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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0237

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107

scr Insel gewesen sind; so entstellt natürlich die Frage: woher die
so einstimmige Sage von ihrer Monstrosität, woher das Mährchen
von dem einzigen runden Auge auf der Stirue, womit sie die Fa-
hel so freigebig ausrüstet 1 Es ist sonderbar, dafs Homer eigent-
lich nie in jener Erzählung von den Cyclopen und dem Riesen
Polyphem ausdrücklich sagt, sie hätten nur ein einziges Auge ge-
habt, sondern diefs nur aus dem Zusammenhange der Geschichte
schliefseu läfst *) und eben dadurch zu verstehen triebt, es sei
diefs eine zn seiner Zeit schon allgemein angenommene und be-
glaubigte Sage gewesen. , Man kann diefs also nicht als einen
lilosen Einfall des ionischen Sängers betrachten, womit er die.
Karrikatur des unförmlichen Unholds nur habe vollenden wollen **).
Dio ganze Beschreibung der Cyclopen und des Hirlenlebens Acs,
Polyphem ist so getreu nach der Natur kopirt, dafs wir sie un-
miiglich farbloses Phantasiewerk halten können***). Und so mufs
auch das einzige grofse Auge seinen Grund in der Natur gehabt
haben. Auch hierzu mnfste der Dichter in den Erzählungen phii-
nizischer Seefahrer und irrender Abenteurer, deren Aussagen er
offenbar seine ganze West weit nachgebildet hat, eine Veranlassung
finden. Wie nun, wenn Homer wirklich von einem solchen Auge
auf der Stirn gehört hätte, und diefs nichts Anderes als ein ge-
maltes gewesen wäre'? Oder wäre die Vermuthung so unwahr-
scheinlich, dafs sich die rohen, nackten Küstenbewohner Sicilieus
eben so wie ihre Halbbrüder, die vorgeblichen Riesen in Patago-
nien oder die Abiponer und Neuseeländer, noch heut' zu Tage f)

*5 Odyss. IX, 333.

**) Homer wollte durch das eine Auge des Cyclopen weder eine bur-
leske Häßlichkeit zeichnen, noch einen moralischen Satz allegori-
siren. Selbst der häfsliche Thersites ist nach der Absicht des
Dichters nicht lächerliche Karrikatur. Diefs sagte schon. Lessing,
und es ist neuerlich mehrmals wiederholt worden. Nicht einmal
die weit häfslichere Schilderung beim TheokritXI, 30 darf so er-
klärt werden. S. Hindenburg's treffende Bemerkungen im tentschen
Museum 1779, II, 254 ff. Die moralische Brühe, die z. B. Har-
duin zum Pliiüus T. I. y. 370 sehr reichlich darüber giefst, ist
vollends ganz nngeniefsbar.

***) Dalier auch Plato die Homerischen Cyclopen zur Erläuterung sei-
ner Hypothese von den verschiedenen Stufen der menschlichen
Kultur nach der Deukalionischen Fluth aufstellte. Man sehe die
merkwürdige Stelle beim Strabo XIII. p. 88S B. D. Vergleiche
Goguet, über den Ursprung der Gesetze, Thl. I. S. XXII. der
Vorrede.'
f) Von den Tehuelhets oder Patagonen heifst es in Th. Falkner's
Beschreibung von Patagonien Kap. V. S. 160.: „Sie malen ihre
 
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