Mißstände und Mißverhältnisse im Kunstleben Schleswig-Holsteins.
PROFESSOR HENRY VAN DE VELDE—WEIMAR.
verderblichen Mängeln, die sich wie eine
ewige Krankheit fortpflanzen. Ein Haufen
von Jahresberichten, Vereinsblättern, Denk-
schriften und Eingaben an die Behörden,
von Preis-Ausschreiben und allen möglichen
Publikationen und Petitionen liegt vor mir.
Hier nur wenige Beispiele unserer Zer-
splitterung und Zerfahrenheit und, last not
least, unserer bedenklichen Gutgläubigkeit
und loyalen sUneigennützigkeit«.
Kiel besaß ehedem eine kleine Kunst-
halle. Das Gebäude war ein provisorisches,
aber der Schleswig-Holsteinische Kunstverein
konnte wenigstens periodische Ausstellungen
darin veranstalten und seinen Bestand an
angekauften Werken dort unterbringen; es
stand in bescheidener Unansehnlichkeit auf
historischem Terrain, nämlich seitlich neben
dem alten Schlosse in der Dänischen Straße.
Mit der Einigung des Reiches und der An-
gliederung Schleswig-Holsteins an Preußen
trat eine Veränderung ein. Die Hofhaltung
des Prinzen Heinrich von Preußen verlangte
Büfett im Anrichte-Zimmer.
Ausführung: Sclicideniantel—Weimar.
eine Erweiterung und Ausgestaltung des
Schlosses. Die »Kunsthalle« sollte von der
Bildfläche verschwinden. Der Kunstverein
verzichtete in loyaler Rücksicht freiwillig
auf das ihm durch Revers der Kgl. Schloss-
verwaltung vertragsmäßig cingeräiunte Recht,
den Schlossgrund erst räumen zu müssen
nach Errichtung des von der Staatsregierung
beabsichtigten, den Bedürfnissen entsprechen-
den Neubaus eines Museums, Gegen die
ausdrückliche Zusicherung, daß auf die Bau-
ausführung des neuen Museums »bis zum
Frühjahr iSgo als sicheren Faktor gerechnet
werden könnte«, willigte der Verein in den
sofortigen Abbruch der alten Kunsthalle.
Für diese Tugend wurde er gehörig ge-
straft und muß seitdem unter ihren Folgen
leiden. Die Zusicherung der Preußischen
Regierung blieb bis heute — volle fünfzehn
Jahre nach dem versprochenen Termin des
Fertigstellens — unerfüllt. Noch ist nicht
der Grundstein zum Bau gelegt auf dem
verfügbaren, der Christian Albrechts Univer-
683
PROFESSOR HENRY VAN DE VELDE—WEIMAR.
verderblichen Mängeln, die sich wie eine
ewige Krankheit fortpflanzen. Ein Haufen
von Jahresberichten, Vereinsblättern, Denk-
schriften und Eingaben an die Behörden,
von Preis-Ausschreiben und allen möglichen
Publikationen und Petitionen liegt vor mir.
Hier nur wenige Beispiele unserer Zer-
splitterung und Zerfahrenheit und, last not
least, unserer bedenklichen Gutgläubigkeit
und loyalen sUneigennützigkeit«.
Kiel besaß ehedem eine kleine Kunst-
halle. Das Gebäude war ein provisorisches,
aber der Schleswig-Holsteinische Kunstverein
konnte wenigstens periodische Ausstellungen
darin veranstalten und seinen Bestand an
angekauften Werken dort unterbringen; es
stand in bescheidener Unansehnlichkeit auf
historischem Terrain, nämlich seitlich neben
dem alten Schlosse in der Dänischen Straße.
Mit der Einigung des Reiches und der An-
gliederung Schleswig-Holsteins an Preußen
trat eine Veränderung ein. Die Hofhaltung
des Prinzen Heinrich von Preußen verlangte
Büfett im Anrichte-Zimmer.
Ausführung: Sclicideniantel—Weimar.
eine Erweiterung und Ausgestaltung des
Schlosses. Die »Kunsthalle« sollte von der
Bildfläche verschwinden. Der Kunstverein
verzichtete in loyaler Rücksicht freiwillig
auf das ihm durch Revers der Kgl. Schloss-
verwaltung vertragsmäßig cingeräiunte Recht,
den Schlossgrund erst räumen zu müssen
nach Errichtung des von der Staatsregierung
beabsichtigten, den Bedürfnissen entsprechen-
den Neubaus eines Museums, Gegen die
ausdrückliche Zusicherung, daß auf die Bau-
ausführung des neuen Museums »bis zum
Frühjahr iSgo als sicheren Faktor gerechnet
werden könnte«, willigte der Verein in den
sofortigen Abbruch der alten Kunsthalle.
Für diese Tugend wurde er gehörig ge-
straft und muß seitdem unter ihren Folgen
leiden. Die Zusicherung der Preußischen
Regierung blieb bis heute — volle fünfzehn
Jahre nach dem versprochenen Termin des
Fertigstellens — unerfüllt. Noch ist nicht
der Grundstein zum Bau gelegt auf dem
verfügbaren, der Christian Albrechts Univer-
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