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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0031

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23

Kunstkritik.

Kunst mul Hunstinäustrie in Atr Meltnusstellung.

Von Kart JtfCcrf Ikegnct.

X.

'on den persischen Künsten hat die Weltausstellung nur
wenig zur Anschauung gebracht und das aus einem
guten Grunde, denn von ihnen allen ist eigentlich nur
die Baukunst zur Ausbildung gelangt. Sie erscheint
)einfach, aber geschmackvoll, reich durch Stalaktiten-
schmuck, Spiegelbekleidung und Blumenmalerei der
Wände, Nischen und Kuppeln, giebt sich übrigens weniger im
Aeußeren als im Inneren der Häuser zu erkennen, deren Aus-
schmückung Zeugniß von feinem künstlerischen Sinne ablegt. Wir
müssen das um so höher anschlagen, als Persien keine Baukünstler
in unserem Sinne kennt und die Architektur dort von einfachen
Handwerkern geübt und gepflegt wird. Wenn wir dem Vorgesagten
gegenüber den Palast des Schah von Persien mit überreichem
Schmuck und Zierath auch an seiner Außenseite überdeckt fanden,
so dürfen wir dabei zweierlei nicht vergessen. Einmal, daß es sich
um einen Herrscherpalast handelte, und dann, daß nicht blos die
Perser, sondern auch andere Völker ihre Werke und Zustände im
glänzendsten Lichte zu zeigen das Verlangen trugen, ^ch erinnere
nur an das sogenannte russische Bauernhaus am Heustadelwasser,
das sich zum echten etwa so verhielt, wie die Landhäuser unserer
Städter im Gebirgsstyl zum Wohnhaus des Oberländer Bauern.

Die wenigen hier und da zerstreuten Proben persischer Malerei,
die man auf der Ausstellung im Jndustriepalaste zu sehen bekam,
gaben uns keinen hohen Begriff von der Entwickelung dieser Kunst:
es fehlte nicht blos an Perspektive, welche doch wenigstens im Prin-
cipe Chinesen und Japanesen bekannt ist, sondern auch am Wechsel
von Schatten und Licht. Was sich sonst in Persien von Kunst-
werken findet, gehört früheren Kulturperioden an. Das Neue läßt
von dem entschieden idealen Elemente, das sich in den alten Kunst-
werken offenbart, nichts mehr erkennen. Zwischen damals und jetzt
haben sich Jahrtausende gedrängt und selbst das Alte zeigt uns, daß
in jener Zeit, in der es geschaffen wurde, zwar augenscheinlich neue
und höchst beachtenswerthe Entwickelungsmomente gegeben waren,
daß aber die künstlerische Kraft bereits abgeschwächt war und es
nirgends mehr zum vollen Ergüsse künstlerischer Belebung kam. ^
Äuf einer entschieden höheren Stufe stehen einzelne Industrie-
zweige. Die Goldbrokate — besonders berühmt stnd die von
Schivas — und die Seidenstoffe von Jspahan, Kaschan und Tä-
bris sielen sofort durch die edle Stylisirung der Muster und den
leuchtenden Glanz der Farbe auf. Auf die äußere Erscheinung der
als unübertrefflich geltenden Klingen von Khorassan wird eigenthüm-
licher Weise so wenig als Nichts verwendet und die Glaswaaren
lloten nichts Bemerkenswerthes, weder in Form noch in Behandlung.
Die Production der Shawls hat in den letzten Jahren bedeutend
uachgelassen, ja sie bilden dermal sogar einen namhaften Einfuhr-
artikel, da das europäische Produkt mit seinen billigen Preisen in
weniger bemittelten Kreisen täglich mehr Raum gewinnt, Nargilchs
aus getriebenem Metalle mit feinem Email und zierlicher Holz-
schnitzerei sprachen sehr zu Gunsten des Geschmackes und der tech-
uischen Gewandtheit der betreffenden Arbeiter. Die Dekoration be-
wegte sich vorwiegend in phantastischen Verschlingungen verschieden-
farbiger goldbesäumter Bänder mit Vorherrschen mehr oder minder
scharf gebrochener Linien.

In der Behandlung edler Metalle haben die Perser der Gegen-
wart es zu hoher Vollendung gebracht. Schivas erzeugt goldenes

Geschmeide von eigenthümlicher Schönheit, und seine Silbergeschirre
sind von einer Energie und daneben Zartheit der Behandlung,
welche den Werth des Rohmaterials der darin zur Verarbeitung
kam, völlig in den Schatten stellen, und die Stadt Sendschan
schickte Filigranarbeiten von einer an's Wunderbare grenzenden
Zartheit der Technik. In den Broncen mit feinster Ciselirung,
als Vasen, Schalen und Trinkbechern verrieth sich fast überall ein
feines Gefühl für das Schickliche. Wer aus der Kunstgeschichte
nicht wußte, daß die Perser es waren, welche die Kunst der Fayence-
Production in alle von Mnhamedanern bewohnte Länder einführten,
nachdem sie sich selbe von ihren buddhistischen Nachbarn angeeignet
und ihren eigenen Bedürfnissen angepaßt hatten, mußte wohl leb-
haft überrascht sein, in der persischen Abtheilnng des Jndustriepalastes
so schätzenswerthe Arbeiten dieser Art vorzufinden. Wer sich diese
Dinge näher besah, kam freilich zur Neberzeugung, daß seit etwa
hundert Jahren ein Rückgang sich bemerklich macht, der wohl auf
Rechnung der vielen und blutigen Bürgerkriege deS vorigen Jahr-
hunderts geschrieben werden darf.

Eine andere beachtenswerthe Thätigkeit besteht in der Herstellung
von Bein- und Metallmosaik-Arbeiten im Wege der Hausindustrie
wie wir sie z. B. in Ammergau, Garmisch, Berchtesgaden, im
Grödenerthal und anderwärts mehr oder minder entwickelt finden.
Eine ähnliche Hausindustrie hat sich die Aufgabe gestellt, aus
Cocosnuß und Straußeneiern, aus Buchs- und Birnbaumholz
mancherlei Geräthe und Nippsachen anzufertigen, die freilich weniger
künstlerische Befriedigung gewähren dagegen einen tiefen Blick in die
Empfiudungs- und Auffassungsweise des Volkes thun lassen. Dabei
kommt der aufmerksame Beobachter aber gar bald zur Neberzeugung,
daß das vermittelnde Band zwischen der Gegenwart und Vergangen-
heit längst zerrissen ist: auch nicht in einem Falle begegnet er einem
Motive, das auf eine Erinnerung an das Alterthum hinwiese.

Die Buchdruckerkunst Persiens steht auf keiner hohen Stufe und
kann auf keiner solchen stehen, weil nach der allgemeinen Anschauung
des Volkes der Druck eines dichterischen oder philosophischen Werkes
an Charakteristik verlieren soll. Dem Perser scheint sich der eigent-
liche Reiz und Zauber eines Buches erst durch die lebendige und
individuelle Mannigfaltigkeit der Schriftzüge zu erschließen und man
dürfte es kaum wagen, einer verehrten Persönlichkeit das gedruckte
Exemplar eines Dichters, wie etwa Hafis, zum Geschenke zu machen.
Darum wird eine schöne Handschrift in Persien heute noch so hoch
geschätzt, wie kaum irgend anders wo auf der Welt, und man muß
nach den ausgestellten Proben auch zugeben, daß die persischen Kalli-
graphen in ihrem Fache ganz Vorzügliches leisten, wie man sich
beim Anblick von Kopien berühinter Handschriften mit reicher Ver-
goldung und prächtigen Vignetten, die lebhaft genug an unsere alten
Liederbücher und Missale erinnern, überzeugen kann.

Ich habe schon oben flüchtig der persischen Shawls gedacht.
Sie bestehen noch heute neben den indischen aus Kaschmir und Lahore
die Probe. Höher aber als die Teppiche der ganzen übrigen Welt
stehen die persischen. Der Teppich ist überhaupt ein Produkt, das
die ganze Aufmerksamkeit des Kulturhistorikers in Anspruch nimmt.
Ließ er sich die Mühe nicht gereuen, die Teppiche von Indien
und Turkestan bis zu denen, welche in der Türkei, in Griechenland
und Rumänien erzeugt werden, durchzumustern, so fand er hier
und da gewisse Aehulichkeiten in Beziehung auf Umfang und Muster,
welche auf eine gemeinschaftliche Quelle Hinweisen und zwar auf
 
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