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Dehio, Georg; Bezold, Gustav von
Die kirchliche Baukunst des Abendlandes (Band 1) — Stuttgart, 1892

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https://doi.org/10.11588/diglit.11368#0617
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Fünfzehntes Kapitel : Der Aussenbau.

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Vierungskuppeln mit schwach überhöhtem achteckigem Tam-
bour kommen zuerst in Unteritalien und Sizilien in allgemeineren Ge-
brauch; sie sind hier aber nicht aus einem freiwilligen organischen
Triebe hervorgegangen, sondern aus der Verquickung der lateinischen
Basilika mit dem byzantinischen Kuppelbau, vgl. o. S. 233 — 36 und
Taf. 239. Der Dom von Pisa, obgleich er ein stark zentralistisches
Element aufnahm, war ursprünglich kuppellos gedacht; hinterher aber
erweckte die mächtige Bewegung der Kreuzarme gegen den Mittelpunkt
das Gefühl, dass hier etwas fehle, dass mit der auf den abstrakten
Punkt reduzierten Durchschneidung der Dachfirste nicht genug gethan
sei. Dies Gebrechen durch Hinzufügung einer Kuppel zu heilen, war
ein sehr richtiger Gedanke, seine Ausführung ist aber, zum Teil not-
gedrungen, schwächlich geraten. Im übrigen bleibt der Architektur
Toskanas das Kuppelmotiv fremd. In der Lombardei kommt es zu-
sammen mit dem Gewölbebau auf die Bahn, und wird ähnlich behandelt,
wie in der burgundischen und rheinischen Architektur. Die Kathedrale
von Modena hatte in ihrer ersten, flachgedeckten Gestalt noch keine
Kuppel, dagegen S. Ambrogio in Mailand wahrscheinlich schon im
11. Jahrhundert (die jetzige zweigeschossige ca. 1200 erneuert).

Noch niedrig, aber in den Aufbau der Ostansicht trefflich hinein-
komponiert die Kuppel von Parma (Taf. 245). Die Reihe schliesst
mit den hohen, nach innen lichtbringenden Prachtstücken von Piacenza,
Vercelli, Carpi, Chiaravalle (Taf. 281).

Zwillingstürme an der Westfront sind nur in Sizilien heimisch
geworden. Sie vorzüglich sind das normannische Element in dieser
aus so vielen Ingredienzien zusammengemischten Architektur. Die
Grundrissdisposition, über die Fluchtlinie der Seitenschiffe vortretend,
erinnert aber mehr an den englischen Tochter- als den festländischen
Mutterstil; zwischen den Türmen eine offene Vorhalle. Die Reihe
eröffnet, gegen 1132, der Dom von Cefalu (Taf. 239); es folgen 1169
und 1174 die Dome von Palermo und Monreale (Taf. 168); in Pa-
lermo die Ausführung erst 14. Jahrhundert. In Unteritalien stehen
Acerenza und Lucera schon unter französisch-frühgotischem Einfluss,
während in Sessa die Türme zu blossen Glockenträgern zusammen-
geschrumpft sind. Weiter haben mehrere der grossen Kirchen Apuliens
Doppeltürme, doch in sehr eigentümlicher Umbildung des Motivs.
Ihr Platz ist nämlich im Osten; aber nicht, wie im gleichen Falle in
der transalpinen Architektur, als unmittelbare Begleiter des Chors,
sondern von diesem so weit abgerückt, dass ihr Unterbau die unmittelbare
Fortsetzung der Stirnwand des Querschiffes bildet (Taf. 239.3); die
der Kunst des Nordens so willkommene Gelegenheit zu lebhafterer
Gliederung von unten auf wird hier vielmehr als ein Uebel empfunden
und darum an der Ostseite noch eine geradlinige Abschlussmauer ge-
 
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