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Deutsche Kunst.
Die Uebernahme der Webeschule in staatliche Verwaltung ist also gar nicht
so unbegründet und unberechtigt, wenn sie bisher an der Weigerung der
Stadtverordneten scheiterte, so kommt damit nur von Neuem das gespannte
Verhältnis; zwischen Staat und Stadtgemeinde zum Ausdruck. Die Berathung
mußte diesmal auf die demnächst stattsindende Sitzung der Gewerbedeputation
vertagt werde». Der Lifer der jüngsten Debatte läßt eine nochmalige Zurück-
weisung des Vorschlages erwarten.
Neuerwerbungen der Königlichen Glyptothek
in München.
Auf einer kürzlich in München abgehaltenen Auktion von Antiken hat
die Direktion der Glyptothek um einen verhältnißmäßig sehr niedrigen Preis
eines der so selten in den Pandel kommenden, aus Attika stammenden Grab-
reliefs angekauft, das den befonderen Vorzug hat, unversehrt erhalten zu
sein. Zudem zeigt es nicht eine der gewöhnlichen Darstellungen von stehenden
oder sitzenden Frauen und Männern, sondern es ist das Grabdenkmal eines
Kindes, dessen Namen an dein Giebel über dem Relief eingemeißelt ist. Die
etwa sechsjährige kleine Plangon ist in ihrer Kindertracht, einem langen
Aermclchiton mit Schnüren über den Achseln, dargestellt, wie sie mit der
gesenkten linken pand achtlos ein kleines Vögelchen gepackt hat, während sie
mit der Rechten eine Thonpuppe vor sich hin hält. Sie zeigt die Puppe
ihrem paus- und Spielgenossen, einer großen Gans, die vor ihr steht und
den einen Fuß hebt. Im paar hat das Mädchen als Schmuck ein breites,
in der Mitte dreieckiges Diadem. Im pintergrund hängt ein Sack für
Murmeln und ein anderes Spielzeug. Pier sind auch Reste rothcc Farbe er-
halten, da das Relief ursprünglich bemalt war. Das Ganze ist ein reizendes
Idyll aus dem Kinderleben. Ausgeführt ist das Relief in dec breiten und
sicheren Technik des 4. Jahrhunderts v. Lhr., stammt also aus der eigentlichen
Llüthezeit der attischen Grabreliess, die bisher noch durch keine Probe in der
Glyptothek vertreten war. Ls hat seinen Platz im Apollosaal gefunden.
Ae'rchenauer Wandmalereien in der Kirche zu
Goldbach bei Ueberlingen in Baden.
In der kleinen unscheinbaren Goldbacher Kirche ist ein Tyklus alter Wand-
malereien entdeckt worden, die nach dem Charakter der bis jetzt nach Loslösung
einer vierfachen wandfchicht bloßgelegtcn Figuren und Ornamente bis in die
älteste Zeit der kirchlichen Kunst in Deutschland zurückceichen. Ihre auffällige
Aehnlichkeit mit bekannten Werken aus der berühmten Schule auf der Insel
Reichenau, aus der die bereits veröffentlichten Wandmalereien der Kirche zu
Oberzell und dec Michaelskirche zu Burgfelden stammen, gestattet die Annahme,
daß auch die Goldbacher Bilder für Zeugnisse dec Reichenauer Kunstpflege zu
gelten haben. Sie gehören jedenfalls noch dem 10. Jahrhundert an. So viel
auch jetzt schon für die Richtigkeit dieser Annahmen spricht, sind sie doch noch
mit Vorsicht aufzunehmen, bis nach einer vollständigen Bloßlegung eine
genaue Untersuchung in stilistischer und technischer Pinsicht Gewißheit ergeben
hat. Die Ueberschrift ,,St. Johannes" über einer der Figuren, von der man
bis jetzt nur die Fuße sieht, läßt vermuthen, daß die Komposition eine Gruppe
um Christum versammelter Apostel darstellt. Die Pauptperson scheint leider
zu fehlen, da dort wo man sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu suchen hätte,
in späterer Zeit die wand durch ein Fenster durchbrochen worden ist. Mr
die angenommene perkunft der Bilder sprechen der Typus dec köpfe, Körper-
haltung, Faltenwurf, das für die damalige Farbengebung charakteristische
Roth und Blau. Line auffällige Uebereinstimmung haben die Bilder mit den
Oberzellec Gemälden, nämlich das bläuliche und giftig grüne Kolorit der
Zonen, die auf dem Grunde der Malereien sich hinziehcn.
Drrlin. — Die große Berliner Jahres aus stell ung und die
„Ausstellung der Sezession" haben nun ihre Pforten erschlossen.
Das „Sezessionshaus" liegt als ein einfacher Lau mit kuppel-
gekröntem Thurm zum Theil im Grünen versteckt und erhält nur aus
der linken Seite einen plastischen Schmuck, ein polychromes Relief „Malerei
und Plastik" von Mit; klinisch. Line Steintreppe führt von der Kant-
straße aus in das paus. Man kommt erst in ein Vestibül mit Garderoben-
raum, dann in den Skulpturensaal. Rechts öffnen sich zwei Zimmer mit
Seitenlicht, die für Schwarz-Weiß-Arbeiten, Pastelle rc. bestimmt sind. Im
Uebrigen haben die Räume Oberlicht. Geradeaus folgt ein großer Saal,
daneben zwei mittelgroße. Als letzter schließt sich nach dem Garten zu, die
Fasanenstraße entlang, der größte Saal mit einer Flucht von 20 : lO Meter
an. Im Ganzen ist nur Raum für 200 bis 250 Bilder. Mr Stuck's viel-
besprochene Miese für das Reichstagsgebäude, die 22 Meter lang und 4 Meter
hoch sind, fehlte es leider an Platz. So mußte davon abgesehen werden, sie aus-
zustellen; denn zur Fertigstellung eines besonderen Anbaues, den man zu Stuck's
Arbeiten gern hergerichtet hätte, fehlte die Zeit. Musterhaft ist die Auswahl
dec Münchener Sezession, deren Mitglieder zu einer erlesenen Kollektiv-
ausstellung das Beste hergegeben haben. Uebec die Tendenz des Unternehmens
unterrichtet die Vorrede des Katalogs in schönen Worten. Ls heißt da:
„Richt sowohl durch das, was wir bringen — denn Meisterwerke lassen sich
nicht aus der Lrde stampfen — als vielmehr durch das, was wir nicht
bringen, wird sich unsere Ausstellung von den sonst üblichen unterscheiden,
wir führen nur eine kleine Anzahl von Werken dem Beschauer vor, denn wir
sind der Uebcrzeugung, daß die massenhafte Anhäufung von Kunst ebenso
sehr gegen das Interesse des Publikums wie das der Kunst selbst verstößt.
Das Auge des Beschauers wird nur zu leicht durch die lange Flucht der mit
Bildern angefüllten Säle ermüdet, und die wahrhaft guten Werke, deren cs
natürlich nur wenige giebt, werden durch den Wust der Mittelmäßigkeit er-
drückt. — Bei der Auswahl der Werke, welche unsere Ausstellung schmücken,
war nur das Talent, in welcher Richtung es sich auch offenbarte, ausschlag-
gebend. wir sind ebenso stolz darauf, die Werke eines Menzel als die des
Böcklin dem Publikum zeigen zu dürfen. Für uns giebt es keine allein
seligmachende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns
jedes Werk, in dem sich eine aufrichtige Lmpfindung verkörpert. Rur die
gewerbsmäßige Routine und die oberflächliche Mache derer, die in der kunst-
nur die milchende Kuh sehen, bleiben grundsätzlich ausgeschlossen." Solche
Gesinnung hat thatsächlich eine würdige Vertretung der deutschen sezessionistischen
Kunst ergeben. Line solche läßt sich nach den kürzlich gepflogenen Berathungen der
„Allgemeinen deutschen Künstlergenossenschaft", die unter An ton
von werner's Vorsitze im Berliner Künstlerhause einen außerordentlichen
Delegirtentag abgehaltcn hat, auch für die gejammte deutsche Kunst auf der
pariser Weltausstellung 1900 erwarten. Lei den Berathungen über ihre Be-
theiligung an dieser waren fast alle größeren Lokalgenossenschaften durch nam-
hafte Künstler vertreten, so Dresden durch Gotthard Kuehl, Düsseldorf
durch G. Marx, Düsseldorfer Sezession durch Iernberg, Frankfurt a. M.
durch Linnemann, Karlsruhe durch Ldmund kanoldt, Karlsruher Se
Zession durch Carlos Grethe, München durch Petersen und Schmidt-
Breit enbach, Münchener Sezession durch Benno Becker, panau durch
Max wiese, Weimar durch Stahlschmidt und Rehder, Stuttgart durch
Bausch. Der Betrachtung gegenüber, daß die dec deutschen Kunst zu-
gewiesenen Räume nur beschränkte seien, wurde hecvorgehoben, daß keine der
anderen Rationen außer dec fcanzösischen annähernd so gut gestellt, daß viel-
mehr das Verhältnis; der Räume der deutschen kunstabtheilung den anderen
Rationen gegenüber, das von 60 : 40 sei, wie denn nach der Versicherung des
Reichskommissars auch sonst der Vertretung Deutschlands von der französischen
Ansstellungsleitung das liebenswürdigste Entgegenkommen, die größte Zu-
vorkommenheit überall bewiesen worden sei und werde. Demgemäß herrschte
über die Beschickung dec Ausstellung durch die deutsche Kunst vollkommene
Einstimmigkeit, ebenso, wie über alle anderen wesentlichen Punkte. Die
Zentralleitung der ganzen Angelegenheit liegt dem delegirten Pauptvorstand
der deutschen Kunstgenossenschaft in Berlin ob und zwar in unmittelbarem
Linvcrständniß mit dem Reichskommissar, während die Linzeiführung, Aus-
wahl der Kunstwerke u. s. w. durch die fünf Vororte der Lokalgenossenschaften,
München, Berlin, Düsseldorf, Dresden und Karlsruhe, erfolgt, von denen
seiner Zeit auch je ein pängekommissar nach Paris abgeordnet werden soll.
Ferner wurde einstimmig beschlossen, mit der allgemeinen künstlerischen Anordnung
der deutschen kunstabtheilung die hervorragende und bewährte Kraft v. Lenb ach's
und Lmanuel Seidi's-München zu betrauen. Der praktischen sachgemäßen
streng objektiven Leitung der Verhandlungen wurde allseitig der größte Beifall
gezollt, und am Schlüsse der Berathungen sprachen u. a. auch die Vertreter der
Sezessionen, Iernberg-Düsseldors und Lecker-München, dem Vorsitzenden
ihren Dank und ihre lebhafte Anerkennung aus, wie denn auch überall das
vollste Einverständnis; beispielsweise mit Kuehl-Dresden zu Tage getreten
war. was die Sezessionen betrifft, so haben sie nicht den geringsten Grund,
mit den Beschlüssen des Ausschusses unzufrieden zu sein, und denken in Folge
dessen auch nicht daran, sich von Paris frrnzuhalten. Man darf sich getrost
der poffnung hingeben, das; die deutsche Kunst der Gegenwart, dank dem
selbstlosen Gemeinsinn aller betheiligten Faktoren, auf dem engen Raum, der
ihr überlassen werden konnte, so würdig, wie die Wichtigkeit dieser Ausstellung
es fordert, beim friedlichen Wettkampf der Rationen vertreten sein wird.
Deutsche Kunst.
Die Uebernahme der Webeschule in staatliche Verwaltung ist also gar nicht
so unbegründet und unberechtigt, wenn sie bisher an der Weigerung der
Stadtverordneten scheiterte, so kommt damit nur von Neuem das gespannte
Verhältnis; zwischen Staat und Stadtgemeinde zum Ausdruck. Die Berathung
mußte diesmal auf die demnächst stattsindende Sitzung der Gewerbedeputation
vertagt werde». Der Lifer der jüngsten Debatte läßt eine nochmalige Zurück-
weisung des Vorschlages erwarten.
Neuerwerbungen der Königlichen Glyptothek
in München.
Auf einer kürzlich in München abgehaltenen Auktion von Antiken hat
die Direktion der Glyptothek um einen verhältnißmäßig sehr niedrigen Preis
eines der so selten in den Pandel kommenden, aus Attika stammenden Grab-
reliefs angekauft, das den befonderen Vorzug hat, unversehrt erhalten zu
sein. Zudem zeigt es nicht eine der gewöhnlichen Darstellungen von stehenden
oder sitzenden Frauen und Männern, sondern es ist das Grabdenkmal eines
Kindes, dessen Namen an dein Giebel über dem Relief eingemeißelt ist. Die
etwa sechsjährige kleine Plangon ist in ihrer Kindertracht, einem langen
Aermclchiton mit Schnüren über den Achseln, dargestellt, wie sie mit der
gesenkten linken pand achtlos ein kleines Vögelchen gepackt hat, während sie
mit der Rechten eine Thonpuppe vor sich hin hält. Sie zeigt die Puppe
ihrem paus- und Spielgenossen, einer großen Gans, die vor ihr steht und
den einen Fuß hebt. Im paar hat das Mädchen als Schmuck ein breites,
in der Mitte dreieckiges Diadem. Im pintergrund hängt ein Sack für
Murmeln und ein anderes Spielzeug. Pier sind auch Reste rothcc Farbe er-
halten, da das Relief ursprünglich bemalt war. Das Ganze ist ein reizendes
Idyll aus dem Kinderleben. Ausgeführt ist das Relief in dec breiten und
sicheren Technik des 4. Jahrhunderts v. Lhr., stammt also aus der eigentlichen
Llüthezeit der attischen Grabreliess, die bisher noch durch keine Probe in der
Glyptothek vertreten war. Ls hat seinen Platz im Apollosaal gefunden.
Ae'rchenauer Wandmalereien in der Kirche zu
Goldbach bei Ueberlingen in Baden.
In der kleinen unscheinbaren Goldbacher Kirche ist ein Tyklus alter Wand-
malereien entdeckt worden, die nach dem Charakter der bis jetzt nach Loslösung
einer vierfachen wandfchicht bloßgelegtcn Figuren und Ornamente bis in die
älteste Zeit der kirchlichen Kunst in Deutschland zurückceichen. Ihre auffällige
Aehnlichkeit mit bekannten Werken aus der berühmten Schule auf der Insel
Reichenau, aus der die bereits veröffentlichten Wandmalereien der Kirche zu
Oberzell und dec Michaelskirche zu Burgfelden stammen, gestattet die Annahme,
daß auch die Goldbacher Bilder für Zeugnisse dec Reichenauer Kunstpflege zu
gelten haben. Sie gehören jedenfalls noch dem 10. Jahrhundert an. So viel
auch jetzt schon für die Richtigkeit dieser Annahmen spricht, sind sie doch noch
mit Vorsicht aufzunehmen, bis nach einer vollständigen Bloßlegung eine
genaue Untersuchung in stilistischer und technischer Pinsicht Gewißheit ergeben
hat. Die Ueberschrift ,,St. Johannes" über einer der Figuren, von der man
bis jetzt nur die Fuße sieht, läßt vermuthen, daß die Komposition eine Gruppe
um Christum versammelter Apostel darstellt. Die Pauptperson scheint leider
zu fehlen, da dort wo man sie aller Wahrscheinlichkeit nach zu suchen hätte,
in späterer Zeit die wand durch ein Fenster durchbrochen worden ist. Mr
die angenommene perkunft der Bilder sprechen der Typus dec köpfe, Körper-
haltung, Faltenwurf, das für die damalige Farbengebung charakteristische
Roth und Blau. Line auffällige Uebereinstimmung haben die Bilder mit den
Oberzellec Gemälden, nämlich das bläuliche und giftig grüne Kolorit der
Zonen, die auf dem Grunde der Malereien sich hinziehcn.
Drrlin. — Die große Berliner Jahres aus stell ung und die
„Ausstellung der Sezession" haben nun ihre Pforten erschlossen.
Das „Sezessionshaus" liegt als ein einfacher Lau mit kuppel-
gekröntem Thurm zum Theil im Grünen versteckt und erhält nur aus
der linken Seite einen plastischen Schmuck, ein polychromes Relief „Malerei
und Plastik" von Mit; klinisch. Line Steintreppe führt von der Kant-
straße aus in das paus. Man kommt erst in ein Vestibül mit Garderoben-
raum, dann in den Skulpturensaal. Rechts öffnen sich zwei Zimmer mit
Seitenlicht, die für Schwarz-Weiß-Arbeiten, Pastelle rc. bestimmt sind. Im
Uebrigen haben die Räume Oberlicht. Geradeaus folgt ein großer Saal,
daneben zwei mittelgroße. Als letzter schließt sich nach dem Garten zu, die
Fasanenstraße entlang, der größte Saal mit einer Flucht von 20 : lO Meter
an. Im Ganzen ist nur Raum für 200 bis 250 Bilder. Mr Stuck's viel-
besprochene Miese für das Reichstagsgebäude, die 22 Meter lang und 4 Meter
hoch sind, fehlte es leider an Platz. So mußte davon abgesehen werden, sie aus-
zustellen; denn zur Fertigstellung eines besonderen Anbaues, den man zu Stuck's
Arbeiten gern hergerichtet hätte, fehlte die Zeit. Musterhaft ist die Auswahl
dec Münchener Sezession, deren Mitglieder zu einer erlesenen Kollektiv-
ausstellung das Beste hergegeben haben. Uebec die Tendenz des Unternehmens
unterrichtet die Vorrede des Katalogs in schönen Worten. Ls heißt da:
„Richt sowohl durch das, was wir bringen — denn Meisterwerke lassen sich
nicht aus der Lrde stampfen — als vielmehr durch das, was wir nicht
bringen, wird sich unsere Ausstellung von den sonst üblichen unterscheiden,
wir führen nur eine kleine Anzahl von Werken dem Beschauer vor, denn wir
sind der Uebcrzeugung, daß die massenhafte Anhäufung von Kunst ebenso
sehr gegen das Interesse des Publikums wie das der Kunst selbst verstößt.
Das Auge des Beschauers wird nur zu leicht durch die lange Flucht der mit
Bildern angefüllten Säle ermüdet, und die wahrhaft guten Werke, deren cs
natürlich nur wenige giebt, werden durch den Wust der Mittelmäßigkeit er-
drückt. — Bei der Auswahl der Werke, welche unsere Ausstellung schmücken,
war nur das Talent, in welcher Richtung es sich auch offenbarte, ausschlag-
gebend. wir sind ebenso stolz darauf, die Werke eines Menzel als die des
Böcklin dem Publikum zeigen zu dürfen. Für uns giebt es keine allein
seligmachende Richtung in der Kunst, sondern als Kunstwerk erscheint uns
jedes Werk, in dem sich eine aufrichtige Lmpfindung verkörpert. Rur die
gewerbsmäßige Routine und die oberflächliche Mache derer, die in der kunst-
nur die milchende Kuh sehen, bleiben grundsätzlich ausgeschlossen." Solche
Gesinnung hat thatsächlich eine würdige Vertretung der deutschen sezessionistischen
Kunst ergeben. Line solche läßt sich nach den kürzlich gepflogenen Berathungen der
„Allgemeinen deutschen Künstlergenossenschaft", die unter An ton
von werner's Vorsitze im Berliner Künstlerhause einen außerordentlichen
Delegirtentag abgehaltcn hat, auch für die gejammte deutsche Kunst auf der
pariser Weltausstellung 1900 erwarten. Lei den Berathungen über ihre Be-
theiligung an dieser waren fast alle größeren Lokalgenossenschaften durch nam-
hafte Künstler vertreten, so Dresden durch Gotthard Kuehl, Düsseldorf
durch G. Marx, Düsseldorfer Sezession durch Iernberg, Frankfurt a. M.
durch Linnemann, Karlsruhe durch Ldmund kanoldt, Karlsruher Se
Zession durch Carlos Grethe, München durch Petersen und Schmidt-
Breit enbach, Münchener Sezession durch Benno Becker, panau durch
Max wiese, Weimar durch Stahlschmidt und Rehder, Stuttgart durch
Bausch. Der Betrachtung gegenüber, daß die dec deutschen Kunst zu-
gewiesenen Räume nur beschränkte seien, wurde hecvorgehoben, daß keine der
anderen Rationen außer dec fcanzösischen annähernd so gut gestellt, daß viel-
mehr das Verhältnis; der Räume der deutschen kunstabtheilung den anderen
Rationen gegenüber, das von 60 : 40 sei, wie denn nach der Versicherung des
Reichskommissars auch sonst der Vertretung Deutschlands von der französischen
Ansstellungsleitung das liebenswürdigste Entgegenkommen, die größte Zu-
vorkommenheit überall bewiesen worden sei und werde. Demgemäß herrschte
über die Beschickung dec Ausstellung durch die deutsche Kunst vollkommene
Einstimmigkeit, ebenso, wie über alle anderen wesentlichen Punkte. Die
Zentralleitung der ganzen Angelegenheit liegt dem delegirten Pauptvorstand
der deutschen Kunstgenossenschaft in Berlin ob und zwar in unmittelbarem
Linvcrständniß mit dem Reichskommissar, während die Linzeiführung, Aus-
wahl der Kunstwerke u. s. w. durch die fünf Vororte der Lokalgenossenschaften,
München, Berlin, Düsseldorf, Dresden und Karlsruhe, erfolgt, von denen
seiner Zeit auch je ein pängekommissar nach Paris abgeordnet werden soll.
Ferner wurde einstimmig beschlossen, mit der allgemeinen künstlerischen Anordnung
der deutschen kunstabtheilung die hervorragende und bewährte Kraft v. Lenb ach's
und Lmanuel Seidi's-München zu betrauen. Der praktischen sachgemäßen
streng objektiven Leitung der Verhandlungen wurde allseitig der größte Beifall
gezollt, und am Schlüsse der Berathungen sprachen u. a. auch die Vertreter der
Sezessionen, Iernberg-Düsseldors und Lecker-München, dem Vorsitzenden
ihren Dank und ihre lebhafte Anerkennung aus, wie denn auch überall das
vollste Einverständnis; beispielsweise mit Kuehl-Dresden zu Tage getreten
war. was die Sezessionen betrifft, so haben sie nicht den geringsten Grund,
mit den Beschlüssen des Ausschusses unzufrieden zu sein, und denken in Folge
dessen auch nicht daran, sich von Paris frrnzuhalten. Man darf sich getrost
der poffnung hingeben, das; die deutsche Kunst der Gegenwart, dank dem
selbstlosen Gemeinsinn aller betheiligten Faktoren, auf dem engen Raum, der
ihr überlassen werden konnte, so würdig, wie die Wichtigkeit dieser Ausstellung
es fordert, beim friedlichen Wettkampf der Rationen vertreten sein wird.