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Deutsche Kunst und Dekoration: illustr. Monatshefte für moderne Malerei, Plastik, Architektur, Wohnungskunst u. künstlerisches Frauen-Arbeiten — 18.1906

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Jaumann, A.: Das Kunst -Gewerbe auf der Landesausstellung in Nürnberg
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https://doi.org/10.11588/diglit.8554#0320

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Das Kunstgewerbe auf der Landes-Ausstellung in Nürnberg.

KARL TH. EICHLER—MEISSEN.

Porzellan-Gruppe »Blindekuh«.
Ausführung: Kffl. Porzellan-Manufaktur—Meissen.

Prüfung-, dem Wunsche nach Übersicht dienlicher
Stoff sein könnte. Aber sie hebt selbst alle diese
Vorteile wieder auf, sie greift störend ein in den
ruhigen Gang unseres Urteils und entläßt uns ver-
wirrter, als wir kamen. Von der Übermacht der
zahllosen Eindrücke wird der eine, der Schwache,
niedergeschlagen, er erliegt und wird unfähig zu
jedem Urteil, der andere wehrt sich und sträubt sich
von Saal zu Saal grimmiger gegen die anstürmende
Fremdwelt, er haßt und befeindet, wo er richten sollte.

Die guten Dinge sind nicht für den Vergleich,
daß man sie auf der Messe - sei es auch eine
Kunstmesse - in den lauten Kampf schickt, wo alle
aller Feinde sind, das depraviert ihren Charakter.
Sind sie stark, erscheinen sie brutal; der Sanfte,
Bescheidene wird zum Schwächling.

Das Kunstgewerbe, insonderheit die Wohnungs-
kunst, ist eine dienende Kunst; auf der Ausstellung
wird sie plötjlich anmaf3end und selbstisch. Was

Schale sein sollte, gebärdet sich als Frucht. Ist es
da ein Wunder, wenn der Besucher das richtige
Verhältnis nicht zu gewinnen weiß zu Gegenständen,
die ihm sonst vertraut und befreundet sind, die er
aber hier nicht wieder kennt, ob der Schauspieler-
maske, die sie plötjlich aufgeseßt haben?

Auf der Nürnberger Landes-Ausstellung hat das
Kunstgewerbe einen besonders schweren Stand. Man
hat es nicht allein von der bildenden Kunst getrennt,
auch die Art seiner Vorführung ist ungünstig genug.
In einer unansehnlichen Halle, die als Anhängsel
eines andern, größern Baues wirkt, hat man es
untergebracht — zum Teil; der größere Teil ist in
der „Industriehalle" zerstreut und geht in der lärmen-
den Menge des dort Aufgestapelten so gut wie
verloren. Einen andern gefährlichen Umstand, die
Nähe höchster technischer Schönheiten, die uns in
wunderbaren Maschinen und Geräten auf Schritt und
Tritt begegnet, will ich nur andeuten.

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