.
Die Auftnauerung derselben aus Ziegeln hat kleine rechteckige Fenster, während in den geraden Seiten des
Geschosses je zwei breite mit einem Hundstab umsäumte Oeffnungen angebracht sind.

Aus diesem Befund ergiebt sich, dass der 1702 erneuerte Thurmhelm an Stelle eines solchen trat,
welcher einen gezinhten Umgang freiliess, und wahrscheinlich analog (hm noch bestehenden Kirchthürmen zu
Bruchköbel, Marköbel und dem erst kürzlich zerstörten zu Grosskrotzenburg eine schlanke, massive, achtseitige
Pyramide bildete.

Der 1702 unter Wiederverwendung einer älteren Dachfahne mit der einpunktirten Jahreszahl 1546
entstandene Helm hatte nach Ost und West zwei grosse Gaupen, deren eine zur Aufhängung des Uhrglöckchens
diente. Sie wurden 1886 beseitigt, doch liegen die Sparren derselben noch auf dem Dächboden. Der Zugang
zu den oberen Theilen des Thurmes geschah von aussen durch die beiden grossen, unmittelbar dem untern
Gurtsims aufsitzenden Spitzbogenöffnungen (Tab. 331). Die zur Vertheidigung getroffenen Dispositionen sind
aus dem Querschnitt (Tab. 332) besonders bequem zu erkennen: Die mit einem Rundstab umgebenen Zinnen-
fensfer der Seitenwände, die kleinen Schiesslöcher in dem nur 12 cm starken, unten aus Platten gebildeten,
offenbar erst nachträglich aufgeblätterten Wänden der Erker, und die Schlitzfenster des Mittelstockes mit Schiess-
öffnungen daneben.

Das Schiff rührt nur in seiner westlichen Hälfte noch von dem ursprünglichen Bau her, und hat
beiderseits noch zwei schmale tiefsitzende mit zierlichen Nasen besetzte Spitzbogenfenster. Vor der Errichtung

') nachdem Wächtershach 1661 Sit/, einer besonderen Linie der Ysenburger geworden.

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