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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 3/4
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Reuter, Adolf: Schloß Pyrmont
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Reuter, Adolf: Corvey
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0057
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Schloß Pyrmont.
Von Or. Adolf Reuter.
n den von Waffenlärm erfüllten Zeiten Heinrichs des Löwen sicherte der Erzbischof von Köln sein west-
falisches Herzogtum und die ehemalige, von der oberen Weser und teilweise vom Rhein kommende,
durch das Emmertal weit über Hameln hinaus nach Norden führende Heerstraße gegen den ebenso
unruhigen wie leidenschaftlichen Grenznachbar durch Anlage einer Burg auf dem Schellenberg. Burg
und Berg erhielten zu Ehren des heiligen Petrus den Namen Petrimons, das mit der Burg belehnte
Grafengeschlecht hieß fortan von Peremont und übertrug diesen Namen ans die zu Füßen der Burg Peremont liegende
Landschaft. Nach dem Verfall der Feste Schell-Peremont, dessen Ursache unbekannt ist, zog sich die gräflich pyrmon-
tische Familie nach Lügde zurück. In der dortigen St. Kilianskirche liegt der. letzte Gras von Pyrmont, Moritz, ge-
storben 1494, neben seiner Gemahlin Margarete, einer geborenen Gräfin von Nassau, begraben. Die Herrschaft
Pyrmont kommt jetzt an das Geschlecht der bald aussterbenden Grafei: von Spiegelberg.
In der Kathedrale zu Cambrai in Nordfrankreich schläft Philipp, der letzte lebensfrohe Sproß der Spiegel-
berger Grafen, den Schlaf der Ewigkeit. „Anno 1557, um die Fasten, fieng Graf Philipp an das neue Schloß-
Gebaeu zu Pyrmont, zog aber zu der Zeit mit 16 Pferden und 2 Wagen zu Hülfe den: König von Hispanien
wider den Frantzosen auf Begehren Hertzog Erichs von Braunschweig, der also mit eigener Hand schrieb:
Lieber Her Philipp, bleibet nicht aus, oder Gnade und Freundschaft soll aus sein. — In selbigem Kriege wurde
Gras Philipp vor St. Quentin anno 1557 erschossen den 10. August, im 24. Jahre seines Alters zu Cnmmerich
in der Domkirche mit Schild und Helm begraben, der letzte Graf vom Geschlechts Spiegelberg, ließ nach sich
drei Schwestern..."
Ein Spiegelberger Graf erbaute in: Jahre 1526 das erste Pyrmonter Schloß, mit seiner breiten Grast und
den hohen Wällen eine rechte Wasserburg, vielleicht nach holländischem Vorbild angelegt, wie viele derartige Bauten
in Westfalen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts mußte es einem Neubau weichen. Dieser enthält sehenswerte Ge-
mälde von Tischbein. Von der ursprünglichen Anlage des 16. Jahrhunderts blieb erhalten der breite Schloßgraben,
die Grast und der mit hohen prächtigen Linden und Kastanien besetzte Wall. Besonders merkwürdig ist eine alte
Linde von sieben Meter Umfang, deren gewaltige, bis zun: Boden herabreichende Äste durch Ketten zusammenge-
halten werden. Im Dreißigjährigen Kriege wurde das Schloß wiederholt belagert.
Auf einem alten Bild sehen wir das Schloß, rechts daneben den heiligen Anger. Sein Name stammt aus der
alten Zeit, als man den hier geheimnisvoll zutage rauschenden heilkräftigen Quellen, dem Heiligen Born und den:
Brodelborn, noch gläubig, mit frommen Schauern in der Brust, sich nahte. Zur Rechten neben den: heiligen Anger
läuft die berühmte Hauptallee. Peter der Große, der Große Kurfürst, Friedrich der Große, die Königin Luise, un-
gefähr alle europäischen Berühmtheiten sind irgendeinmal hier auf- und abgewandelt, auch der große Goethe.
Es zog den Nachdenklichen freilich mehr abseits, nach Lügde, zum malerischen Franzisknnerkloster, zur alten Kilians-
kirche.
Die neue Zeit hat manches hineingezeichnet in jenes alte Bild. Pergolen, ein Rosen- und Palmengarten
umgeben die alten Graften. Wie ein bunter Blumenstrauß schwimmt mit ihren Blumen und Bäumen die Schloß-
insel auf den: die Himmelsbläue, die weißen Wolkentürme spiegelnden Wasserring, schön, wie sie in unseren Tagen
Friedrich Adolf Hermann, der letzte regierende Fürst zu Waldeck und Pyrmont, verlassen hat, wehmütig lächelnd,
träumend von harmlos-lieblicher Vergangenheit, von den herrschenden Geschlechtern, die kamen und gingen, den
Grafen von Spiegelberg, von der Lippe, von Gleichen.


Corvey.
Von Or. Adolf Reuter.
orvey sagt uns heute mehr als noch vor wenigen Jahrzehnten. Friedrich Wilhelm Weber, der Dreizehn-
linden-Dichter, hat es uns verstehen, der Maler Hoffmann-Fallersleben es uns sehen gelehrt. Wir
sehen es anders als unsere Väter. Früher hatte man nur den flüchtigen Blick, das Wandelbild von
der Eisenbahn aus, und da zeigte die alte, ehrwürdige, gefürstete Abtei sich nicht von der besten Seite.
Stallungen, Wirtschaftsränme des Gutshofes Corvey verbauten die Aussicht auf Schloß, Kirche und
Klosteranlagen. Mürrisch, verdrossen schlief alles in brütendem Sonnenlicht. Man hörte vielleicht eine Frage, hin-
geworfene Bemerkungen eines kundigen Reisenden, das war alles, und weiter eilte der Zug.
Heute ist es anders. Man sieht vom Weserdampfer aus weithin schon die altersgrauen Türme, die stolze Front
des Schlosses aus dem Grün breitästiger Linden und Eschen hervorlugen, eine feine Silhouette, zart hingehaucht
über grünen Wiesen und glänzenden: Weserspiegel, kräftig umrahmt voi: endlosen Bergwäldern. Nachdenklich durch-
wandern wir, von Höxter kommend, die schöne Kastanienallee, welche die Stadt mit der alten Klosteranlage verbindet.
 
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