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Bickell, Ludwig [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0214

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196

Wächtersbach.

der Anbauten wird das Schiff jederseits noch ein solches besessen haben, sodass der Chor nur aus dem polygon
geschlossenen Joch mit fünf zweitheiligen Fenster bestanden hätte. Die 1702 zur Aufnahme einer Loge für
die Herrschaft angesetzten Theile, sind nur in den Treppenhäusern und dem Erdgeschoss massiv, sonst in
kräftigem Fachwerk errichtet, und geben besonders in der Choransicht dem Ganzen einen höchst originellen,
von der Südseite auch einen malerischen, wenn auch durchaus nicht monumentalen Charakter. Die neueren
Theile sind bis auf die schlichten Thürgestelle der Treppenthürme (Tab. 330) ganz schmucklos. Ein gesonderter
Chor ist seit diesem Umbau, durch welchem man eine protestantische Saal- und Predigtkirche erzielen wollte,
nicht melir vorhanden.

Das Innere erhält seinen Charakter durch die im Korbbogen gewölbte Bretterdecke, und die damit
in Verbindung gesetzten, alle Wände ausser der mittleren Ostwand einnehmenden, zum Theil zweigeschossigen
Emporen. Tab. 333 und 4 geben Ansichten von Ost und West. Die Bretterdecke bildet in der Osthälfte ein
grosses Kreuzgewölbe, welches mit gekehlten Leisten als Kreuzrippen und mit einer gedrehten Scheibe als
Sehlussstein ausgestattet ist.

Bereits vor dem Umbau von 1702 bestanden Emporen, von denen Theile der fürstlichem Loge sowie
das Gebälk der im alten westliehen Theil befindlichen unteren schmalen Emporen ihren Formen nach herrühren
müssen. Alle Theile, welche auf gedrehten Holzsäulen ruhen, gehören dem letzten Umbau an. Das Innere
dürfte vor 1702 im wesentlichen dem der Kirche zu Meerholz geglichen haben. Zur Erleuchtung dieser
umfänglichen Emporen sind grosse rechteckige Fenster und Dachgaupen angelegt worden, welch letztere
neuerdings durch flache Dachfenster ersetzt wurden.

Die Kanzel steht an der Ostwand auf einer hohen runden Säule, deren Knauf mit schönem Blatt-
werk übersponnen ist. Die achtseitige Brüstung ist an den Ecken mit zierlichen Pilastern auf hohen Sockeln
besetzt, und die dementsprechend in ein quadratisches unteres und länglich rechteckiges oberes Feld getheilten
Füllungen sind mit aufgelegtem Ornament verseilen (cf. Tab. 334) '). Sie gehört dem im folgenden nach-
gewiesenen Umbau von 1646 seq. an, und hat das alte kräftige Geländer verloren, welches durch ein elegantes
polirtes ersetzt ist.

Die Orgel steht jetzt auf der unteren Westempore, und ist 1851 von Ratzmann in Gelnhausen erbaut.
Die alte stand auf der oberen Empore und war 1702 von Christian Walter erbaut gewesen, nachdem bereits
1646 durch dessen Vater Georg Heinrieh Wagner in Lieh eine solche, die auf einer Auskragung an der
Westwand hing, vorausgegangen war (cf. Archiv zu Büdingen, Culturwesen Nr. 643). Die damals geführten
Verhandlungen ergeben, dass eine Orgel bis dahin fehlte, dass man aber „in Ansehung hiesiger Gräfl. Residentze
es für nicht unfein zu sein bedenkliet" ein Stukh oder Theil einer (seil, „ganzen") Orgel in hiesige ohn disz nunmehr
reparirte oder renovirte Kirche aufzurichten. Es liegt der (Tab. 335 reproducirte) Entwurf bei, welcher wohl
auch ausgeführt ist, und dem die damalige Disposition der Register beigeschrieben ist.

Das Gestühl hat kräftige Rückwände mit reich profilirten gedrehten Docken, leider ist es aber bereits
zum Sehaden der harmonischen Innenwirkung, zum Theil durch gothisirende, moderne leichte Bänke unter
nicht stichhaltigen Vorwänden verdrängt worden (cf. die Innenansichten).

Der Altar ist ein Tisch mit gedrehten Füssen. Auf demselben steht ein schönes Crucirix aus schwarzem
gebeiztem Holz mit vorzüglich geschnitztem Corpus aus Buxbaumholz. An dem Sockel ist ebenfalls in Buxbaum
ein feines Relief mit dem Abendmahl eingeblendet (18. Jahrhundert).

Die A11 a rgeräthe sind modern. Unter denselben befindet sich ein Becher in guten Renaissance-
formen mit Deckel auf dem ehemals ein Figürchen stand. Die Kuppe umziehen gravirte Ranken in Alde-
greverstyl mit den Rundmedaillons der Cardinaltugenden. Der Fuss ist gebuckelt. Leider erweist sich derselbe
als eine moderne Imitation unter Zusammenstellung heterogener Motive, und aus den Pfarrakten ist nicht zu
ersehen, wann und wie er in Besitz der Kirche gelangt ist. An sich wäre es wahrscheinlich, dass er mit dem
fürstlichen Taufgeräth (Tab. 328) gleichzeitig enstanden und eine Schenkung der gräflichen Familie gewesen
wäre, doch spricht die niaschinenmässige Ausführung der Buckeln, die Schraubenverbindung der obern und
untern Theile für eine moderne Entstehung, eventuell einen Umtausch bei einer Reparatur.

Die Glocken. Nach Kirchenrechnungen auf dem Gesannntarehiv zu Büdingen wurde 1661 die grosse
Glocke an Ort und Stelle unigegossen. Es ist dies

Leider ist die Kanzel auf dieser Tafel wegen Solarisation trotz, der Benutzung von [solarplatten verschleiert.
 
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