Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906

DOI Artikel:
Lux, Joseph August: Neue Brunnen und Denkmäler von Franz Metzner
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.8554#0274

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Neue Brunnen und Denkmäler von Franz Metzner.

des Beckenraumes als ganz plastisch ver-
menschlichte Symbole sind natürlich strenger
nach den Gesetzen der Anatomie gebildet,
ohne sich selbstverständlich in überflüssige
und störende Details zu verlieren, welche
die imposante Gesamtwirkung verkleinern
würden. Dagegen sind die reliefartigen
Figurenmotive an dem Postament der Haupt-
figur umso strenger gehalten, je mehr sie
mit diesen Architekturteilen verwachsen sind,
und je weniger sie aus diesem Grunde als
selbständige Plastik heraustreten. Plastische
Elemente, die aus dem Stein hervorwachsen
und daher im engeren Sinne immer noch
Architekturgebilde bleiben, mussten stets
abstrakte Formen annehmen, wenn sie künst-
lerisch wirken sollen. Dafür sprach auch der
Umstand, dass sie an dieser Stelle dem
Auge des Beschauers entrückter sind, und
dass deshalb nur allgemeine Formen wahr-
genommen werden können. Das genaue
menschlich-anatomische Studium, das an die
einzelnen Figuren angewendet worden ist,
kann aus den Details ersehen werden.

Eine plastische Halbfigur »Die Äbtissin«
bietet gleichfalls einen Beweis von der emi-
nent sicheren und künstlerischen Auffassung
des Materials; was an Ausdruck möglich
ist, ist getan, und dennoch ist der Stein
durch keine naturalistische Forderung ver-
gewaltigt.

Nur von wenigen heutigen Künstlern,
und von den Nichtkünstlern gar nicht, ist
die Welt als Organismus begriffen, in dem
die Plastik, ebenso wie die Architektur und
die Malerei, vor allem die Denkmalplastik,
eine räumliche Beziehung darstellt, ein ge-
danklich bestimmtes Material, das mit dem
natürlichen Materialausdruck von Stein oder

Bronze ein Symbol verkörpert. Alle Begriffe
sind verworren, alles Verlangen unklar und
alle Künste geben sich uneigentlich und
spielerisch! Jede Architektur, jede Malerei,
jede Plastik tritt so auf, als ob sie allein
und das einzige auf der Welt wäre und
keinen Zusammenhang mit dem anderen
brauchte. Architektur will malerisch und
plastisch wirken im Surrogatschmuck einer
Schein-Skulptur; Monumental-Malerei will
körperlich wirken wie Plastik und Plastik
malerisch und dramatisch wie Genrebilder
und Historienmalerei. Schliesslich wird jedes
Material auf die Effekte eines anderen hin
bearbeitet und vergewaltigt. Dass Bronze
und Stein, Granit und Marmor grundver-
schiedene Physiognomien haben, wird kaum
beachtet. Vor allem aber fehlt der Blick
aufs Ganze. Daher kommt es, dass die Ge-
samtheit des heutigen Bauens und Gestaltens
kein Kunstwerk darstellt, das sich aus zahl-
reichen Gliedern organisch bildet und zur
Einheit zusammenschliesst, wie die Natur
selbst, sondern sie ist eine Summe von zahl-
losen zusammenhanglosen Einzelheiten und
Bruchstücken, ein bunter Haufen, nur von
ihrem physischen, nicht von einem geistigen
Schwerpunkt zusammengehalten, der, wenn
er auseinanderfallen würde, in Scherben
liegt, so dass nicht zwei Stücke passend
zusammengefunden werden könnten. Ein
kaum handgrosses Bruchstück einer antiken
Plastik genügt, um im Geist das ganze übrige
Werk und die dazugehörige Welt zu er-
gänzen ; dagegen ist ein zehnfach grösseres
Bruchstück einer heutigen Durchschnitts-
plastik ein nichtssagender, wertloser Trümmer.
Darin liegt der primäre Unterschied zwischen
guter und schlechter Plastik. JOS. AUG. LUX.
 
Annotationen