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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0114

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vom waldigen Gebirge über den See nach Hause zurück. Auf dem
Floß, welches ein kräftiger Jüngling mit der langen Rudcrstange
eben an's Gestade drückt, liegt das prächtige Thier, in Tannen-
reisern gebettet. Der Hauptschütze winkt fröhlich erregt dem Ufer
zu, indeß der Alte, welcher das Fahrzeug leitet, behaglich sein Pfeif-
chen weiterschmaucht. Das verschiedene Naturell der Knaben und
Mädchen ist hübsch in den beiden herbeieilenden Kindern charak-
terisirt; der Knabe greift rüstig und hülfreich zu, niit sroher Miene,
das kleine Mädchen aber blickt halb ängstlich, halb mitleidig auf das
getödtete Thier. Die Landschaft veranschaulicht uns die Kraft und
Frische des Nordens, dichte Tannenwälder und einen klaren Wasser-
spiegel. — M. Blankarts zeigt uns in einem lebendig komponirten
Bilde die tödtliche Verwundung des Obersten v. Auerswald vom
1. Garderegiment in der Schlacht bei Mars la Tour, und glauben
wir darin einen erfreulichen Fortschritt des Künstlers wahrzunehmen.

F. K. München, 28. März. (Ausstellung im Kunst-,
Verein.) Wenn wir einen Rückblick auf die Wochen-Ausstellungen
in diesem Monat werfen, so müssen wir hervorheben, daß dieselben
von ganz außergewöhnlichem Interesse begleitet waren, welches her-
vorgerufen wurde, einmal und hauptsächlich durch die Ausstellung
der Werke Schleich's, die, in solcher Anzahl vereinigt, ein ebenso be-
deutendes als charakteristisches Bild der langen Künstlerlaufbahn des
berühmten Meisters boten, dann durch die Werke anderer Künstler.
Es unterliegt gar keinem Zweifel, daß, angespornt durch die Ein-
drücke der wiener Weltausstellung, ferner auch durch die Lauheit des
Kunstmarktes, die hiesigen Künstler mit wenig Ausnahmen dahin
streben, Bedeutenderes zu leisten, indem sie sehr wohl einsehen, daß
mittelmäßige Werke gar keine Aussicht haben, Liebhaber zu finden.
Hatten uns auf der wiener Weltausstellung die Franzosen, nament-
lich soweit es ihre älteren Meister der Neuzeit betrifft, manche
Niederlagen beigebracht, aus denen wir nur gelernt haben, so ist
andererseits doch nicht in Abrede zu stellen, daß nach Paris unter
den deutschen Kunststädten unmittelbar München mit seinen Leistungen
zu rangiren ist.

Nachdem der „Nero" von F. Keller in Karlsruhe seine Weiter-
reise angetreten hat, gelangte Hans Mackart's großes Gemälde
„Titania" zur Ausstellung. Es schildert die bekannte Scene aus
dem Sommernachtstraum, in welcher Titania durch Oberon's Kräut-
lein „Lieb im Müßiggang" bezaubert, sich in jeden Sterblichen, den
sie erblickt, verlieben muß, den Athener Zettel im Walde findet,
dessen Kopf wiederum durch den neckischen Droll in einen Eselskopf
verwandelt ist. Das jedenfalls sehr bedeutende Bild findet hier
verschiedene Beurtheilungen. So lebhaft sich einige Künstler gegen
dasselbe aussprechen, unter ihnen besonders die Herren Zeichner, so
ist doch die Mehrzahl von dem Bilde in einem Grade entzückt, wie
man dies hier selten findet. Der ganz außergewöhnliche Schwung
der Phantasie, der beredte niärchenhafte Ausdruck und der so überaus
malerische Aufbau des Ganzen, verbunden mit dem satten leuchtenden
Kolorit, sind diejenigen Eigenschaften des,>Bildes, welche Niemand
demselben absprechen kann. Dagegen wirft man Mackart in diesem
Werke flüchtige, skizzenhafte Behandlung vor, die das Bild unfertig
erscheinen lassen. Aber gerade die kecke, kühne Behandlung ist es,
die gefangen nimmt, aus welcher die ganze freudige künstlerische
Inspiration des Schöpfers beredt spricht und sich unwillkürlich mit
derselben geistigen Frische auf den Beschauer überträgt. Freilich haben
nur wenige Künstler für einen derartigen Vortrag Auge und Gefühl.
Wodurch wirkten denn die Hauptbilder der französischen Maler auf
der Weltausstellung so fesselnd? Gerade weil aus ihnen eine größere
Freiheit des Schaffens sprach als aus den deutschen Werken, weil
in jenen mehr Naivetät des Vortrags mit außerordentlicher Kraft

der Gegensätze vorherrschte, während bei uns gar häufig eine wohl-
angelernte schale Manier mit dem Streben nach Tonwirkung, in der
aber Licht- und Schattenvertheilung sehr wenig zur Geltung kamen,
den Beschauer nicht warm und voll empfinden ließen. „Leben athmet
die bildende Kunst", aber nicht hohles Machwerk, auf das bei uns
mehr Gewicht als auf die künstlerische Inspiration und Empfindung
gelegt wird.

Man kann freilich auch hierin leicht zu weit gehen, das zeigte
z. B. der Pole Chelmonsky in seiner „Rückkehr vom Balle".
Hier hält die Begeisterung nicht Schritt mit deni Können: das
Ganze ist roh behandelt, hat aber unleugbar mehr Kraft und
Energie im Vortrag als viele andere Bilder. Chelmonsky fehlt
eine durchgebildete Zeichnung und künstlerische Reife, jedenfalls zählt
er zu den sehr begabten jüngeren Künstlern.

E. Harburger's „Stadtherr" ist ein mit großer Hingabe
an den Gegenstand und mit viel zeichnerischem und koloristischem
Geschick vorgetragenes Bild, welches auch noch die Anziehungskraft
besitzt, daß die Figuren treffend charakterisirt sind. Seine Trinker-
typen sind Specimina unserer Biertrinker. — Das „Motiv aus
Berchtesgaden" von I. G. Steffan ist sehr gut gezeichnet und
hat auch in der Farbe seine Verdienste, aber es will uns bedünken,
als ob der Künstler von dem Grundsätze ausginge „Viel hilft viel".
Weniger Reichthum der Details würde seinen Bildern mehr Ein-
heit geben.

G. Benczur's „Ludwig XV. im Boudoir seiner Maitresse
Dubarry" erinnert uns an den Ausspruch des Kroaten im Wallen-
stein „Hei, wie das flunkert in der Sonnen". Auch hier wirkt das
Zuviel entschieden störend, ja das Beiwerk schlägt sogar die beiden
Figuren in einer Weise, daß das Auge auf diesen nicht verweilen
kann. Es irrt von einem Gegenstände zum anderen, ohne zum
Ausruhen zu kommen. Große realistische Mittel lassen sich dem
Werke nicht absprechen, aber es ist kein Maaß in ihnen.

Sehr gefährlich für Benczur war die Nachbarschaft der drei
Bilder von N. Gysis in Athen, die das in so reichem Maaße
besaßen, was dem Werke Benczur's abgeht: die Ruhe. Und wie
schön wirken alle im Tone, der kräftig angeschlagen ist, während sich
in Benczur zu sehr das Streben bemerkbar macht, für das man in
der Bühnensprache den Ausdruck „Knalleffekt" hat, der wohl die
große Masse verblüffen, den besseren Geschmack aber unbefriedigt
lassen wird. Ein reiches Bild Gysis' ist besonders „Der gefangene
Dieb", der mit Hühnern, Kesseln und anderem Gestohlenen auf
einem Esel durch die Straßen reiten muß, geführt von einem Aus-
rufer mit großer Trommel. Die Gegensätze sind klar und kräftig
ausgesprochen, aber keineswegs in schreiender Weise, wie denn
überhaupt Gysis zu den bedeutendsten Tonnialern gehört, der, ob-
gleich aus der Pilotyschule hervorgegangen, ihrer Richtung nicht
huldigt.

Wohin zu großes Streben nach Manier führen kann und wie
gefährlich ein solches ist, geht aus der abstrusen Landschaft von
I. Kühn holz hervor. Der Künstler ist von Hause aus mit
großem Machtalent versehen, welches aber jetzt zu einem solchen
Manierismus ausgeartet, daß keine Spur von Natur übrig ge-
blieben ist.

Wie ganz anders tritt dagegen W. M a l e ck i aus, der in seinem
Bilde „Nach Sonnenuntergang" ein ebenso maaßvolles wie tief
poetisches Werk geschaffen hat, dagegen ist Meixner der Manierist

par excellence.

Zum Schluß erwähne ich noch ein reizendes Genrebild von
Ed. Kurzbauer und ein anderes von B. Bautier. Das Erstere
stellt zwei junge Mädchen dar, die einen schmucken Bauernburschen
necken, der ohne Grund eifersüchtig auf seine Liebste zu sein scheint.
 
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