Georg Muschner—München:
ERNST LIEBERMANN—MÜNCHEN.
»Grebirais-Straße im "Winter«.
Rembrandts und die Kunst Böcklins. Und
abstraktes Ästhetisieren ist von vornherein
steril. »Kunst ist nur, was ein höherer
Mensch für sich und andere an höheren
Lebenswerten schafft in schöner Form«.
Darnach ist Kunst Menschengeschichte,
Persönlichkeitsgeschichte. Und zur Persön-
lichkeit gehört Werdegang, Entwicklung;
breiter Boden, hohes Wachsen; Fleiß und
Wille. Damit lassen sich alle Gegen-
behauptungen, daß Kunst weder Inhalte
wie: Seele, Geist, Idee, Poesie, noch Ab-
sichten wie: Zweck, Ziel, Bewußtheit
brauche, als erledigt betrachten. Nur ist's
an der Zeit, solches immer häufiger und
reichhaltiger zu belegen und unumstößlich
zu beweisen an ernsten Künstlern, die auf
diesem Wege sind.
* *
*
Ernst Liebermann ist 69er. Er gehört
also gerade noch zu der Generation, der
wir jene moderne Kunst verdanken, die
etwa im »Pan« zum Siege kam. Aber er
trat doch wieder ein wenig später und ab-
seitiger auf, um die Dinge ruhiger zu nehmen
als die Sezessionisten. Sein Lebensweg war
wohl schwerer; er war vielleicht auch als
Mensch bedächtiger, stiller. Es ist — im
gewissen Sinne — typisch für ihn, daß er zu
der Luitpoldgruppe gehört, jenem gemäßigten
Kreise der Münchner Künstler, die zwischen
Sezession und Kunstgenossenschaft stehen.
Er kam gleichsam tiefer und weiter her,
sein Weg ist länger. Man könnte sagen,
er wächst nun erst in sezessionistische Kunst
hinein, wenn er nicht, in anderen Linien
bereits auch durch sie hindurchgewachsen,
schon auf ganz eigenem Gebiete stünde,
so etwa zwischen Sezession und Scholle.
Und ein gewisser Unterschied ist der: fast
alles, was sich Sezession nennen läßt, ist
durch Befruchtung des Auslandes entstanden,
E. Liebermann aber kommt von deutschester
Kunst her, aus Quellen — es führte hier
zu weit, ihn historisch herzuleiten und ein-
zustellen, — aus denen Schwind, Richter,
Thoma, Böcklin wuchsen. — Man beachte
den »Wanderer«, keine Illustration zu Geibels
Volkslied, selbst eines und größer, epischer.
— Dieser deutsche Wesenszug ist es
übrigens, der am ehesten eine Verwechslung
mit dem Namensvetter verbietet. Wir haben
einen Berliner Maler Max Liebermann und
einen deutschen Künstler Ernst Liebermann.
Der »große« Liebermann wird den deutschen
Zug nie finden, auch nicht um seine Millionen;
ERNST LIEBERMANN—MÜNCHEN.
»Grebirais-Straße im "Winter«.
Rembrandts und die Kunst Böcklins. Und
abstraktes Ästhetisieren ist von vornherein
steril. »Kunst ist nur, was ein höherer
Mensch für sich und andere an höheren
Lebenswerten schafft in schöner Form«.
Darnach ist Kunst Menschengeschichte,
Persönlichkeitsgeschichte. Und zur Persön-
lichkeit gehört Werdegang, Entwicklung;
breiter Boden, hohes Wachsen; Fleiß und
Wille. Damit lassen sich alle Gegen-
behauptungen, daß Kunst weder Inhalte
wie: Seele, Geist, Idee, Poesie, noch Ab-
sichten wie: Zweck, Ziel, Bewußtheit
brauche, als erledigt betrachten. Nur ist's
an der Zeit, solches immer häufiger und
reichhaltiger zu belegen und unumstößlich
zu beweisen an ernsten Künstlern, die auf
diesem Wege sind.
* *
*
Ernst Liebermann ist 69er. Er gehört
also gerade noch zu der Generation, der
wir jene moderne Kunst verdanken, die
etwa im »Pan« zum Siege kam. Aber er
trat doch wieder ein wenig später und ab-
seitiger auf, um die Dinge ruhiger zu nehmen
als die Sezessionisten. Sein Lebensweg war
wohl schwerer; er war vielleicht auch als
Mensch bedächtiger, stiller. Es ist — im
gewissen Sinne — typisch für ihn, daß er zu
der Luitpoldgruppe gehört, jenem gemäßigten
Kreise der Münchner Künstler, die zwischen
Sezession und Kunstgenossenschaft stehen.
Er kam gleichsam tiefer und weiter her,
sein Weg ist länger. Man könnte sagen,
er wächst nun erst in sezessionistische Kunst
hinein, wenn er nicht, in anderen Linien
bereits auch durch sie hindurchgewachsen,
schon auf ganz eigenem Gebiete stünde,
so etwa zwischen Sezession und Scholle.
Und ein gewisser Unterschied ist der: fast
alles, was sich Sezession nennen läßt, ist
durch Befruchtung des Auslandes entstanden,
E. Liebermann aber kommt von deutschester
Kunst her, aus Quellen — es führte hier
zu weit, ihn historisch herzuleiten und ein-
zustellen, — aus denen Schwind, Richter,
Thoma, Böcklin wuchsen. — Man beachte
den »Wanderer«, keine Illustration zu Geibels
Volkslied, selbst eines und größer, epischer.
— Dieser deutsche Wesenszug ist es
übrigens, der am ehesten eine Verwechslung
mit dem Namensvetter verbietet. Wir haben
einen Berliner Maler Max Liebermann und
einen deutschen Künstler Ernst Liebermann.
Der »große« Liebermann wird den deutschen
Zug nie finden, auch nicht um seine Millionen;