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Bickell, Ludwig [Editor]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 1): Kreis Gelnhausen: Textband — Marburg, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.13326#0223

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Wolferborn.

205

Die Pfarrkirche.

Sie war ursprünglich Filial von Hitzkirchen (Simon I, p. 85), doch erst 1506 wurde die Verpflichtung
des Pfarrers daselbst zum Messelesen in Wolferborn festgestellt (Papierurkunde v. 24./2. 1506, Archiv zuBirstein) l).
Mit der Mutterkircbe gehörte die Capelle in Wolferborn zum Archidiaconat des Stiftes Maria ad gradus in
Mainz, und das Patronat hatten 1436 nachweisbar die Grafen v. Ysenburg (Würdtwein p. 197).

Die Kirche liegt malerisch inmitten eines von alten Bäumen beschatteten ummauerten Kirchhofes, auf
einer Anhöbe am Ostende des von dem Semenbach durchflossenen Dorfes (Tab. 344), und ist ein schlichter
Bruchsteinbau mit rechteckigem Schiff und quadratischem als Thurm ausgebildetem Ober.

Das Schiff hat weder Sockel noch Dachsims, und nur noch ein altes kleines zweitheiliges Spitzbogen-
fenster mit dem aus einem Stein gehauenen .Masswerk (Tab. 346, Fig. 3) hat sich am Ostende der Nordseite
erhalten, während die an den übrigen Seiten mit den Thüren im 18. und 19. Jahrhundert rechteckig erweitert
sind. Der Eingang auf der Südseite ist inschriftlich 1712 erneuert und mit einem Schutzdach versehen.

Der Chorthurm hat im Erdgeseboss drei zweitheilige Spitzbogenfenster mit verschiedenem Mass-
werk, welches gegen die Mauerfläche nur mit einer schmalen Fase zurücktritt, aus einem Stein gehauen und
mit Fase und Plättchen profilirt ist, wie die Ansicht Tab. 344 und die Detailfigur 4, Tab. 346 erkennen lassen.

In dem mittleren Thurmgeschoss ist jederseits ein kleines gefastes Spitzbogenfensterchen, und in der
Glockenstube ein eben solches grösseres angebracht, zur Seite je zwei später eingesetzte ovale Schiessscharten.

Ein steifes (nach Arnd p. 478) 1834 erneuertes Dach schliesst den Thurm ab, trägt alter noch das
gut gezeichnete und geschmiedete mittelalterliche Thurmkreuz.

Im Innern ist das Schiff mit einer stichbogigen durch Leisten cassettirten Bretterdecke überspannt,
welche an einem Sprengwerk aufgehängt ist (Tab. 345). Das ursprüngliche Dach war nach einer Kalkleiste
am Thurm niedriger, und mit einer flachen Decke verbunden, welche erst den Emporen zu Liebe beseitigt ist.
Zu dem Thurm führte von hier aus eine Spitzbogenthüre. Es wurde dosshalb von der flachen Decke ein
schmaler Streif beibehalten, und gegen die neue mit einer Bretterwand verschalt, an welcher ein grosses Ysen-
burgisches Wappen gemalt ist.

Emporen in einfachen materialgemässen Formen umgeben, wie der Grundriss Fig. 1 Tab. 346 zeigt,
drei Seiten des Schiffes, und erinnern in ihrer Detaillirang an die der Schlosskirche zu Meerholz.

Die Kanzel ruht auf einer achtseitigen Candelabersäule, ist mit flachen den Emporenträgern ent-
sprechenden Pilastern, reichprofilirten Füllungen, Gesimsen etc. ausgestattet, und wie das originelle

Gestühl eine tüchtige Schreinerarbeit, welche der durch das Datum der Südthüre fixirten Bauperiode
um 1712 neben Empore und Decke ihre Entstehung verdankt. Der Pfarrstuhl hat das Schloss Tab. 346, 7.

Der Chor öffnet sich in einem unprofilirtem Spitzbogen ohne Kämpfer und Sockel gegen das Schiff,
und ist mit einem Netzgewölbe überdeckt, dessen hohl profilirte Hauptrippen in den Ecken verlaufen. Die
Nebenrippen wachsen aus den Kappen, und wo sie sich mit den Hauptrippen schneiden, sitzen Tarschen-
scbildchen, von denen das westliche einen Löwen mit Schindeln im Feld, das östliche die Ysenburgischen
Querbalken zeigt, die andern beiden leer sind. Das Gewölbe ist aus schieferigen Bruchsteinen hergestellt und
erheblich dick. An der Nordwand befindet sich ein

Wandtabernakel, bestehend aus einem rechteckigen Schrank mit zierlicher Gitterthüre und einer
eingeblendeten Giebelarchitektur darüber (cf. Tab. 346, 5).

Der Levitensitz unter dem Südfenster besteht in einer breiten schmucklosen mit Hohlkehle profi-
Hrten Blende.

Die Piscina ist eine kleine, schmucklose, rechteckige Nische in der Ostwand.

Der Altar ist jetzt ein Tisch aus Eichenholz mit kräftigen gedrehten durch einen Rahmen verbundenen
Küssen. Der mittelalterliche hat noch bis 1543 bestanden, wie aus einer Notiz in einer Kirchenrechnung dieses
Jahres hervorgeht: / ß. 7 tum. hat gekost ein altar in der kirchen auss einer ecke gethnne, mitten ihn die kirchen
gesetzt (Büdingen Archiv. Culturwesen Nr. 656).

Aus der Beschreibung des Baues ergibt sich, dass der Chor den darin angebrachten Wappen
nach, spätestens 1480 von Graf Ludwig IL, dessen Gemahlin Maria von Nassau, in diesem Jahre starb,
erbaut sein muss. Die verwandte Behandlung des Masswerkes gestattet auch für das Schiff dieselbe Er-
bauungszeit anzunehmen. Eine Hauptreparatur gab dann 1712 dem Innern und Aeusseren die heutige Gestalt.

>) Thudichuni p. 160 bestreitet die Filialqualität, welche durch diesen Nachweis jedoch erwiesen ist.
 
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