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Bohde, Daniela; Vecellio, Tiziano [Ill.]
Haut, Fleisch und Farbe: Körperlichkeit und Materialität in den Gemälden Tizians — Emsdetten, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.23216#0183
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SEXUELLE GEWALT ALS BILDTHEMA

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ben und versucht mit dem linken, Distanz zwischen sich und den
Angreifer zu bringen, den sie als Freund des Hauses kennt. Er ist
bekleidet und bewaffnet, sie ist nackt und wehrlos.

Die Geschichte Lucretias ist von Beginn an mit zwei Themen
verbunden, der Gründung der römischen Republik und der Keusch-
heit des Vergewaltigungsopfers.436 Livius erzählt sie in «Ab Urbe con-
dita», seiner Geschichte Roms: Tarquinius Collatinus pries während
eines Zechgelages mit den Söhnen des Etruskerkönigs Tarquinius
Superbus seine Gattin Lucretia als die Tugendhafteste aller Ehe-
frauen. Zur Probe suchte man sie und die anderen Frauen unerwartet
in der Nacht auf. Während die Gattinnen der Königssöhne in wenig
vorteilhaften Situationen angetroffen wurden, fand man Lucretia
spät in der Nacht bei der Hausarbeit. Sie bewirtete ihren Ehemann
und seine Begleiter freundlich und wurde von allen als vorbildliche
Ehefrau anerkannt. Neben ihrer Schönheit war es gerade ihre bewie-
sene Keuschheit, die sie für den Königssohn Sextus Tarquinius
begehrenswert machte.

So kam er einige Tage später erneut zum Haus Lucretias und
erbat sich Obdach für die Nacht, schlich sich dann aber in das Schlaf-
zimmer der Matrone und bedrohte sie mit dem Schwert. Weder durch
Bitten konnte er sie bezwingen noch durch die Drohung sie um-
zubringen, aber dadurch, daß er ankündigte, außer ihr noch einen
Sklaven zu töten. Diesen wollte er zu ihr ins Bett legen, damit es so
aussehe, als ob Tarquinius die beiden beim Ehebruch erwischt und
deshalb getötet habe. Diesem Angriff auf ihre Ehre und die ihrer
Familie konnte Lucretia nicht standhalten. Am nächsten Morgen rief
sie Vater und Gatten herbei, um zu berichten, was geschehen war.
Diese erklärten Lucretia für unschuldig, doch sie selbst wollte ihre
Unschuld durch den Tod beweisen und erstach sich im Beisein der
Familie. Der ebenfalls anwesende Brutus entschloß sich daraufhin
zur Rache und schwor, daß kein König mehr Rom beherrsche. Mit
Brutus als Anführer wurden daraufhin die Etrusker aus Rom ver-
trieben.
 
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