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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 3/4
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Reuter, Adolf: Corvey
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Reuter, Adolf: Fürstenberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0059
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35

Grabplatten gemei-
ßelt. Eine Treppe
höher läuft in gerader
Linie durch die ganze
nach Osten gelegene
Langseite des Sch loß-
vierecks der Bilder-
gang. Hier hängen
die lebensgroßen Bil-
der der 65 Corveyer
Äbte. Wo sind sie
hin? Ihr Blut ver-
rann im Sande. Ge-
blüht, verblüht, ver-
dorrt! Und doch, ein
geistiges Band hielt
sie alle zusammen,
Kämpfer sanken da-
hin, andere sprangen
in die Bresche. Und
wenn das bleiche
Mondenlicht an den
fahlen Gesichtern
saugt, da werden sie
lebendig, sie steigen
heraus aus ihren
Rahmen und ordnen sich zum feierlichen Umzug. Bibelweisheit vernimmt das Ohr und Wodansworte, Sturm-
läuten, Todesseufzer, kroatisches Fluchen, schwedischen Kommandoruf, frech-französische Scherzworte. Alles muß
schweigen: feierlicher Hymnengesang schwebt leise, wie von fern her durch den Raum, und das Blut der ältesten
Zeugen siehst du rinnen.
Corvey scheint eine Wiedergeburt zu erleben. Es wird schön und schöner, je mehr wir uns darein vertiefen.
Der bestrickend schwermütige Reiz des Gewesenen nimmt Seele und Sinn gefangen. Corvey träumt von längst
vergangenen großen Zeiten in mondbeglänzter Zaubernncht.

Fürstenberg.
Von Or. Adolf Reuter.
e Burg Fürstenberg ist nicht lange vor 1350 von dem Herzog von Göttingen erbaut zur Sicherung seines
durch Kauf erworbenen Sollinggebietes gegen Corvey und Höxter. Im 15. Jahrhundert wurde die
Veste Fürstenberg Besitztum des Hauses Braunschweig. 1529 kamen hier Philipp von Hessen, Ulrich
von Württemberg und Heinrich der Jüngere von Braunschweig (Lips, Utz, Heinz) zusammen, um
sich über die Wiedereinsetzung des von seinen Ständen vertriebenen Herzogs Ulrich in die Württem-
bergischen Lande zu beraten. Einige Jahre später, als der Landgraf Philipp gegen Heinrich die Waffe ergriff, ging
die Burg in Flammen auf, die später wieder hergestellten Gebäude dienten nun den braunschweigischen Herzögen
als Jagdschloß. Im Jahre 1747 verfügte Herzog Karl I. von Braunschweig die Anlage einer Porzellanfabrik in de):
Räumen des Jagdschlosses. Es war die Zeit, als die Erfolge der Meißner Porzellanmanufaktur alle Welt in fieber-
hafte Erregung versetzten. Das Porzellanfieber griff um sich, und die schwarze Kunst der Goldmacher kam rasch
aus der Mode. Die Gemahlin des Herzogs Karl, Wilhelmine, eine Schwester Friedrichs des Großen, war entzückt
über die Gründung. Sie schrieb in der ersten Freude an den ehrenwerten, um die Einrichtung der Fabrik hochver-
dienten Oberjägermeister von Langen, sie habe alles alte Porzellan in ihrem Haushalt zusammengesucht und wolle
es bei erster Gelegenheit schicken, damit er neues daraus machen lasse.
Mit der Herrlichkeit fürstlicher Jägerei war es nun vorbei für immer. Die Gebäude des Schlosses sind durch
ihre Einrichtung zu Fabrikzwecken vielfach entstellt, vor allem ist die erkergeschmückte Vorderseite des Torhauses
durch ein vorgesetztes Fabrikgebäude bis auf den oberen Teil des Giebels verdeckt. Aber der alte Fürstensitz war
wenigstens nicht herabgesunken zu einem Gefängnis oder einer Besserungsanstalt für Verwahrloste, wie man es
heute hin und wieder erlebt, und er diente einer feinen, einer damals noch höfischen Kunst. Die Modelleure Rombrich,
Luplau, Schubert, Hendler und der Franzose Desoches schufen hier ihre graziösen Tassen, Vasen und Figuren. In
diesen Dingen lebt heute noch die heitere Schönheit der Rokokowelt. Wir sehen diese Menschen, hier Stöckelschuh,
Turmfrisur, Watteaufalte, dort Jabot und Zopf, wie sie, unter Puder und Schminke errötend, Väschen und schmach-



Abb. 20. Pyrmont, Fürstliches Schloß.
 
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