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Die Dioskuren: deutsche Kunstzeitung ; Hauptorgan d. dt. Kunstvereine — 19.1874

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https://doi.org/10.11588/diglit.13552#0182

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schüft hat überhaupt so große Vorzüge, ist so gut in der Wirkung,
das tiefhängende Gewölk, der Regenschleier, Wiesen, Bäume und
die zwischen dem Gebüsch hervorlauschenden Hänschen sind so vor-
trefflich gemacht, daß man kaum den Muth hat, mit dem Künstler
noch über den rothen Regenschirm des Hirten im Vordergrund zu
hadern, der einen grellen Farbenpunkt abgiebt und mit dem Regen-
bogen streitet.

Lommen, dessen großes Bild eine flache sumpfige Wiesen-
gegend darstellt mit weidenden Kühen schwer und unförmlich, in der
. Ferne einige Häuser, links eine Windmühle, scheint absichtlich das
Häßliche und Langweilige in der Natur aufzusuchen, wie uns dies
auch sein vorletztes Bild, der öde schwerbedeckte Weg, das plumpe
Gespann, der rohe Fuhrmann, die Fabrik und die Eisenbahn: im
Hintergrund beweist.

Auch Munthe, dessen große Begabung bekannt ist, schwelgt
wahrhaft im Trostlosen. Nässe, Schneewasser, Koth, ein schmutziger
Himmel und eine schmutzige Erde, dazu unförmliche Menschen, welche
auf dieser herumpatschen. Wie gut auch alles Einzelne gemacht ist,
so wirken die Bilder doch in: Ganzen nicht harmonisch, vielmehr
scheinen sie aus einzelnen Flecken und Punkten zusammengesetzt zu sein.

n. Dresden, 20. Mai. (Neue Erwerbungen der königl.
Gemäldegallerie.) Für die hiesige Geinäldegallerie sind kürzlich
aus der Versteigerung der Gemäldesammlung des verstorbenen Ba-
rons Reede van Oudtshorn zu Utrecht und derjenigen des
Dr. van der Willigen zu Harlem elf Bilder von neun ver-
schiedenen Meistern angekauft worden. Sechs dieser Meister waren
bisher in der hiesigen Gemäldegallerie nicht vertreten. Die hervor-
ragendsten der neu erworbenen Bilder sind von FranzHals; das
eine derselben stellt die ihrer Zeit bekannte Matrosenmutter von
Harlem, die lustige Hille Bobbe, dar, wie sie den Fischmarkt be-
sucht; neben ihr befindet sich die Gestalt eines rauchenden Mannes,
der mit weit geöffnetem Munde Rauchringel zu bilden sucht. Das
andere Bild von Franz Hals zeigt das lebensgroße Brustbild seines
Schülers van der Vinne. — Die übrigen Meister, von denen Bilder
erworben sind, heißen: Cornelis Dusart, Nicolas Maes,
I. B. Greuze, Jan Mieße Molenaer, Job Berckheydc,
Abraham Hondius und Joost Cornelis Droogsloot. Von
Cornelis Dusart ist sein berühmtes „Kegelspiel" angekauft: von Nie.
Maes, dem originellen Schüler Rembrandt's, zwei Frauen, die in
einer Küche waschen; von I. B. Greuze ein ganz vortreffliches Genre-
bild: „Der gute Hausvater, den Seinigen die Bibel erklärend". Das
Bild von Job Berckheyde stellt das Innere des Domes zu Harlem
dar; das Bild von Joost Cornelis Droogsloot zeigt die in goldig-
warmem Tone gehaltene „Dorfstraße". Bei einem der angekauften
Werke, „Die Gemüsehändlerin", ist der Autor nicht ganz sicher fest-
zustellen; wahrscheinlich stammt es von Nicolas Verkolye aus
Delft, und nicht von dessen Vater Jan Verkolye. Der Preis des
ganzen Ankaufes beläuft sich auf 7208 Thaler.

m. Prag. (Aus der permanenten Ausstellung von
Nico laus Lehmann.*) Der Idee, eine historische Gallerie ein-
heimischer Kunst aufzustellen, die Nicol. Lehmann seit Eröffnung
seines Kunst-Salons verwirklicht hat, ist die Thatsache zuzuschreiben,
daß unsere jüngere Künstler-Generation, die zum Theil hier, zum
Theil in München sich aufhält, dessen permanente Kunst-Ausstellung
zum Sammelplatz ihrer neu entstandenen Werke gemacht hat, und
dies verleiht dieser ein größeres Interesse und eine erhöhte Wichtig-
keit. Im Hinblick auf die daselbst ausgestellten Werke können wir

*) In meine Nachtragsnotiz zur Kritik der hiesigen Kunstausstellung
hat sich ein Schreibfehler eingeschlichen. Statt „Hanno Kundtmann" muß
es heißen Hano Kundmüller.

unserer künstlerischen Zukunft durchaus mit Beruhigung entgegcn-
sehen. Sehen wir da doch Werke, wie Alfred Seifert's in Mün-
chen virtuos breit-behandelter „Sommernachtstraum"*). In dem
zitternden, Alles in einen magischen Schleier verhüllenden Mondlicht,
daß nur der errathenden Phantasie freien Zutritt erlaubt, träufelt
Oberon der schlafenden Titania die Zaubertropfen auf die Augen-
lider; im Hintergrund ein Elfenreigen. Abgesehen von dem scenischen
Reize erscheint das Bild auch in der dramatischen Seite des Sujets
richtig gegliedert und die Situation in ihren Elementen Nacht, Schlaf
und Traum auf's Glücklichste entwickelt. Ein zweites Bild Seifert's
ist ein größeres „Stillleben". — Prächtige, vollentwickelte Farbe zeigt
V. Brozlk's in München Genrebild „Der Kuß", zu dessen Ver-
wirklichung ein Liebespaar, im Kostüme unter Kaiser Maximilian I.,
das Einschlummern des alten Vaters benützt. Die gleichzeitig aus-
gestellte stimmungsvolle „heil. Jria" von Brozik ist durch Bruck-
mann's große Pendant-Photographie zu Max' „heil. Julia" all-
gemein bekannt. Seine „Nymphe" ist in der Farbe vergriffen.
Alfred v. Kowalski's „Bettelmönche" sind eine naturtreue und
humorreiche Komposition. Ein Mönch vom Orden der Reformatoren
führt eben reiche Kollekte von Naturalien heim, als ihm vom Wagen
eine Gans entflieht. Die sich nun entwickelnde Scene ist der sehr
glücklich behandelte Gegenstand des solid gemalten Bildes. Ethno-
graphische und landschaftliche Treue zeigte deffen „Jüdische Post"
und „Poststation in Polen". Weniger gelungen ist eine „Kinder-
scene" von demselben Künstler. Franz Zenischek's in Prag
„Römische Sclavinnen" beweisen dessen eifriges Studium Meister
Gerüme's, und der durch seine Zeichnungen in „Ueber Land und
Meer" bekannte Anton Gareis in Prag hat ein Genrebild „Länd-
liche Scene" ausgestellt.

Nicht dieser Kategorie angehörige, aber nicht zu übersehende
Novitäten sind Gustav Süs' in Düsseldorf „Wunderbar" und
„Schauderhaft", aufgeregte Scenen aus dem Nestflüchterleben zeu-
gend von feiner Beobachtung und naivem Humor; ferner ein pracht-
volles größeres Aquarell von Johann Ranftl „Pilgerrast" und ein
interessantes Aquarell von Franz Alt in Wien.

R. Rom, im Mai. („Flucht aus Pompeji"; Carstens'
Grabmal;VerschiedeneS. Forts, u. Schluß.) Prof. Lombardi hat
ein Modell „Die Flucht aus Pompeji" vollendet, das großes Aufsehen
macht. Es ist eine lebensvolle reichbewegte Gruppe: eine Mutter, die
ihre Kinder vor dem Verderben zu retten sucht, das über die unglück-
liche Stadt hereingebrochen ist. Lombardi hatte dabei niehr als Eine
Schwierigkeit zu überwinden. Vor allem galt es originell zu sein,
denn es hatte schon vor ihm ein Künstler, wenn ich nicht irre,
Benzoni, denselben. Stoff behandelt; dann mußten die drei Figuren
so gruppirt, daß jede von jeder Seite zur Wirkung gelangte. Die
Pompejanerin, von schönen Formen und feinen edlen Zügen, ist in
voller Flucht; der Körper beugt sich vorn über, der Blick zeigt die
Verzweiflung. Mit der Rechten hält sie den größeren Sohn um
seine Hüfte, während die Linke den kleineren an sich drückt und ein
Tuch schützt ihr Haupt gegen die fallenden Gesteine. Ganz ver-
schieden von einander ist der Gesichtsausdruck der beiden Knaben.
In den Zügen des größeren sehen wir den lebhaften Ausdruck von
Angst und Schrecken, aber sie sind nicht das Ergebniß der Kenntniß
der Gefahr, sondern in ihm nur durch die Angst und den Schrecken
der Mutter hervorgerufen. Er scheint sich zu fragen: „Was hat
doch die Mutter? Warum reißt sie uns so mit sich fort? Was
bedeutet das Tuch auf ihrem Kopfe? Und was ist das für ein
Geräusch? Er ist voll Schrecken und begreift nichts von Alledem,

*) Hievon erscheinen im Herbst verschiedene photographische Ausgaben
im Kunstverlag von Hanfstaengl in München.
 
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