Mißstände und Mißverhältnisse im Kunstleben Schleswig-Holsteins.
BERNH. WENIG—HANAU.
Wohnzimmer aus Kirschbaurnholz.
Ausführung: Julius Gluckert—Darmstadt«
nicht einzelne Namen herausheben, aber
zweifellos bringen einheimische Baumeister
einer derartigen Sache mehr Gefühlsinteresse
entgegen, als man von Auswärtigen an-
nehmen und verlangen kann. Denn wo
neben dem Hirn auch das Herz arbeitet, da
und nur da kann es etwas wirklich Gutes,
mehr als Durchschnittliches werden. Hier
bietet sich also für uns Gelegenheit, einen
nicht engherzigen und kurzsichtigen, sondern
gesunden und berechtigten Lokalpatriotismus
zu zeigen. Versäumen wir sie nicht! Beim
künftigen Rathaus, und mehr noch beim
projektierten neuen Kieler Stadttheater haben
Kenner der einschlägigen Verhältnisse sehr
schwerwiegende Bedenken, ob wir nicht
besser getan hätten, unsere architektonischen
Aufgaben mit den eignen, reichlich vor-
handenen künstlerischen Kräften in Kiel zu
lösen. Wir wollen nur wünschen und hoffen,
daß uns die späte Reue, die kein Begangenes
190G. XI. i.
ungeschehen, etwas Versäumtes selten zvieder
gut machen kann, erspart bleibe.
Bis in die neueste Zeit haben die Vor-
bedingungen und Voraussetzungen für eine
Pflege der künstlerischen Interessen Schles-
wig - Holsteins außerordentlich ungünstig
gelegen. Der Kulturschwerpunkt lag in
der Zeit der Fremdherrschaft in Kopenhagen.
Die Kaufmannsrepublik Hamburg im Süden
hat — außer durch das »allzunah« liegende
Altona — mit der Provinz keinerlei Be-
rührungspunkte. Dem steht nun von altersher
eine überwiegende ländliche und klein-
städtische Bevölkerung gegenüber, und zwar
in einer nach Wohlstand und Intelligenz
keineswegs ungünstigen Lage. Das braucht
nicht verschwiegen zu werden: Geld genug
haben wir! Unrichtig aber ist die ziemlich
verbreitete Annahme, als ob unserm Volks-
stamm als solchem der Kunsttrieb versagt,
oder nur auf enge Kreise beschränkt geblieben
701
BERNH. WENIG—HANAU.
Wohnzimmer aus Kirschbaurnholz.
Ausführung: Julius Gluckert—Darmstadt«
nicht einzelne Namen herausheben, aber
zweifellos bringen einheimische Baumeister
einer derartigen Sache mehr Gefühlsinteresse
entgegen, als man von Auswärtigen an-
nehmen und verlangen kann. Denn wo
neben dem Hirn auch das Herz arbeitet, da
und nur da kann es etwas wirklich Gutes,
mehr als Durchschnittliches werden. Hier
bietet sich also für uns Gelegenheit, einen
nicht engherzigen und kurzsichtigen, sondern
gesunden und berechtigten Lokalpatriotismus
zu zeigen. Versäumen wir sie nicht! Beim
künftigen Rathaus, und mehr noch beim
projektierten neuen Kieler Stadttheater haben
Kenner der einschlägigen Verhältnisse sehr
schwerwiegende Bedenken, ob wir nicht
besser getan hätten, unsere architektonischen
Aufgaben mit den eignen, reichlich vor-
handenen künstlerischen Kräften in Kiel zu
lösen. Wir wollen nur wünschen und hoffen,
daß uns die späte Reue, die kein Begangenes
190G. XI. i.
ungeschehen, etwas Versäumtes selten zvieder
gut machen kann, erspart bleibe.
Bis in die neueste Zeit haben die Vor-
bedingungen und Voraussetzungen für eine
Pflege der künstlerischen Interessen Schles-
wig - Holsteins außerordentlich ungünstig
gelegen. Der Kulturschwerpunkt lag in
der Zeit der Fremdherrschaft in Kopenhagen.
Die Kaufmannsrepublik Hamburg im Süden
hat — außer durch das »allzunah« liegende
Altona — mit der Provinz keinerlei Be-
rührungspunkte. Dem steht nun von altersher
eine überwiegende ländliche und klein-
städtische Bevölkerung gegenüber, und zwar
in einer nach Wohlstand und Intelligenz
keineswegs ungünstigen Lage. Das braucht
nicht verschwiegen zu werden: Geld genug
haben wir! Unrichtig aber ist die ziemlich
verbreitete Annahme, als ob unserm Volks-
stamm als solchem der Kunsttrieb versagt,
oder nur auf enge Kreise beschränkt geblieben
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