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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906

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Hardenberg, Kuno von: Die Museums-Halle für Weimar: auf der III. deutschen Kunstgewerbe-Ausstellung in Dresden 1906
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https://doi.org/10.11588/diglit.8554#0279

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Kuno Graf Hardenberg:

das Leben eiserner Ernst ist, er vergißt das
nie, darum kann er nicht recht liebenswürdig
sein; wo er es sein möchte, ist er oft peinlich.

Darum versteht er sich auch nicht auf
Spiel und Schmuck, er mutet schönen un-
logischen Frauen zu, sich mit unschönen
logischen Konstruktiönchen zu putzen. Als
Keramiker macht er Teekannen, in denen
man sich nur Nitroglycerin vorstellen kann.
Sein bestes waren und sind seine Gebrauchs-
möbel, sein bohnenförmiger Schreibtisch be-
deutet eine Tat im Reiche des Komfort.

In der Materialbehandlung ist er nicht
immer glücklich, obwohl er in der Theorie

— man kann das nicht genug anerkennen

— stets nur für das absolut Echte ein-
getreten ist. Gar Vieles wird durch seine
Berührung Eisen — wider seinen Willen.

Naive Seelen lieben Farben — er ist
nicht naiv, er kennt nur Farbentöne; die
banale Menge schwelgt in reinen Akkorden
er schlägt Septimen an als Begleitung, leise,
fast verächtlich, denn der Rhythmus der Linie
darf nicht gestört werden, er ist heilig, er
allein. Wäre er Musiker, so würden seine
Weisen klingen wie die rhythmischen Ge-
sänge der Orientalen.

Eine würdige Monumentalaufgabe für ihn
wäre eine Ruhmeshalle des modernen
Maschinenbaus, hunderte von sinnreichen
Modellen müßten darin stehen und die Wände
sollten Bilder von Constantin Meunier tragen,
das wäre ein ästhetisches Ereignis. Dieselben
Linien, die an den Maschinen eisernen Ge-
setzen dienen, würden in seiner Architektur
leicht und zwanglos in holdem Spiele zum
erfreulichsten Gegensatz wiederkehren.

Auf der dritten Deutschen Kunstgewerbe-
Ausstellung zu Dresden tritt Van de Velde
mit einer Museumshalle für Weimar auf. Er
zeigt sich auch hier als der schon lange fest
umrissene, den wir seit Jahren kennen, mit
allen Vorzügen und Schwächen; vielleicht ist
er noch etwas gewachsen, er ist auch ruhiger
geworden — nicht zu seinem Nachteile.

Unser Vollbild gibt einen deutlichen Ein-
druck von der Wirkung dieses Raumes mit
seinen merkwürdigen architektonischen Ein-
teilungen — in den Proportionen ein Schlag
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gegen alles Hergebrachte —; ich will daher
nicht näher darauf eingehen, wer Van de Velde
liebt, wird ihn hier genau so verehren können,
wie in anderen seiner Innenräume, denn
konsequent ist sich der eiserne Künstler ge-
blieben, wer ihn nicht liebt, wird schwerlich
durch diese Museumshalle bekehrt werden.

Am letzten Ende vollzieht sich ja auch
Abneigung gegen einen Künstler oder Zu-
neigung zu einem Künstler nach geheimnis-
vollen Gesetzen, die bei fein organisierten
Menschen nicht zu beeinflussen sind.

Mit Van de Velde ist Ludwig von Hof-
mann auf dem Plan erschienen, er hat die
Wandmalereien dem Räume gegeben. Merk-
würdige Fügung des Schicksals, die diese
beiden Künstler zusammengeführt hat! Es
scheint fast, als gäbe es etwas, wie künst-
lerische Zuchtwahl, eine eigentümliche Er-
gänzungstheorie, die die Schaffenden zu
gemeinsamer Arbeit vereint.

Ludwig von Hofmann ist jetzt der be-
kanntesten einer unter den jungen Malern
Deutschlands und der besten einer. Als er
im Anfang der neunziger Jahre zuerst mit
seinen farbenfrischen, sonnigen Phantasien
an die Öffentlichkeit trat, da war der Wider-
spruch nur kurz, man fühlte den Dichter
immer deutlicher und gab sich den wärmenden
Strahlen hin. Ein junger Architekt sagte
mir damals voll Begeisterung: Ich könnte
mir denken, daß so die alten Griechen ge-
malt haben. Er hatte nicht unrecht, in Hof-
manns Bildern liegt etwas von arkadisch
Pastoralem, von einem Leben schöner träume-
rischer Kindmenschen, von friedlichen Idyllen
in goldener Unschuld auf dem Berge Ida,
von Gärten der Hesperiden und halkyonischen
Tagen.

Novalis stellt dem Idealism nicht den
Realism, sondern den Formalism gegen-
über, er hat damit eine tiefe Wahrheit ge-
sichtet. Hofmann trat in einer Zeit auf, wo
der geltende Formalism sich Realism nannte,
das verbreiterte seinen Erfolg, denn die Zahl
derer, die sich von einem Künstler lieber
in den Garten Eden laden lassen, als in die
Lüneburger Heide, die sich lieber ihr Sehnen
mit einem süßen Märchen, als mit einem
 
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