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Böttiger, Carl August; Sillig, Julius [Editor]
C. A. Böttiger's kleine Schriften archäologischen und antiquarischen Inhalts (Band 1) — Dresden, Leipzig, 1837

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https://doi.org/10.11588/diglit.5484#0341

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271

Furien, und als gewandte, ihrer Beute nie verfehlende Springerin-
nen , als Jägerinnen, die den Mörder stets auf seiner blutigen
Fährte verfolgen und, in gewaltiger Hetze ihm nachkeuchend, sicher
ergreifen, umschlingen und aussaugen, führt sie auch Aeschylus
an vielen Stellen seines grausenden Trauerspiels ein. Die Furcht-
baren bedürfen keiner kunstreicheren Beflügeln ng. Auf ihren
Schwungsohlen durchschneiden sie mit Götterschnelle unevmefsliche 137,
Räume über Land und Meer. Im schnellbrausenden Ansprung er-
blicken wir auch unsere Furie, und erinnern uns dabei noch ein-
mal an die Schreckensworte in unserem Aeschylus (V, 357.)

Furchtbar ans den Höhen stürmend,
Tret' ich mit des Fufses Lasten
Nieder, dem enteilenden Verbrecher
Sturz bereitend, namenlose Qual!

Endlich schwingt sie statt jener Drachen und Fackelbewaffnung
der übrigen Tragiker nur einen langen eschenen Stecken oder
Stab und vergegenwärtigt uns durch diese strafende Geberde nicht
nur jenes Bildwerk auf dem Kasten des Cypselus, wo die rächen-
de Dike sich des Steckens zur Züchtigung der Adikia oder der
Bosheit bedient, sondern erscheint uns auch schon durch diese
symbolische Handlung in jenem gewaltigen Zuchteifer, der spätere
Dichter veranlagte, sie gar zu wirklichen Henkerinnen in der Un-
terwelt umzuschafi'en. In diesem Aufzuge liefs Aeschylus die zür-
nenden Gestalten der Erinnyien erscheinen. Man denke sich fünf-
zig dergleichen Unholdinnen einen Kettentanz um den geängste-
ten Muttermörder knüpfend mit den erschütternden Drohungen,
die ihnen Aeschylus während dieses Reigen in den Mund legte,
und man wird wenigstens durch eine leise Anwandlung des
Schreckens sich berührt fühlen, der einst das ganze Athenische
Volk bei der ersten Aufführung dieses Stückes ergriilen haben
soll.

Doch nicht immer betraten so gestaltete Erinnyien die Bühne 138.
des Athenischen Theaters. Nacli dem Zeitalter des Pericles und
Phidias mufsten auch hierüber andere Vorstellungsarten in Um-
lauf kommen. Der verfeinerte Geschmack verwarf die gräfslichen
Yerbildungen selbst auf der tragischen Scene. Zum Glück haben
uns die Zeichnungen auf alten griechischen Vasen, denen wir so
viele küstliche Üeberreste aus der blühendsten Periode der grie-
chischen Kunst verdanken, auch noch die ganze Scenerei der Eu-
meniden oder wenigstens eines sehr verwandten Stückes aufbe-
wahrt. Da ist die Furie mit allem Prunke' des tragischen Ko-
stüms, ohne alle Beimischung körperlicher Häfslichkeit, herrlich
aufgeschmückt. Durch Schlangen und Fackeln, ihre unzertrenn-
lichen Begleiter, auch dem ungeübteren Auge erkennbar, zeigt sie
ihre Schrecknisse mehr durch die Handlung als durch körperliche
 
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