Typisches und Neues in der Raumkunst.
PROFESSOR WILH. KREIS—DRESDEN.
Fortschritt, ein Bekenntnis wirklich wieder
innigerer Liebe zum Zimmer, mag auch der
Berufs-Hygieniker darüber die Hände zum
Himmel erheben und schwören, daß nun die
ästhetisch verbesserten Menschen körperlich
schneller zu Grunde gehen werden. Er wird
sich beruhigen müssen. Denn eine so all-
gemein auftretende Neuerung entspricht
sicherlich auch einer allgemeinen Anschauung
und gegen eine solche zu kämpfen ist selbst
mit den vollen Waffen der Vernunft zu schwer.
Ein weiteres Mittel, jetzt dem Raum
etwas Innigeres, Abgerundetes zu geben, ist
die enge Zusammenziehung von Wand und
Decke, die innigste Überleitung dieser in
jene. Die scharfe, rechtwinklige Kante des
Zusammenstoßes dieser beiden Teile soll tun-
lichst vermieden werden. Das war früher
die Aufgabe der berüchtigten Hohlkehle,
jenes Tummelplatzes für Stukkateure, auf dem
so manches Ornament in lieblicher Fülle aus
altbewährten Vorbildern wieder auferstand
750
Fensterpartic in nebenstehendem Salon.
Ausführung der Möbel: Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst.
und Unruhe dorthin brachte, wo Rulle un-
bedingt gefordert wurde. Jetzt erstrebt man,
wie die Ausstellung in ganz merkwürdiger
Übereinstimmung zeigt, dies Ziel durch Ver-
längerung des farbigen Eindrucks der Decke
nach unten zu. Mit anderen Worten, man
führt das Weiß der Decke noch auf die
Wand hinüber bis zu einer größeren unteren
Grenze, man läßt den Wandbekleidungsstoff
nicht mehr bis zur Decke empor steigen. Den
Abschluß bildet dann eine Holz-, eine Gold-
leiste, selten eine Tapetenborte; bisweilen —
und dies wirkt durchaus nicht unangenehm
— fehlt er auch gänzlich. Seine Höhe be-
stimmt der individuelle Geschmack oder die
besondere Aufgabe des Zimmers. Fällt
dieselbe zu tief aus, so hat man Mühe,
größere Bilder aufzuhängen; dafür kann man
allerdings kleinere, intimere Kupferstiche und
dergleichen fürs Auge in desto günstigere
Nähe bringen.
Gewiß gibt diese Anordnung des Wohn-
PROFESSOR WILH. KREIS—DRESDEN.
Fortschritt, ein Bekenntnis wirklich wieder
innigerer Liebe zum Zimmer, mag auch der
Berufs-Hygieniker darüber die Hände zum
Himmel erheben und schwören, daß nun die
ästhetisch verbesserten Menschen körperlich
schneller zu Grunde gehen werden. Er wird
sich beruhigen müssen. Denn eine so all-
gemein auftretende Neuerung entspricht
sicherlich auch einer allgemeinen Anschauung
und gegen eine solche zu kämpfen ist selbst
mit den vollen Waffen der Vernunft zu schwer.
Ein weiteres Mittel, jetzt dem Raum
etwas Innigeres, Abgerundetes zu geben, ist
die enge Zusammenziehung von Wand und
Decke, die innigste Überleitung dieser in
jene. Die scharfe, rechtwinklige Kante des
Zusammenstoßes dieser beiden Teile soll tun-
lichst vermieden werden. Das war früher
die Aufgabe der berüchtigten Hohlkehle,
jenes Tummelplatzes für Stukkateure, auf dem
so manches Ornament in lieblicher Fülle aus
altbewährten Vorbildern wieder auferstand
750
Fensterpartic in nebenstehendem Salon.
Ausführung der Möbel: Dresdner Werkstätten für Handwerkskunst.
und Unruhe dorthin brachte, wo Rulle un-
bedingt gefordert wurde. Jetzt erstrebt man,
wie die Ausstellung in ganz merkwürdiger
Übereinstimmung zeigt, dies Ziel durch Ver-
längerung des farbigen Eindrucks der Decke
nach unten zu. Mit anderen Worten, man
führt das Weiß der Decke noch auf die
Wand hinüber bis zu einer größeren unteren
Grenze, man läßt den Wandbekleidungsstoff
nicht mehr bis zur Decke empor steigen. Den
Abschluß bildet dann eine Holz-, eine Gold-
leiste, selten eine Tapetenborte; bisweilen —
und dies wirkt durchaus nicht unangenehm
— fehlt er auch gänzlich. Seine Höhe be-
stimmt der individuelle Geschmack oder die
besondere Aufgabe des Zimmers. Fällt
dieselbe zu tief aus, so hat man Mühe,
größere Bilder aufzuhängen; dafür kann man
allerdings kleinere, intimere Kupferstiche und
dergleichen fürs Auge in desto günstigere
Nähe bringen.
Gewiß gibt diese Anordnung des Wohn-