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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0140

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auch hier an dieser Stelle eine gewisse Befangenheit, die durch ihre
Abwesenheit dem talentirten Künstler einen großen Gefallen erwiesen
haben würden. — Noch fielen uns in die Augen Friedländer's
„Der Antrag", C. Reichert'S „Unwillkommener Besuch", Eduard
Ritschel's „Dorfpolitiker", Ebert's „Husarenattaque", I. Büche's
„Zur Jausenzeit", L. Maß' „Der angenehme Aufenthalt", A. Gabl's
„Die kleinen Thierquäler" — mit wunderschön ausgeführter Häßlich-
keit — und R. Geyling's „kn studio“. — Unter diesen treten,
was glänzende Technik betrifft, „Die Husarenattaqne", was charak-
teristische Zeichnung, „Die Dorfpolitiker" hervor.

Bei der sogenannten Salonmalerei macht sich im Allgemeinen
das bedauerliche Streben sichtbar, vor Allem die deutsche Schuster-,
Schneider- und Hutmacher-Zeitnng zu Rathe zu ziehen. Man kann
sich deshalb auch nicht wundern, daß die meisten Figuren dann nebst
Schuhen und Kleidern sich auch die Gesichter der Modebilder an-
geeignet und deshalb ein Aeußeres haben, das auch nicht einen Zug
des Geistes besitzt. Es braucht Einer just kein Laubfrosch im Glase
oder sonst ein anderer Prophet zu sein, um voraussehen zu können,
daß die ehrsame Gilde der Bekleidungs- und Haarkünstler, um ein
Urtheil über ihre Thätigkeit zu hören, in die ^Reifje der Abonnenten
der „Dioskuren" werden treten müssen. (Forts, folgt.)

A Düsseldorf, 20. April. (Aus den permanenten Aus-
stellungen von Schulte und Bismeyer u. Kraus.) „Vom
Fels zum Meer", dieser hohenzollernsche Denkspruch, wird von unfern
Landschaftern immer wieder praktisch durchgeführt; so können wir auch
diesmal auf den beiden permanenten Ausstellungen unser schönes
Vaterland im Bilde, von den Alpen bis zur Nord- und Ostsee,
durchreisen, ja noch darüber hinaus bis nach dem hohen, unwirth-
lichen Norwegen schiffen.

Schultze giebt uns einen Einblick in ein einsames Alpenthal,
allein durch eine weidende Heerde belebt. Im Hintergrund steigen
mächtige Felspyramiden empor, auf denen der ewige Schnee durch
leicht verhüllende Wölkchen schimmert. Wie Silberfäden rieseln
von dort oben Bäche herab, die sich im kleinen See am Fuß der
Berge sammeln, um, zum Flüßchen vereint, aus dem Felsenbecken
weiter in's Thal hinabzueilen. Die Tannenwälder, welche den
stillen Wasserspiegel umgeben, sind noch feucht vom Morgennebel
und umzogen mit jenem Silberdunst, der den Alpenlandschaften
eigenthümlich ift., Schade, daß das Bild oben zu nah' über den
Bergspitzen abschneidet, und so ein gedrücktes Ansehen erhält, sowie
auch unten der Vordergrund zu unmotivirt vom Rahmen über-
schnitten wird, ohne daß etwa Pflanzen oder Felsstücke einen Ab-
schluß bildeten.

Lessing, der alte Meister der düsseldorfer Schule, sendet aus
Karlsruhe ein Bild, welches unser Mitteldeutschland verherrlicht.
In dem Fluß, der die Landschaft durchzieht, vermuthen wir den
Rhein oder einen seiner Nebenströme; die Berge im Vorder- und
Mittelgrund tragen wenigstens den Charakter rheinischer Gegenden.
Die Kapelle mit den großen Bäumen umher auf dem Hügel ist so
recht ein Stück alter düsseldorfer Romantik. Ob die Höhen, der
weichen Moosbekleidung und des Waldwuchses halber, in der Natur
so wulstig wie hier erscheinen können, oder ob dies rundliche, form-
lose Ansehen der Hügel ein Mangel der Zeichnung ist, wagen wir
nicht zu entscheiden. — Ducker, der vielbewährte Maler der Ost-
see, zeigt uns ihre Küsten in zwei Bildern; das eine, ein flaches,
monotones Stück Strand, im hellen Sonnenlicht, das aber nur
einen schmalen Wasserstreifen, an Gestellen ausgespannte Netze, einen

großen auf's Land gezogenen Kahn und aufgestapelte Balken be-
scheint, das andere, ein steileres, oben mit Grün bewachsenes Ufer,
durch Anordnung und Beleuchtung ein bei Weitem interessanteres
Bild als das erstgenannte. Die See, welche leise zum Strande
drängt, ist perlgrau gefärbt und noch nicht vom Mond, der eben
röthlich aus einem Wolkenschlcier tritt, versilbert. Eine feinere
Durchführung würde ohne Zweifel den Werth dieser Bilder er-
höhen. — Herzog's Marinen, von denen wir zwei im Salon
des Herrn Schulte sehen, zeugen wie immer von viel Begabung,
nur leiden seine Werke an Monotonie in der Komposition und Be-
leuchtung. Diesmal ist das Licht so silberweiß, daß wir fast in
Versuchung gerathen, den Mond anstatt der Sonne, hinter den
vorliegenden Wolkenmassen zu vermuthen. — Zwei norwegische Land-
schaften von Duntze sind interessant, was den Gegenstand betrifft,
blaue Fjorde und mächtige Felshörner, auch wirkungsvoll, aber
hart in der Farbe, was indessen bei Hellem Himmel und klarer
Luft dem hohen Norden eigenthümlich zu sein scheint.

Von Figurenbildern ist ein „Betendes Mädchen", noch kindlich
an Gesicht und Gestalt, vor einem Heiligenhäuschen im Walde von
Salentin zu nennen, gefällig und stimmungsvoll gemalt, und ein
Genrebild von C. Mücke. Ein halberwachsenes Mädchen in kleid-
samer Bauerntracht schaukelt ein Kind in den Schlaf. Sie rührt
die geschnitzte, buntbeinalte Wiege mit dem Fuß und benutzt zugleich
in ländlichem Fleiß die Zeit dazu, einen groben blauen Strumpf
fertig zu stricken. Diese doppelte Langeweile scheint sie sich durch
ein Lied zu versüßen, welches den geöffneten, rothen Lippen entquillt.
Das lose unter der bunten Mütze hervorwallende blonde Haar ist
vortrefflich gemalt und stimmt gut zu der blühenden Farbe des
Kopfes. Störend aber ist die Art, wie der wulstige Rock sich um
die Gestalt wickelt und die leichte Bewegung derselben zu hemmen
scheint. Das gewiegte Kind schläft wirklich und zwar so fest, daß
wir es athmen zu hören meinen; nur hätte man es lieber ein
wenig von der Seite als so gerade unter das aufgestülpte Näschen
gesehen. Das Bild berechtigt zu schönen Hoffnungen für den jungen
Künstler.

G. Florenz. In dem Dorfe Barbernio, nahe bei Val d'Elsa,
wurde im Hospica S. Michele Vicuto eine prächtige Freske gefunden;
sie stellt die symbolische Figur des heiligen Cristoforo dar, wie er
auf der Schulter das Kind Jesus trägt und durchs Wasser schreitet,
welches ihm bis zur Hälfte der Beine hinauf geht. Das Lokal,
wo diese schöne Freske gefunden wurde, diente seit 1808 zu einem
Kohlenmagazine. Nach der Komposition, im Style damaliger Zeit,
wie nach der Art der Ausführung ließe es sich dem Pollaiolo zu-
schreiben. Unter Aufsicht des Herrn Rondoni, dem Inspektor der
Gallerien, wurde das Gemälde mit großer Sorgfalt von der Mauer
abgelöst und hieher transportirt, wo es vorläufig in dem Parterre
der Gallerie der Uffizien deponirt ist, und demnächst dem National-
Museum zur Zierde gereichen wird. — Noch eine andere Freske ist
letzthin nach der Gallerie der Uffizien gebracht. Sie wurde in dem
Palaste des Marchese Gualtorio in Orvieto von einer Mauer gelöst,
und stellt den Erzengel St. Michael dar. Die Feinheit, mit welcher
die ganze schöne Figur, und besonders auch der Küraß, der die Brust
des Erzengels bedeckt, ausgeführt ist, zeigt, daß der Künstler es ver-
standen hat, die Schwierigkeiten der Fresko-Malerei zu überwinden.
Man schreibt diese großartige Arbeit dem Luca Signorella zu,
welcher in den Fresken des Domes zu Orvieto, Proben seines
Genies abgelegt hat.
 
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