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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Hrsg.]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0235

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W5

und Einsalben, um sich dadurch in dem Zns|andc der völligen Nacktheit
gegen die Angriffe des Klimas und der Insekten zu bewahren. Aber
bald mischt sich die Putzsucht in's Spiel, die den Wilden am Oro-
noko oft eben so viele Stunden unterhält *) als den ihm an Gei-
stesschwache so ähnlichen Elegant im Palais Royal. Diese lehrt
nun, jene Salben und Schmieren künstlicher aufzutragen, sie mit
abstechenden und grellen Farben zu vermischen und in seltsam
verschlungenen Irrwegen über die braungelbe, olivcnfurheuc oder
kupf'errolhe Haut zu ziehen. Diefs wäre die zweite Stufe. Be-
quemlichkeit und kriegerische Galanterie lassen bald auf Mittel den-
ken, diese Hantgemäldc dauerhafter und unauslöschlicher zu machen.
Hier wäre also der Ursprung- aller jener schmcrzhaftkünsllichcu
Operationen, des Punclircus, Einschneidens, Tättowireus, Matachi-
rens und wie die Kunstgriffe sonst heifsen mögen, die uns in dem
mit fürchterlichen Spirallinien durchfurchten Gesicht des Neuseelän-
ders oder der zerfetzten Larve eines Abiponcrs auch noch in den
•verschönernden Kupferstichen an den Ausruf jener englischen Dame
erinnern: sind das deine Bastarde, Mutter Natur! Meine Absicht
ist jetzt nicht, meinen Lesern eine Prozession solcher verstümmel-
ter und veiunehrter Menschengesiehtcr vorzuführen. Man ist nicht
immer aufgelegt, eine Versuchung des heiligen Antonius lauge zu
betrachten, und wäre sie auch das Meisterstück eines Calot; und
man könnte selbst bei der befsten Disposition zu einem Masken-
ball die Faschingsmummerei, die uns die Natur hier an ihren Söh-
nen zubereitet hat, verdriefslich und langweilig finden. Ich bleibe
also für jetzt nur bei der Frage stehen: war die Sitte, Gesicht
und Körper mit allerlei Farben anzumalen, auch unter den Völkern des
Ältcrthums gewöhnlich, und, wenn sie diefs, wie sich's in voraus
vcrnuilhen und auch durch ein sehr weitläufiges Zeugenverhör alter
römischer und griechischer Schriftsteller darthun liefse, wirklich
war**), lassen sich nicht in den historischen Ueberlieferungeu und

Gumilla, Histoire de l'Oronocme Tom. I. 191. „Bei mehrern
Stämmen dieser Indianer lassen sich diu Männer stundenlang von
ihren Weihern malen und einsalben. So lange der ganze Körper
noch nicht gemalt ist, geht der Indianer nicht aus seiner Hütte und
entschuldigt sich damit, dafs er noch nicht angekleidet sei." Diese
Galanterie erstreckt sich bei Einigen, wie Robinson S. 426 aus
dem Herrera anmerkt, bis auf Taschenspiegel aus polirten Stei-
nen, die sie bei sich lierumtragen. Tout comme chez nous.
Die Sitte, sich zu bemalen und zu punetiren, war mehr oder we-
niger alten alten Völkern in ihrem frühesten Zustande gemein.
Der gelehrte Cluver glaubt daher gar, die Sitte müsse schon vor
dem Babylonischen Thurmbau da gewesen und bei der Völkerzer-
slroumig in alle Welt auch nach Amerika mit ausgewandert sein.
 
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