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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Editor]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 27.1926

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Nr. 5/6
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Jacob, Bruno: Die Stadt als Großburg: Wolfhagen, Wüstung Landsberg und Zierenberg in Niederhessen
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https://doi.org/10.11588/diglit.35077#0108
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Landesteiles, in dem die Stadt lag, ohne daß er gezwungen gewesen wäre, irgendeinen Adligen oder Ministerialen
mit einer Burg und den entsprechenden wirtschaftlichen Pertinenzien zu begaben. Denn das war die peinliche
Seite des Lehnswesens, daß es die materiellen Mittel des Lehnsherrn verminderte, ohne Sicherheit zu bieten, daß
nicht der Lehnsmann auch noch von anderen Herren Lehnsstücke übernahm und dadurch in eine zwiespältige Lage kam,
die man durch die Öffnungsklauseln und Ähnliches in den Lehnsbriefen zu umgehen suchte.
Der zum Bürger gewordene Grundholde hingegen hatte nur ein Interesse an der Sicherung seines Heimes.
Und so kam der Landesherr, indem der Bürger sich selbst die Stadtbefestigung baute, zu einer billigen Großburg,
die mit hinreichender Besatzung versehen war. An der Stadt, der „inunilio", war die Besatzung direkt interessiert,
und sie schuf sich überdies mit dem Aufkommen der Feuerwaffen noch diese und damit zugleich eine dem
Ritter und seiner Burg überlegene Waffe.
Auf dem am weitesten nach Westen hin vorgeschobenen Steilhügel der Stadt Wolfhagen aber errichtete der
Landesherr eine Burg auf eigene Rechnung, die er mit einem Ministerialen besetzte. Es war ein Gleichgewichtsspiel
der Kräfte, das so durchgeführt ward. Denn der Burgmann — es waren manchmal auch mehrere Burgmannen —
fühlte sich noch ganz als Vertreter der alten Mächte, die durch die neuen Gewalten der Städte, der Bürgerschaft,
depossediert werden sollten, beide, Burgmanne und Bürger, suchten beim Landesherrn Rückhalt und verstärkten so
dessen Stellung. Erst als im ausgehenden 14. Jahrhundert das Bürgertum sich so stark fühlte, daß es versuchte,
eigene Wege zu gehen, spielten die Burgen der Städte die Rolle von Zwingfesten.
Hier in Wolfhagen, wo die Burg sich auf der gegen den Feind, Wal deck, gekehrten Seite der Stadt vorlagerte,
hatte sie ganz ausgesprochenermaßen die Aufgabe, wie sie Frankreich der alten Straßburger Zitadelle einst zuwies,
als Vauban dies Werk der Stadt östlich, gegen Deutschland gekehrt, vorlagerte. Die mittelalterliche Burg, deren
Gestalt wir noch kennen aus einer Zeichnung m Meißners Schatzkästlein, ist untergegangen; der heutige Ban,
der das Landratsamt beherbergt, entstand wohl im Anfänge des 17. Jahrhunderts, aber fast scheint es, als ob der bei
Meißner sichtbare Turm weiterlebte in dem Turm, der sich dem heutigen Bau im Süden vorlagert.
Wenn schon oben darauf hingewiesen ward, daß eine verhältnismäßig lange Periode verging, ehe die Städte
statt mit Erdwällen mit Mauern und Türmen versehen wurden, so haben wir in Hessen einige Beispiele von Städten,
die niemals zu Mauern gelangten. So Borken und Liebenau. Aber deren Wälle sind längst verschwunden, dahin-
gegen träumen noch unter den Buchen des Waldes die doppelten Wälle der frühe wieder eingegangenen Stadt
Landsberg, die von den Waldecker Grafen als Gegenburg wider das junge Wolfhagen gesetzt ward.
Die Grenze zwischen Hessen und Waldeck verlief, wie noch ein in schwachen Resten vorhandener Graben
mit Aufwurf verrät — eine Landwehr —, etwa
2 Ion nördlich von Wolfhagen. Dorf und Ge-
markung Ehringen, in der die Wüstung Lands-
berg liegt — das Feld heißt noch heute „das Stadt-
feld" —, wurden im Jahre 1395 an die Familie
von Geismar verpfändet, gingen dann auf die
von Gudenberg und von Dalwigk über und
kamen im Jahr 1441 an den Landgrafen Ludwig I.
von Hessen. 1635 ward die Pfandschaft in einen
Erbkauf verwandelt, und so kommt es, daß die
einstige waldeckische Gegengründung jetzt aus
hessischem Boden liegt.
Das einstige Stadtgelände bildet ein un-
regelmäßiges Fünfeck, dessen Ostseite sich an den
sturmfreien Hang des Erpetales lehnt und nur
einen einfachenWall besitzt, wohingegen die übrigen
vier Seiten der Stadt mit heute noch gut er-
haltenem doppelten Erdwalle mit vorgelegten
Gräben geschützt sind. Der um die Erforschung der
hessischen Geschichte und besonders der Geschichte
der hessischen Burgen hochverdiente Staatsarchivar
I)r. Georg Landau hat eingehende Unter-
suchungen angestellt betreffs dieser Wüstung, und
deren Ergebnisse sind niedergelegt in der Zeitschrift
des Vereins für hessische Geschichte Bd. II, S. Iff.,
wo auch die damals freigelegten und noch heute
erkennbaren Hausstätten in dem von H. Reuße aus-
genommenen Plane eingetragen sind. Brandschutt
in diesen, verkohltes Getreide und verkohlte Erbsen
Abb. 60. Lageskizze von Wolsh^^Wiistung, Landsberg nnd Zierenberg ^ßen deutlich erkennen, daß es sich hier NM eine
 
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