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Ein ganzes Land wurde durch diese kirchliche
Massnahme um eines einzelnen willen getroffen. Die
Anwendung dieses äussersten Mittels ist den Päpsten
oft erbittert zum Vorwurf gemacht worden, aber es war
das einzige, durch welches die Fürsten gezwungen wer-
den konnten, eine moralische Macht über sich anzu-
erkennen. Nach langem Zaudern —welches freilich nicht
priesterlicher Milde entstammt ist — wird es hier, wenn
auch vielleicht nicht völlig ohne politische Nebenabsichten,
doch zu dem Versuche angewendet, einen Fürsten, der
anderen Einwirkungen nicht zugänglich war, zur Sühne
des Unrechtes anzuhalten, das er gegen eine Schuldlose
begangen hatte.
VII.
Das Interdikt und die Verhandlungen wegen
seiner Aufhebung.
Das Interdikt, zu gunsten der Königin verhängt,
traf in seinen Folgen zunächst diese selbst am härtesten.
Für Ingeborg, die in ihrem duldenden Heroismus mit
Hartnäckigkeit für ein Recht kämpfte, das die geschlos-
sene Ehe ihr verlieh, begann eine neue Zeit schwerer
Leiden. Philipp liess sie, voll Wut über die kirchliche
Zwangsmassregel, dem Kloster entreissen und sie an
einem Ort, der von Paris etwa drei Tagereisen entfernt
war, gefangen setzen!).
1) Rig. c. 131 undChron. Nicolai Trivetti (D’Achery, „Spicileg.“
III, 178) sagen, die Königin sei schon jetzt nach Etampes gebracht.