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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906

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Warlich, Hermann: Eine deutsche Dorf-Anlage in den Ostmarken
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https://doi.org/10.11588/diglit.8554#0138

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ANSIEDLERDORF GOLENCEVVO.

EINE DEUTSCHE DORF-ANLAGE IN DEN OSTMARKEN.

Zwei Wege gibt es, auf denen die moderne
Kunst in das Herz unseres Volkes dringen
kann; der eine führt von oben her durch die
dünne Schicht der häufig mit schlechter Kunst
übersättigten Reichen, in der er meist schnell
verläuft, der andere von unten nach oben in
die breiten Massen des nach echter Kunst
hungernden Volkes, wo sich aus ihm eine un-
endliche Zahl von Nebenwegen entwickeln kann.
Jahrelang hat man mit mehr oder weniger Glück
versucht, den einen Weg allein zu begehen, und
erst in jüngerer Zeit erinnert man sich, dass
wohl der zweite der wichtigere sein dürfte. Man
will heute das Volk für die junge Kunst gewinnen,
die Kunst dem Volke bringen, Heimatkunst auf
breitester Grundlage schaffen; das kann man nur,
indem man das Volk allmählich, aber innig mit
Kulturwerten der Gegenwart vertraut macht, mit
Schöpfungen der Kunst der Neuzeit in unauf-
fälliger und nicht aufdringlicher Form dauernd
umgibt, ohne es jedoch von vorhandenen guten
Traditionen völlig loszulösen. Wir müssen hier-
bei mit dem Wichtigsten, dem eigenen Haus,
beginnen und es durch schlichte, einfache aber
künstlerische Bauform wieder zum Mittelpunkt
eines stillen, glücklichen Lebens gestalten. Bauern-

haus und Arbeiterheim kommen hierbei zunächst
in Frage, aus beiden muss das Eigenhaus der
weiteren Gesellschaftskreise sich entwickeln.

Die Königliche Ansiedelungs - Kommission
für Posen und Westpreussen hat in dieser Rich-
tung wertvolle Anfänge gemacht, unter denen
die neugeschaffene Dorfanlage Golencewo bei
Posen in künstlerischer Hinsicht hervorragend
ist. Ihr Schöpfer, Regierungs- und Baurat Fischer,
hat hier in einer landschaftlich schönen Gegend,
auf sonniger Ebene, die zum Teil von sanft sich
hinziehenden bewaldeten Hügeln begrenzt wird,
ein Ansiedlerdorf gebaut, dessen gesamte Anlage
und einzelne Gehöfte den im Geiste der Neuzeit
schaffenden feinfühlenden Baukünstler verraten,
der auf dem Boden der guten Tradition stehend,
in ästhetischer und hygienischer Hinsicht mit
den einfachsten Mitteln praktisch und schlicht, wie
wir es wünschen — und billig zu bauen weiss.

Das Dorf zieht sich langgestreckt zu beiden
Seiten einer alten Allee hin, was ihm beinahe
den Charakter des langsam und zufällig Ge-
wordenen, nicht den des plötzlich Entstandenen
und absichtlich Gewollten verleiht. Im Mittel-
punkt des Ganzen liegt der Dorfplatz mit einem
schönen Brunnen, aus dessen figurentragenden

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