Ernst Liebermann—München.
ERNST LIEBERMANN—MÜNCHEN.
Gemälde »Wald-Idyll«.
nicht für einen Künstler, der die Natur ab-
klatscht, aber auch für keinen, der ihr Zwang
antut durch Stil. Es ist, als hätte er bei
dem Gemälde »Helle Sommernacht« vor
der Gefahr eines einseitigen Stils Halt
gemacht. Er steht in dieser Beziehung wohl
etwa auf Böcklinscher Linie — siehe Schicks
»Tagebuch« — als Einer, der die Landschaft
in sich aufnimmt, die Natur in sich auf-
stappelt, um sie durchtränkt mit mensch-
licher Seele und in künstlerische Form
gegossen wiederzugeben, in seiner Art,
aber naturgetreu und ehrlich. Hier scheidet
sich ja Handwerk, Naturalismus, Kunst.
Ernst Liebermann gehört zu unseren ehr-
lichen Künstlern. Ja vielleicht ist er in
seinem Entwicklungswege gerade jetzt an
dem schweren Punkte, wo Ehrlichkeit mit
Souveränität streitet.
Wie Deutschsein — im gewissen Sinne —
eine Einschränkung bedeuten kann, die bis
zur Philisterhaftigkeit zu führen vermag, so hat
Heimatkunst etwas Einengendes, das bis zur
Beschränktheit gehen kann. Beide Gefahren
hat Liebermann überwunden. Die ersten
landschaftlichen Entdeckungen mag er der
Heimat verdanken — er hat als künst-
lerischer Begleiter der Inventariatskommission
sich besonders mit den Schlössern und Burgen
Thüringens beschäftigen dürfen — aber er
hat sein Gesichtsfeld geweitet, besonders
durch die anregende Natur seiner neuen
Heimat München, durch Oberbayern, die
Voralpen und durch seine Studienreisen, die
ihn namentlich durch die süddeutschen Gaue
führten. Wie sich die Natur in seinem
Künstlerhirn verwebt, zeigt zum Beispiel
»Neuschnee« — das Gemälde ist im Besitz
der Herzogin von Coburg — ein Schloss,
das in Thüringen liegen könnte, jedoch in
737
ERNST LIEBERMANN—MÜNCHEN.
Gemälde »Wald-Idyll«.
nicht für einen Künstler, der die Natur ab-
klatscht, aber auch für keinen, der ihr Zwang
antut durch Stil. Es ist, als hätte er bei
dem Gemälde »Helle Sommernacht« vor
der Gefahr eines einseitigen Stils Halt
gemacht. Er steht in dieser Beziehung wohl
etwa auf Böcklinscher Linie — siehe Schicks
»Tagebuch« — als Einer, der die Landschaft
in sich aufnimmt, die Natur in sich auf-
stappelt, um sie durchtränkt mit mensch-
licher Seele und in künstlerische Form
gegossen wiederzugeben, in seiner Art,
aber naturgetreu und ehrlich. Hier scheidet
sich ja Handwerk, Naturalismus, Kunst.
Ernst Liebermann gehört zu unseren ehr-
lichen Künstlern. Ja vielleicht ist er in
seinem Entwicklungswege gerade jetzt an
dem schweren Punkte, wo Ehrlichkeit mit
Souveränität streitet.
Wie Deutschsein — im gewissen Sinne —
eine Einschränkung bedeuten kann, die bis
zur Philisterhaftigkeit zu führen vermag, so hat
Heimatkunst etwas Einengendes, das bis zur
Beschränktheit gehen kann. Beide Gefahren
hat Liebermann überwunden. Die ersten
landschaftlichen Entdeckungen mag er der
Heimat verdanken — er hat als künst-
lerischer Begleiter der Inventariatskommission
sich besonders mit den Schlössern und Burgen
Thüringens beschäftigen dürfen — aber er
hat sein Gesichtsfeld geweitet, besonders
durch die anregende Natur seiner neuen
Heimat München, durch Oberbayern, die
Voralpen und durch seine Studienreisen, die
ihn namentlich durch die süddeutschen Gaue
führten. Wie sich die Natur in seinem
Künstlerhirn verwebt, zeigt zum Beispiel
»Neuschnee« — das Gemälde ist im Besitz
der Herzogin von Coburg — ein Schloss,
das in Thüringen liegen könnte, jedoch in
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