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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 29.1928

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Nr. 3/4
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Doering, Oskar: Fürst Friedrich zu Wied und die Burg Runkel an der Lahn
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https://doi.org/10.11588/diglit.35079#0098
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Wohngeschosse haben nur bescheidene Höhen, zwi-
schen 2,40 und 3,30 m. Eingedeckt ist das Gebäude
mit einem eichenen liegenden Dachstuhl unter einem
Satteldache. An diesem Hanse zeigte sich die sehr
gefahrdrohende Erscheinung, daß die dem inneren
Hose zugekehrte Wand sich stark nach außen gegeben
hatte. Die eichenen Fensterstöcke und die steinernen
Gewände hatten naturgemäß die Bewegung mit-
machen müssen — waren verschoben und zerrissen.
Der treibende Rost der eisernen Haken der Fenster-
läden hatte das seinige dazu getan. Ursache dieser
Veränderungen war eine Maßregel, über deren
etwaige Auswirkungen man sich in der alten Zeit
keine Rechenschaft gegeben hatte. Oder falls dennoch,
so hatte man nicht angenommen, daß eine spätere
Generation eine Unvorsichtigkeit begehen würde,
die geeignet war, größte Gefahr heraufzubeschwören.
Man erbaute nämlich in der Mitte der südlichenWand
einen hohen Schornstein. Er ist noch da und ist der
Friedenstörer. Angelegt ist das Schornsteinrohr
innerhalb eines schwachen Pfeilers zwischen zwei
Fenstern, und zwar so, daß der Schornstein nach dem
Innern des Gebäudes wie gegen den Hof vorkragt.
Nun stellte man ihn, weil er nur für die Oberge-
schosse bestimmt war, nicht auf die sichere Basis des
Baufundamentes, sondern stützte ihn nach innen
lediglich durch die Säulen eines steinernen Kamins,
der seinesteils auf der inneren Balkenlage ruhte,
während man die Last des Schornsteines nach außen
den kleinen Steinkonsolen der Vorkragungen anver-
trante. Unüberlegterweise beseitigte man späterden
Kamin. Die Folge war, daß nunmehr innen die Bal-
kenlage die Last des Schornsteins allein auf sich zu
nehmen hatte, während von außen nichts zur Siche-
rung getan wurde. Weiter geschah, was auf die
Dauer unvermeidlich war. Allmählich wurden die
Balkenköpfe schadhaft, Senkungen stellten sich ein.
Die Vorkragungen imHofe begannen mehrund mehr
Abb. 62. Burg Runkel, Blick auf das sog. Loi-ps äa io°is. den Dienst zu versagen. Und nun fingen die Mauern
und auch der Schornstein an zahlreichen Stellen an
zu reißen. Nicht bloß krank gewordenes, mürbes Gestein zersprang, sondern auch gesundes. Ein großer Teil der südlichen
Hofwand bauchte sich nach außen. Daß der Schornstein es fertig gebracht hat, in seiner fast schwebenden Stellung zu ver-
harren, daß die ausgebauchte Mauer nicht einstürzte und somit nicht großes Verderben eintrat, mag man anstaunen.
Die Gefahr des Einsturzes wurde noch gefördert durch den schweren Dachstuhl, der sich allmählich verschob. Gerieten
hier die Balkenköpfe in schlechten Zustand, der sie fernerhin unfähig machte, den Schub des Dachstuhles aufzunehmen, so
ging dessen Druck auf die schwachen und im Süden ohnehin arg gefährdeten Außenmauern über und drohte mit kata-
strophaler Wirkung. Sollte hier das Äußerste verhindert werden, so galt es rasch zu handeln. Und nicht allein rasch, sondern
mit Aufbietung äußerster Vorsicht und technischer Erfahrung, damit nicht gerade durch die Rettungsmaßregeln der jeden
Augenblick mögliche Einsturz erfolgte. Die Vorschläge, die Professor Ebhardt in jenem Gutachten machte, trugen
diesen Umständen sorgsältigst Rechnung. Sie haben sich auch in ihrer alsbald unter seiner Leitung einsetzenden praktischen
Verwirklichung als in jeder Beziehung zweckentsprechend und nutzbringend erwiesen.
Die Maßregeln sind inzwischen unter Ebhardts Leitung durchgeführt. Sie dienen als notwendige Voraussetzung
für das, was weiter beabsichtigt ist. Vor allem mußte dem Einstürze der ausgebauchten Südmauer vorgebengt werden.
Hierzu war es zunächst nötig, die Last des Schornsteins durch starke Rundhölzer abzufangen, die unter seine Vorkragung
gelehnt wurden. In der Höhe der Brüstungen der Oberstockwerke mußten 7 bis 10 Meter lange Hölzer horizontal gelegt
werden. In gleicher Höhe wurden an der nördlichen Mauer außen entsprechende Hölzer angebracht und diese mit
jenen an der Südwand durch Znganker in Verbindung miteinander gesetzt. Vorsicht war bei jeder dieser Maßregeln
dringend notwendig, auch beim Anziehen der Zuganker unbedingt geboten. — Hiermit konnte es aber nicht sein Be-
wenden haben. War es doch ebenso nötig, wie gegen die Schäden der Außenmauern, so auch gegen die von den Balken-
 
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