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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0030

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Diamant und Bleibändern im weißen Glase jede Linie, jeden Con-
tour nachzumachen, welche sonst der Glasmaler mit Schwarzloth
aufmalte und einbranntc. Das war die eine Kunstrichtung der
Fensterverglasung ; sie hat mitunter staunenswerthe Erzeugnisse, auch
vielfach gcschmack- und kunstvolle Fenster in Kirchen, Schlösser und
Bürgerbauten geliefert.

Auf der anderen Seite dünkte der Glasmaler des 17. Jahr-
hunderts, mit seiner, reich besetzten Emailpalette, sich erhaben über
seine Vorgänger aus früheren Jahrhunderten; mit seinen aufgetragenen
und eingebrannten Emailfarben gedachte er die mühseligen musivischen
Vorarbeiten des Verglasens zu verdrängen und entbehrlich zu machen.
An Stelle der geschlängelten Metallnetze, welche sich sonst durch die
bunte Malerglasebene linear nach Zeichnung hindurchschmicgten, die
Contouren verstärkten und dem Glasornament die nöthige Energie
verliehen, beschränkte sich nunmehr das Fensterblei für den Glas-
maler auf die dürftige Rolle, nur weiße Fensterglas scheibchen in
Quadraten oder Rechtecken an einander zu löthen und so dem
Künstler eine nackte, farblose Glaswand als Malergrund zusammen-
zuschweißen. Die Bleibänder bildeten im Glasbilde weder mehr
einen beabsichtigten, noch einen versteckten Coutour, sondern nur
ganz prosaische Hilfsspunde, welche nur dazu dienten, die Aus-
führung großer Glastableaux möglich zu machen. Hinter diese»,
rechtwinkelig sich kreuzenden Bleilinien schien das weich genialte
Emailbild in seiner Glasebene wie hinter einem dünnstäbigen Blei-
gittcr perspektivisch zu verlaufen. Gerade die Keckheit, mit welcher
die harten Linien der Bleistreifen sich kreuz und quer über die be-
malte Fläche hinwegspannten und rücksichtslos, wie grobe Meridiane
einer Landkarte, das Glasbild durchschnitten, machte die optische
Täuschung möglich, daß die schwarzen, bleiernen Schattenlinien für's
Auge sich als dünne Gitterstangen von der Bildebene loshoben und
noch weit vor den Vordergrund des Gemäldes an den Beschauer
hcrantrateu. — So war im Dienste des ausführenden Glasmalers
die Verbleiung des farblosen Fensterglases zu der prosaischen Be-
deutung eines gekreuzten bleiernen Spundrähmchens herabgesunken.
Die monumentale Glasmalerei war in ihrer Technik zu einer zu-
sammengenieteten transparenten Kabinetsmalerei geworden. Wir
werden daher fernerhin, im 17. und 18. Jahrhundert, wenig mehr
mit einer künstlerischen Verbleiungshülfe des mosaiklosen Glasnialens
zu schaffen haben.

Auf allen Glasgemälden des 17. Jahrh. prägt sich der Styl
und Geschmack der italienischen und zwar besonders der venetianischen
Schule unverkennbar ab. Selbst mitten durch gothische Steinrahmen
der Gebäudefenster hindurch bewegten sich die Glasgemälde, Gruppen-
bilder und Ornamente in den üppigsten Renaissanceformen. Archi-
tektonische Hintergründe, wie Gewölbe, Säulengänge, landschaftliche
Städteansichten, sind in den Glasgemälden dieses Zeitalters schräg
gestellt und mit gesuchter Absicht perspektivisch behandelt. Die Sucht,
alle Architektur, welche die siguralen Darstellungen umgab, nicht flach,
sondern möglichst plastisch wirken zu lassen, schaut überall unverkenn-
bar aus dem GlaSgemälde heraus; imitirte transparente Mar-
morirungen und Vergoldungen sind beliebte enkaustische Glasmalerei-
mittel; was der Franzose „rehausser“ nennt, das ausgesuchte und
oft gezwungene Aufputzen und Herausstaffiren verzierter Hintergrunds-
flächen bezeichnet so recht die Glasmalereimanier des 17. Jahrhunderts.

Selbst die frühgothischen und die Renaissancebaldachine und Sockel,
welche über und unter den statuarischen Glasbildern in den Vorder-
grund vorspringen, zeigen jene Schrägstellung der Kanten, welche
auf Reliefwirkung abzielt. Diese scharfleistige Kantenwendung aller
gläsernen Architekturpartien war aber schon im Beginne des 16. Jahr-
hunderts die Regel, gothische Baldachine, Fialen, Krabben, Kreuz-
blumen, alle Details der Glasarchitektur waren plastisch und in
Schrägstellung ausgcführt, während vor dem 16. Jahrhundert in
den Glasbildern alles Ornament sich flach, kantenlos, en fa§e und
ohne Schlagschatten darstellten. Diese perspektivische Verkörperung
aller Flächen im Glasbilde erhält sich vom 16. Jahrhundert durch
die Spätgothik und Renaissance hindurch bis in die Gegenwart.

In Frankreich.begegnen wir im 17. Jahrhundert noch einer
Anzahl tüchtiger Glasmaler, welche ihrer Schmelzmuffel treu ge-
blieben waren, so dem Nestor der Glasmaler Jacob de Paroy,
welcher in Ausübung seiner Kunst ein Alter von 102 Jahren er-
reichte. Er hatte seine Ausbildung in dem Atelier des mehr er-
wähnten Dominikanermönches in Italien empfangen und sich die
koloristischen Vorzüge der Venetianer angeeignet. Als er nach Frank-
reich zurückgekehrt war und sich in der Auvergne niedergelassen hatte,
bemühte er sich, in seinen Glasmalereiarbeitcn die Farbentechnik und
die Farbenstudien, welche er aus Italien mitgebracht, gleichsam in's
Enkaustische und Transparente des Fensterglases zu übersetzen. Eine
wahre Meisterschaft in diesem Streben bekundete er in den Glas-
bildern, welche er für die Fenster im Schlosse des Grafen v. Ca-
tignac ausführte. Auch existiren von ihm, nach eigenen Cartons, in
Glas gemalt, die statuarischen Bilder der Kirchenväter. Augustinus
und Ambrosius tragen die Physiognomien der Donatoren und die
Wappen derselben. Diese Fenster stehen in einer Kirche zu Ganat
bei St. Pourcain. I. de Paroy's Zeitgenosse, Schüler und in ge-
wissem Sinne Associö, war der Glasmaler Johann Nogare. Von
ihm haben wir, nach dem Originalcarton von de Paroy, ein Glas-
gemälde, welches die Gerichtsscene der biblischen Susanne vorstellt.
Auch malte er den Papst Julius III. in der Tiara und den Ponti-
fikalgewändern, sowie Kaiser Karl V. und König Heinrich II. —
Wie alle Glasmaler dieser Zeit, so scheint auch Nogare nach solchen
Vorwürfen gehascht zu haben, deren äußere Erscheinung eine reiche
Anwendung feierlichen Färb- und Metallschmuckes im Glase ver-
langten. In solchen Darstellungen konnte sich der aus Italien
heimgebrachte Farbgeschmack enkaustisch entfalten und zur Geltung
bringen.

Mit Nogare konkurrirten in Frankreich noch Höron u. Chamu;
sie malten in Glas Darstellungen aus der Apostel- und Kirchen-
Geschichte, so aus dem Leben des Apostels Petrus, Johannes des
Täufers, des St. Franziscus von Assisi. — Hervorragend unter
allen als Historien- und Glasmaler dieser Zeit ist der vorerwähnte
de Paroy mit seinen großen Kirchen- und Profanfestcrarbeiten.

Etwas später in diesem Jahrhundert erscheinen in Frankreich
noch als Glasmaler vier, Namens Pinaigrier, dann Johann
Monnier, Franz Perrier, Nic. Desangives und Franz
Porcher. — Monnier kopirte in Glas für Maria de Medicis
die Oelgemälde großer Meister. Perrier lieferte Glasgemälde mit
der Darstellnng des 1. Kirchenkoncils und des St. Petrus, welcher
durch seinen Schatten Kranke heilt. (Forts, folgt.)
 
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