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Habel, Heinrich [Hrsg.]; Himen, Helga [Hrsg.]; Petzet, Michael [Hrsg.]
Denkmäler in Bayern (Band 1.1): Landeshauptstadt München: Ensembles, Baudenkmäler, archäologische Geländedenkmäler — München: R. Oldenbourg Verlag, 1985

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https://doi.org/10.11588/diglit.63268#0178
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Ensemble Zielstattstraße-Nelkenweg

19. Jh.s war die Theresienwiese noch knapp doppelt so groß
wie heute und erstreckte sich im Osten bis zum Gebiet des All-
gemeinen Krankenhauses vor dem Sendlinger Tor. Die Aus-
einandersetzungen um die Erhaltung der Wiese begannen um
1820, als die Stadt sich zur weiteren Abhaltung des Oktoberfe-
stes gezwungen sah, den auf ihre Eigentumsrechte pochenden
Grundbesitzern einen größeren Teil des Wiesengeländes abzu-
kaufen. Anfang der 70er Jahre forderten die verbliebenen
Grundbesitzer für die östliche Hälfte der Wiese die Festlegung
von Baulinien, um hier Mietshäuser errichten zu können. Zwi-
schen 1874 und 1881 wurden die unterschiedlichsten Bebau-
ungsprojekte für die Theresienwiese entwickelt und wieder
verworfen. Der Konflikt spitzte sich zu, als 1881 die Mehrzahl
der Grundbesitzer zur Durchsetzung ihrer Forderung nach Be-
bauung der Theresienwiese ihre Grundstücke mit Bretterzäu-
nen umgaben und in dieser Sache vom Kgl. Landgericht frei-
gesprochen wurden. 1882 fand ein Bebauungsentwurf des Bau-
rates Voit, in dem er mehrere andere Pläne zu einem endgülti-
gen Plan verarbeitet hatte, die Zustimmung sowohl der Ge-
meindekollegien wie der Grundbesitzer. Im einzelnen sah der
Plan vor, daß der ganze westliche Teil der Wiese mit ca. 150
Tagwerk für immer unbebaubar sein, während der östliche
Teil mit rund 105 Tagwerk einer Bebauung zugeführt werden
sollte. Die Bauanlage selbst sollte gegen die Theresienwiese
mit einer nur östlich bebaubaren Grenzstraße abschließen und
in einem weiten nordöstlichen Bogen von der ehern. Bavaria-,
Heu- und Aengerstraße bis zur Rennbahnstraße verlaufen.
Zwischen der Grenz- und der bereits projektierten Goethe-
straße sollte die Heustraße (heute Paul-Heyse-Straße) als dritte
Nordsüdstraße nach Süden verlängert werden. Um die Ruh-
meshalle mit der Bavaria auf der Theresienhöhe als beherr-
schenden Mittelpunkt der weiteren Bauanlagen weiter beste-
hen lassen zu können, sollten ferner alle auf die Wiese zufüh-
renden Straßen auf die Bavaria ausgerichtet sein. Für die Stra-
ßen wurden Breiten von 25, 20 und 15 Metern festgelegt.
Nach den städtischen Vorstellungen war den zukünftigen Bau-
anlagen der Charakter eines Villenquartiers zugedacht, und
um dies zu erreichen, wurde ein umfangreicher Satzungstext
beschlossen, der neben der Abgrenzung der Anlage und der
Regelung der Frage der Grundabtretungen und der Straßen-
herstellung vor allem detaillierte Bauvorschriften enthielt. Zu
den wichtigsten Vorschriften gehörten u.a. die Festlegung der
Vorgartentiefen, die Gebäudehöhe als zwei Stockwerke über
dem Erdgeschoß und einer maximalen Traufhöhe von 15 Me-
tern, die Festlegung auf einfache Bauten oder Pavillongrup-
pen, die Abstände zwischen den Häusern, das Verbot der Be-
treibung eines „lästigen“ Gewerbes. Die Einfriedung der An-
wesen gegen die Straße mußte in Eisengittern auf Steinsockeln
und so ausgeführt werden, daß zu den Häusern immer ein Ge-

samtanblick von der Straße aus offen blieb. Von den Einzel-
bauten wurde eine „geschmackvolle“ Architektur verlangt.
Der Ausbau des Wiesenviertels hat sich länger als die zunächst
geschätzten zehn Jahre bis zum Beginn des 20. Jh.s hingezogen,
wobei jedoch der Schwerpunkt der Bautätigkeit in den 90er
Jahren gelegen hatte. Mit der Enthüllung des von M. Pschorr
gestifteten Reiterstandbildes Kaiser Ludwig des Bayern auf
dem gleichnamigen Platz fand die Entstehungsgeschichte des
Wiesenviertels ihren krönenden Abschluß. Von dem langge-
streckten, an den schmalen Enden polygonalem Platz gehen
sieben Straßen aus. In der Mitte, auf ovaler Insel, von einer
Allee umrundet, wurde das Kaiser-Ludwig-Denkmal errichtet.
Von diesem Platz aus führt die Beethovenstraße auf den klei-
neren, im Westen halbkreisförmigen Beethovenplatz. Die vor-
nehme Villenbebauung erfolgte teilweise von bedeutenden Ar-
chitekten wie Emanuel und Gabriel Seidl und August
Thiersch, vorwiegend in den Formen deutscher Renaissance.
Architektonische Dominante des Wiesenbereichs ist der mäch-
tige, dreitürmige Bau der kath. Pfarrkirche St. Paul, im Stil der
Kathedralgotik 1892-1906 von Georg Hauberrisser erbaut. So,
wie die Gestalt der Theresienwiese von den Bauanlagen an ih-
rer Ostseite entscheidend mitgeformt wurde, die sich als wei-
ter, bogenförmiger Kranz durchgrünter Villenbauten und Al-
leen entwickelten, genauso erhielt umgekehrt das Wiesenvier-
tel sein Gepräge durch die Bedeutung der Theresienhöhe für
das Stadtbild.

Ensemble Wohnanlage Zielstattstraße-Nelkenweg. - Umgren-
zung: Grundstücke Zielstattstraße 89, 91, 93, 95, 97, Aidenbach-
straße 2, 4, 6, 8, Nelkenweg 2, 4, 6, 8, 10, 12, 14, 16, 18, 20, 22,
24, Steinmetzstraße 34, 36, 38 und 40.
Für den Verein für Verbesserung der Wohnungsverhältnisse in
München e. V. entwarf Theodor Fischer 1918 eine dreiteilige
Siedlungsanlage in Obersendlung, von der jedoch nur der
nördlichste Abschnitt unter Oberaufsicht von Johann Mund
und unter Mitwirkung von Paul Wenz (Reihenhäuser am Nel-
kenweg) bis 1927 ausgeführt wurde. Das Angebot war diffe-
renzierter als es von Theodor Fischer in der Wohnsiedlung
Alte Heide verwirklicht wurde: Vierteilig in Nord-Süd-Rich-
tung länger gestreckte Blöcke schirmen nach Osten und We-
sten ab und nehmen auf der Nordseite zweiteilig kürzere
Blöcke parallel zwischen sich, nach Süden öffnet sich dagegen
eine niedrige Kette von schmalen Reihenhäusern für je eine,
in den Flankenbauten je zwei Familien, mit jeweils eigenem
Garten: Kompaktes Blockwohnen und, wenn auch bescheide-
nes, Wohnen im Reihenhaus wird somit zusammengeordnet.
Die stilistische Gesamthaltung bleibt bei aller Einfachheit kon-
servativ.


A Ensemble Zielstattstraße-Nelkenweg

Ensemble Zielstattstraße-Nelkenweg von Süden >
 
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