HERCULES SEGERS
Unter den Pfadfindern der modernen Landschaftsmalerei steht ein Künstler mit
in vorderster Reihe, der bis vor kurzem in der Geschichte der holländischen
Kunst nur als prägnantes Beispiel für das Sprichwort „Kunst geht nach Brot"
genannt zu werden pflegte; sollte der Arme doch bei seiner Malerei schließlich
verhungert sein! Bilder von diesem Künstler, Hercules Segers, wußte man nicht
zu nennen, und seine äußerst seltenen Radierungen waren fast vergessen. Auf
diese ganz eigenartigen farbig gedruckten Stichelblätter ist die Aufmerksamkeit
wieder gelenkt worden, seitdem das Werk des Meisters aus einem Klebebande
der Akademie zu Amsterdam in das Rijksmuseum überführt worden ist und auf
Versteigerungen für einzelne Blätter Preise wie für Rembrandtsche Radierungen
bezahlt worden sind. Auch an Gemälden des Künstlers fehlt es nicht, aber sie
waren unter fremden Namen versteckt.
Der neueren holländischen Urkundenforschung verdanken wir für das Leben
dieses Künstlers die spärlichen Umrisse. Hercules Segers, der nach seinem Vater
Pieter Segers auch Hercules Pietersz genannt wird, wurde 1590 geboren, wahrschein-
lich in Haarlem. Doch finden wir ihn schon als Knaben in Amsterdam; hier kam
er früh zu Gilles van Coninxloo in die Lehre. Bei dessen Tode 1606 scheint er noch
bei ihm gewesen zu sein, da sein Vater noch Lehrgeld an Coninxloo schuldete. Wir
begegnen Hercules als selbständigem Künstler zuerst 1612, wo er Mitglied der Gilde
in Haarlem war. Bald darauf ging er wieder nach Amsterdam. Hier wurde er am
27. Dezember 1614 mit der vierzigjährigen Anneken van der Brüggen aus Ant-
werpen getraut, die seit dreizehn Jahren in Amsterdam ansässig war. In seinem
Hause wird eine natürliche Tochter mit erzogen. Bis 1629 ist er in Amsterdam an-
sässig, wie die Urkunden mehrfach bezeugen. Im Jahre 1631 wird er in Utrecht
erwähnt, und 1633 finden wir ihn im Haag, von wo er bald darauf wieder nach
Amsterdam zurückgekehrt zu sein scheint, da ihn der Amsterdamer Samuel van
Hoogstraten „in zijne groene Jaaren" noch kannte. Da dieser 1627 geboren wurde,
so dürfen wir Segers' Todesjahr etwa um das Jahr 1640 setzen.
Die Urkunden, die ihn betreffen, bestehen fast zur Hälfte aus Schuldbekennt-
nissen. Sie bestätigen also die Aussagen der holländischen Künstlerbiographen, nach
denen der Künstler dauernd mit Not zu kämpfen hatte; aber daß er am Hungertuche
genagt haben soll, daß er zum Druck seiner Platten seine Hemden und das Leinen-
zeug seiner Frau hätte verwenden müssen, diese Angaben scheinen doch zu jenen
Übertreibungen zu gehören, mit denen Houbraken und seine Nachschreiber ihre
Erzählungen auszuschmücken liebten.
Auf dem Wege zur Auffindung der Gemälde von Segers müssen seine Ra-
dierungen unsere steten Begleiter sein. Nur wenn wir ihre Eigenart uns völlig ein-
geprägt haben, werden wir imstande sein, unter den Landschaftsbildern, die bald
Rembrandt, bald Ruisdael, van Goyen und anderen Künstlern zugeschrieben werden,
allmählich eine kleine Zahl von Werken für unseren Meister zu sichern. Segers'
Radierwerk ist beträchtlich; allein das Amsterdamer Kabinett besitzt fünfzig ver-
schiedene Blätter von ihm; im ganzen sind deren bis jetzt fast sechzig bekannt, viele
darunter — soweit sie überhaupt in mehreren Abdrücken vorhanden sind — fast
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Unter den Pfadfindern der modernen Landschaftsmalerei steht ein Künstler mit
in vorderster Reihe, der bis vor kurzem in der Geschichte der holländischen
Kunst nur als prägnantes Beispiel für das Sprichwort „Kunst geht nach Brot"
genannt zu werden pflegte; sollte der Arme doch bei seiner Malerei schließlich
verhungert sein! Bilder von diesem Künstler, Hercules Segers, wußte man nicht
zu nennen, und seine äußerst seltenen Radierungen waren fast vergessen. Auf
diese ganz eigenartigen farbig gedruckten Stichelblätter ist die Aufmerksamkeit
wieder gelenkt worden, seitdem das Werk des Meisters aus einem Klebebande
der Akademie zu Amsterdam in das Rijksmuseum überführt worden ist und auf
Versteigerungen für einzelne Blätter Preise wie für Rembrandtsche Radierungen
bezahlt worden sind. Auch an Gemälden des Künstlers fehlt es nicht, aber sie
waren unter fremden Namen versteckt.
Der neueren holländischen Urkundenforschung verdanken wir für das Leben
dieses Künstlers die spärlichen Umrisse. Hercules Segers, der nach seinem Vater
Pieter Segers auch Hercules Pietersz genannt wird, wurde 1590 geboren, wahrschein-
lich in Haarlem. Doch finden wir ihn schon als Knaben in Amsterdam; hier kam
er früh zu Gilles van Coninxloo in die Lehre. Bei dessen Tode 1606 scheint er noch
bei ihm gewesen zu sein, da sein Vater noch Lehrgeld an Coninxloo schuldete. Wir
begegnen Hercules als selbständigem Künstler zuerst 1612, wo er Mitglied der Gilde
in Haarlem war. Bald darauf ging er wieder nach Amsterdam. Hier wurde er am
27. Dezember 1614 mit der vierzigjährigen Anneken van der Brüggen aus Ant-
werpen getraut, die seit dreizehn Jahren in Amsterdam ansässig war. In seinem
Hause wird eine natürliche Tochter mit erzogen. Bis 1629 ist er in Amsterdam an-
sässig, wie die Urkunden mehrfach bezeugen. Im Jahre 1631 wird er in Utrecht
erwähnt, und 1633 finden wir ihn im Haag, von wo er bald darauf wieder nach
Amsterdam zurückgekehrt zu sein scheint, da ihn der Amsterdamer Samuel van
Hoogstraten „in zijne groene Jaaren" noch kannte. Da dieser 1627 geboren wurde,
so dürfen wir Segers' Todesjahr etwa um das Jahr 1640 setzen.
Die Urkunden, die ihn betreffen, bestehen fast zur Hälfte aus Schuldbekennt-
nissen. Sie bestätigen also die Aussagen der holländischen Künstlerbiographen, nach
denen der Künstler dauernd mit Not zu kämpfen hatte; aber daß er am Hungertuche
genagt haben soll, daß er zum Druck seiner Platten seine Hemden und das Leinen-
zeug seiner Frau hätte verwenden müssen, diese Angaben scheinen doch zu jenen
Übertreibungen zu gehören, mit denen Houbraken und seine Nachschreiber ihre
Erzählungen auszuschmücken liebten.
Auf dem Wege zur Auffindung der Gemälde von Segers müssen seine Ra-
dierungen unsere steten Begleiter sein. Nur wenn wir ihre Eigenart uns völlig ein-
geprägt haben, werden wir imstande sein, unter den Landschaftsbildern, die bald
Rembrandt, bald Ruisdael, van Goyen und anderen Künstlern zugeschrieben werden,
allmählich eine kleine Zahl von Werken für unseren Meister zu sichern. Segers'
Radierwerk ist beträchtlich; allein das Amsterdamer Kabinett besitzt fünfzig ver-
schiedene Blätter von ihm; im ganzen sind deren bis jetzt fast sechzig bekannt, viele
darunter — soweit sie überhaupt in mehreren Abdrücken vorhanden sind — fast
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