Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 32.1931

DOI Artikel:
Doering, Oskar: Burg Scharfenstein im Erzgebirge
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.35021#0062
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
60

Burg Scharfenstein im Erzgebirge.
Von Or. Oskar Doering.
schroffer Felsenhöhe schaut die ehrwürdige alte Burg Scharfenstein ins Tal hernieder, wo die Zschopau
' klares Wasser mit dem eines kleinen Nebenflüßchens vereinigt.
Ein mächtiges Bollwerk muß sie schon vor alters gewesen sein, trotzig und drohend. Warum sonst
tte jener Markgraf Friedrich von Thüringen, beigenannt „mit der gebissenen Wange", sie mit Heeres-
acht bestürmt und nicht geruht, bis er sie überwältigt und seiner Herrschaft angegliedert hatte? Das
geschah im Jahre 1312, und so haben wir wenigstens einen zeitlichen Anhaltspunkt, mit dessen Hilfe wir Vermutungen
in die Vergangenheit zurückleiten können. Im 15. Jahrhundert kam das sächsische Adelsgeschlecht der Einsiedel in
den Besitz der Burg. Der Förderer ver Reformation, Heinrich Hildebrand von Einsiedel (1497—1557) war der Be-
gründer der Linien Scharfenstein, Gnandstein und Syhra. Ein Sprosse der erstgenannten Linie war jener als Dichter
und Schriftsteller bekannte Zeitgenosse Goethes, der Freiherr Friedrich Hildebrand von Einsiedel, der sich am Weimarer
Hofe besonderer Gunst erfreute; er starb 1828.
Die zahlreichen Gebäude der Burg Scharfenstein lagern sich in einem unregelmäßigen Dreiviertelkreise um
einen geräumigen Hof herum. An der offenen Ostseite ragt der mächtige runde, mit einer Kegelspitze bekrönte Berg-
fried empor. Vor ihn: querlaufend bildet ein tiefer, 14 m breiter Graben die Trennungslinie zwischen Hauptburg
und Vorburg. Die letztere ist durch ein charaktervolles Renaissancetor zugänglich. Dem Felsen abgewonnen, zieht
sich der Zwinger um die westliche Seite der Hauptburg. Er erweitert sich nordwestlich zu einem fünfeckigen Außen-
werke, dessen Spitze mit einem runden Turme besetzt ist.
Von den Bestandteilen der älteren Burganlage, die aus gotischer Zeit stammte, sind noch mancherlei Reste
erhalten. Den Charakter aber, welchen sie bis zur Gegenwart behielt, erlangte die Burg, als man sie seit 1553 umbaute
und zugleich vergrößerte. Diese Arbeiten zogen sich durch eine Reihe von Jahren hin. Unsere Vorfahren hatten
eine Neigung dafür, die Entstehnngszeit von Kunstwerken verschiedenster Art durch Jahreszahlen den Nachkommen
bekannt zu halten. Dank dieser Gewohnheit, die sogar den Dachziegeln zugute kam, wissen wir, daß die Scharfensteiner
Dächer in den Jahren 1538, 1543 nsf. eingedeckt worden sind. Hergestellt wurde damals der westliche (sogenannte
„Witwen"-) Flügel mit dem Torhause, nördlich der „Gesellschaftsflügel", nordöstlich der Wohnflügel, an dessen Stelle
wohl ehemals der Pallas stand. Zu diesen Teilen gesellte sich noch der „Kirchensaalflügel". Mit der Ausführung
aller jener Bauten hielt die Renaissance auf Scharfenstein ihren Einzug. Sie schuf u. a. das stolze, mit gequaderten
Säulen besetzte Tor; zu ihren prachtvollen Leistungen gehörte der Rittersaal, dessen Decke von kraftvoll gewundenen
hölzernen Säulen getragen, dessen Wände mit geschnitzten Wappen geschmückt waren. Die Wohnräume erschienen
mit Bildern und Sprüchen bemalt. Überall herrschte jene vornehme Pracht, die den Bauschöpfungen der deutschen
Kunst des 16. und beginnenden 17. Jahrhunderts einen so großen Teil ihres Wertes und ihrer künstlerischen Wirkung
verleiht. Das blieb im wesentlichen auch so, obgleich Einzelheiten auf Scharfenstein späterhin, entsprechend dem
veränderten Kunstgeschmacke, geändert wurden, und mancherlei Schmuck unter Vertäfelungen und Bewurf sich ver-
bergen mußte.
Wer in Zukunft einmal die Geschichte unserer Zeit zu schreiben unternimmt, wird sein Augenmerk auch auf
die unheimliche Zahl der Schloß- und Burgenbrände zu richten haben. Die verschiedensten Gegenden unseres Vater-
landes sind davon heimgesucht worden. In Flammen loderte die Herrlichkeit der Burg Eltz, die Majestät der Schlösser
Burg an der Wupper, Assing bei Augsburg. Vielen anderen dieser altehrwürdigen Zeugen deutscher Geschichte und
Kultur ward gleiches Schicksal zuteil. Zu den trauervollsten Ereignissen gehört neuestens der verheerende Brand
der Schlösser zu Limburg und Stuttgart. Mehr geht bei solchem Unheil zugrunde als nur Architekturen. Schütze der
Kunst und Wissenschaft werden von den Flammen gefressen, ewig unersetzliche Teile unseres geisügen Volksvermögens
gehen verloren. Immer tiefer verarmen wir in dieser Zeit, in der jeder Rest idealen Besitzes ein kostbares, notwendiges
Gut ist. Wie erklären sich diese Unfälle? Ein lehrreicher Aufsatz von Dr.-Jng. Johannes Meyer, Karlsruhe, im 2. Heft
des Jahrganges 1928 des „Burgwart" weist auf die Gefährlichkeit technischer Mängel hin. Aber daß die vernichtenden
Brände in so überaus häufigen Fällen gerade die alten historischen Wohnsitze betreffen, erklärt sich daraus noch nicht
völlig. Verbrecher sinv wobl nur allzu oft am Werke.
Der 2. Juni 1921 war der Tag, an dem in Scharfenstein der Feuerruf erscholl. Gewaltiger Schaden entstand.
Der größte Teil des Schlosses verbrannte, alle Dächer, die Giebel, fast das ganze Innere mit seiner wertvollen alten
Ausstattung. Stark beschädigt wurde auch der Kirchensaalflügel, doch kam der Saal selbst noch leidlich davon. Am
erträglichsten erging es dem Witwenflügel. Aber sonst, wohin man sah, öde Fensterhöhlen, Schutt, Trümmer, ge-
schwärzte Mauern, die zum Teil noch nach dem Brande zusammenstürzten.
Acht Tage nach dem Brande begann man mit den Aufräumungsarbeiten. Jetzt erst stellte sich der Umfang
der Zerstörungen ganz heraus. Ein Gewinn bei allen: Unglück, den man freilich nur mit Wehmut begrüßen konnte,
bestand darin, daß das Feuer manche jener verdeckt gewesenen Malereien und andern nnverbrennbaren Zierden bloß-
 
Annotationen