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Siebern, Heinrich [Hrsg.]; Brunner, Hugo [Hrsg.]
Die Bau- und Kunstdenkmäler im Regierungsbezirk Cassel (Band 3): Kreis Grafschaft Schaumburg: Textband — Marburg, 1907

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https://doi.org/10.11588/diglit.15582#0142
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Hattendorf.

Hattendorf, bei Eberhard von Fulda (1150—1168) Hadandorpe, später (1339 und 1361) Haddendorp, von Geschichte,
einem Personennamen herzuleiten (Arnold S. 378). Der Ort war Malstatt für die später sog.
Hattendorfer Vogtei. Bereits im Jahre 1339 findet eine Gerichtsverhandlung statt in cimiterio
ecclesie in Haddendorpe, wobei Graf Adolf von Holstein und Schauenburg den Vorsitz führt (Wippermann,
U.-B. von Obernkirchen S. 130 Nr. 237. Holscher, Westf. Ztschr. Bd. 33, S. 169). Damals wird die
Kirche zuerst genannt.

Schweres Schicksal hatte das Dorf im Dreißigjährigen Kriege. Am 11. Oktober 1642 erschien der
französische General Graf Gabriau mit 20000 Mann weimarischer und hessischer Völker bei Rinteln an der
Weser und quartierte sich zunächst in der Lachemer und Exter Vogtei, dann, nachdem er am 15. Oktober
bei Oldendorf durch die Weser gegangen war, in der Fischbecker Vogtei ein. Es wurde in der üblichen
Weise gebrannt und geraubt, und am 16. Oktober ging auch Hattendorf zusamt der Kirche in Flammen auf.
Am folgenden Tage rückten die Bedränger, nachdem sie, wie der Chronist sagt, die Leute im Amt Schomborg
bettelarm gemacht, in der Richtung auf Lauenau ab (Dolle, Bibl. Schb. I S. 43).

Die Kirche wurde 1647') mit Hülfe einer im Auslande gesammelten Kollekte wiederhergestellt.
1823 sind die Dächer erneuert (Bach, S. 485).

Die bereits oben genannte Hattendorfer Vogtei, 23 Ortschaften und 8 Höfe in sich begreifend,
wurde, nachdem sie im Jahre 1817 vom Amt Schaumburg getrennt und zu Obernkirchen geschlagen war,
durch die Neuorganisation der kurhessischen Staatsverwaltung vom Jahre 1821 aufgelöst und das Dorf,
das gegenwärtig 425 Einwohner zählt, mit dem Amt Obernkirchen verbunden, zu dessen Gericht und
Metropolitanatsprengel es heute noch gehört. Auf der einstigen Bedeutung des Ortes als Malstätte eines
Untergerichts mag der Besitz zweier Märkte beruhen, deren er sich bis auf diesen Tag erfreut.

Die Kirche besteht aus mehreren zu verschiedenen Zeiten aufgeführten Bauteilen. Von derBeschreibung.
ursprünglich romanischen, wahrscheinlich kreuzförmigen Anlage ist nur noch das nördliche Kreuzschiff T^e!^6'
erhalten. Der Westturm stammt aus frühgotischer Zeit, während das zweischiffige Langhaus, der Chor "nd ™"
und die Sakristei erst Anfang des 16. Jahrhunderts entstanden sind.

Der Westturm von rechteckigem Grundriß ist im unteren Geschoß mit einem rippenlosen Kreuz-
gewölbe überdeckt, das wie der breite, nach dem Schiff sich öffnende Gurt Spitzbogenform aufweist. Eine
Wendeltreppe, über dem Gurt mit geradem Lauf endigend, führt zu den oberen Geschossen empor. Die
spitzbogige Eingangstür liegt auf der Südseite. Die Leibung ist einmal rechteckig zurückgesetzt und in den
Kanten durch eine Kehle gebrochen. Das an der Nordseite sichtbare Sockelgesims ist als Ablauf gebildet;
die schmucklosen, aus mäßig großen Quadern aufgeführten Wandflächen werden durch ein Hohlkehlgesims
gegliedert, das unterhalb der zweiteiligen Schallöffnungen eingefügt ist. Auch in der Ostwand ist diese Tafei 69.
Öffnung erhalten; sie wird aber durch das gegenstoßende Dach des Schiffes verdeckt, ein Beweis, daß das
letztere in der jetzigen Form später entstanden sein muß, und ferner, daß der Turm bei dem 1642 ge-
meldeten Brande selbst im oberen Geschoß bestehen geblieben ist, wenn auch sämtliches Holzwerk ein
Raub der Flammen geworden und die Glocken geschmolzen sind (vgl. Inschrift der großen Glocke). Dabei
hat der Turm allerdings stark gelitten, so daß die Wände durch eingezogene starke Anker gegen Aus-
weichen gesichert werden mußten. Die hohen Giebel des quergelegten Satteldaches tragen auf der Spitze

l) Nicht erst 1677, wie Mooyer, Krl. Eint. S. 32, berichtet; dagegen spricht die Inschrift der großen Glocke.
 
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