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Siebern, Heinrich [Hrsg.]; Brunner, Hugo [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 3): Kreis Grafschaft Schaumburg: Textband — Marburg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.15582#0100
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©©©©©©©@©©©©©©©®©©©©©©©®©©©®®®®®®©©® Fischbeck. ®®®®®®®®®®®©®®®®®®®®®®®®©©©©©©©©>©©®©

dieses Rechtes reformierte im Jahre 1484 Bischof Heinrich, ein geborener Graf von Schaumburg, im
Verein mit seinem Bruder Erich III. das Kloster und zwang ihm eine strengere, nach dem Muster des
heil. Bernhard von Clairveaux auf das weibliche Geschlecht angewendete Augustinerregel auf (Hyneck, S. 93 f. —
Heldmann, Möllenbeck, S. 68, Anm. 24). Und wenn Graf Erich sich gleichzeitig berechtigt zeigt, in die
inneren Verhältnisse des Klosters einzugreifen, so tut er dies als Inhaber der vogteilichen Rechte. Denn
daß das Stift nicht imstande gewesen ist, seine exemte Stellung im Reiche zu behaupten, darf nicht weiter
auffallen. Schon 1147 erkennt König Konrad in einem Schreiben an Herzog Heinrich von Sachsen dessen
Vogteirechte über das Kloster ausdrücklich an (Wipperm., a. a. O. Nr. 29). Im späteren Mittelalter steht die
Vogtei (wohl als braunschweigisches Lehen) den Grafen von Wunstorf zu, die im 14. Jahrhundert damit
die von Driburg weiter belehnt haben (Wipperm., Reg. 313a, S. 143). Nachdem die Grafschaft Wunstorf 1447
durch Kauf an Braunschweig-Lüneburg gekommen ist, sind sodann nach dem Aussterben der bisherigen
Lehensinhaber die Grafen von Schaumburg damit beliehen worden, daher Fischbeck bei der Teilung der
Grafschaft auch als braunschweigisches Lehen erscheint.

Seit der Mitte des 14. Jahrhunderts, vielleicht mit veranlaßt durch einen großen Brand im Jahre 1234,
gerieten die einst glänzenden Vermögensverhältnisse des Klosters in traurigen Verfall und im folgenden
herrschte nicht selten drückende Armut, derart, daß man sich genötigt sah, das Vermögen der Fischbecker
Kirche mit dem des Stiftes zu vereinigen, damit die Konventualinnen nur notdürftig zu leben hätten (1469).
Seit dieser Zeit hat die Kirche zu Fischbeck kein eigenes Vermögen mehr, sondern releviert ganz vom
Stift (Hyneck, S. 91).

Wir sahen schon oben, daß Graf Erich III. sich an der Reformation des Klosters beteiligt hatte.
Daß einer seiner Nachfolger, Graf Jobst, im Jahre 1527 auch die geistlichen Stifter seines Gebietes zur
Zahlung einer außerordentlichen Landessteuer heranzog, womit er die Schulden seiner Vorgänger zu tilgen
gedachte, beweist das Erstarken der territorialen Gewalt (ebd., S. 97).

Der Übertritt des Grafen Otto IV. zur Lehre Luthers hatte daher auch den Anschluß der geist-
lichen Stifter im Gefolge, so sehr sich ihre Insassen bis dahin dagegen gesträubt hatten. Am Pfingst-
fest 1559 wurde in der Kirche zu Fischbeck zum ersten Male der lutherische Gottesdienst abgehalten.

Allein die Säkularisation der beiden schaumburgischen Damenstifter Fischbeck und Obernkirchen,
die wohl in des Grafen Absicht gelegen haben mag, scheiterte an dem Widerstand des Adels, für dessen
ledige und unversorgte Töchter beide von altersher Versorgungs- und Zufluchtsstätten gewesen waren. So
wurde Fischbeck in ein frei-weltliches adeliges Fräuleinstift verwandelt. In einer Urkunde von 1566 mußte
der Graf seinen Ständen versprechen, daß er die Güter der beiden Klöster nicht einziehen wolle, wogegen
dem Konvente selbst eine bestimmte Zahl von Konventualinnen festgesetzt wurde (ebd., S. 105 ff. —
Piderit, S. 108 f.), der seitdem aus einer Äbtissin, einer Seniorin und zwölf Kapitularinnen besteht. Die
Rechte des Landesherrn und die Freiheiten des Stifts wurden, nachdem Otto 1573 in einem Vertrag mit
Herzog Erich d. J. von Braunschweig versprochen hatte, die damals Wunstorfschen Pfandschaften, und
darunter die Vogtei Fischbeck, nicht einzuziehen (Piderit, S. 109 f.), später noch (1602) durch einen Vergleich
mit dem Grafen Ernst; die Rechte der Konventualinnen gegenüber der Äbtissin durch ein Urteil des
Casseler Oberappellationsgerichts von 1770 festgesetzt und geregelt. Durch jenen Vergleich erhielt das
Stift auch die Befugnis, auf den schaumburgischen Landtagen als Mitglied der Prälaten durch seinen
Amtmann vertreten zu sein (Wipperm., Reg. 524, S. 249. — Bach, S. 498).

Große Drangsale brachte der Dreißigjährige Krieg, als im Jahre 1625 sich Tillys Horden aus
Westfalen an die Weser zogen. Das ganze Wesertal von Höxter bis Minden wurde der Tummelplatz der
scheußlichsten Zuchtlosigkeit, und der 30. Juli für das Stift einer der größten Trauertage (Hyneck, S. 112).
Stift und Kirche wurden gänzlich ausgeraubt, was nicht mitzunehmen war, vernichtet und zerstört. Vom
Altar in der Kirche war nichts übrig als das nackte Gestein, alle heiligen Gefäße, darunter ein großer Kelch
aus gediegenem Gold, wurden geraubt. Die Äbtissin Agnes von Mandelslo, welche heldenmütig, was noch
übrig und in einem Nebengebäude der Abtei verborgen war, zu retten suchte und sich den Plünderern
in den Weg stellte, wurde ohne Gnade niedergehauen. Mit verstümmelten Gliedern und von Wunden
bedeckt rettete man die tapfere Frau noch nach Oldendorf, wo sie aber am 3. September infolge der
erhaltenen Wunden starb.

Unter diesen Greueln zerstreuten sich die Konventualinnen; das Stift lag öde und leer, und auch
im Dorf räumte der Tod furchtbar auf.

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